Loslassen tut gut. Loslassen befreit. Von Ängsten, Sorgen, negativen Gedanken und jeglicher Art von Stress. Doch manchmal weiß man längst, dass dieses und jenes nicht gut tut, und kann es trotzdem nicht (los)lassen. Eine Beziehung, die nicht mehr wärmt, Pfunde auf den Hüften oder Vorstellungen, wie das ­Leben eigentlich sein sollte. Ina Rudolph zeigt, wie wir uns mit unseren Gedanken selbst das Leben schwer machen und wie wir sie wieder loslassen können.

„Nichts ist von sich aus gut oder böse.
Das Denken macht es erst dazu.“
Shakespeare, Hamlet

Weisheitslehrer aller Zeiten wussten es schon und die Hirnforschung kann es jetzt auch beweisen: Unsere Gefühle kommen nicht nebulös von irgendwoher. Sie haben immer einen Auslöser und eine Ursache. Die Ursache dafür, was immer ich auch fühle, sind meine Glaubensmuster. Glaube ich etwas Positives oder Nützliches, werde ich ein positives Gefühl haben. Glaube ich etwas Belastendes, wird auch mein Gefühl dazu mich belasten.

Noch vor zehn Jahren  war ich es gewohnt, die Ursache für meine Schwierigkeiten im Außen zu suchen. Ich dachte: Wenn ich nicht genug Geld verdiene, habe ich natürlich Sorgen und schlafe schlecht. Oder: Na klar, wenn mein Freund mich nicht so liebt, wie ich das brauche, dann muss ich ja traurig sein.

Solange ich die Ursache im Außen suchte und fand, gab ich mir Mühe, die Wirklichkeit zu ändern. Ich gab meinem Freund zu verstehen, dass er aufmerksamer und liebevoller sein sollte, mäkelte an meiner Arbeit herum, an den Kollegen – und war mir sicher, dass es mir besser gehen würde, wenn die Welt mehr dem entsprechen würde, was ich brauche. Immer war irgendwo etwas nicht richtig und verbesserungswürdig. Das war anstrengend, aufreibend, und ich glaube, ich habe ordentlich an den Nerven meiner Mitmenschen gesägt.

Ursache von Leid: belastende Glaubenssätze

Heute weiß ich: Der Auslöser für meine Traurigkeit kann in der Außenwelt liegen. Zum Beispiel bei meinem Freund. Aber die Ursache der Traurigkeit lag in dem, was ich über ihn glaubte. Ich hatte allerhand Glaubensmuster darüber, was mein Freund tun sollte, wie er sein sollte, wie eine Beziehung funktioniert und was Liebe ist. Leichter, als meinen Freund zu ändern (was bekanntlich nicht geht und was ich trotzdem immer wieder gerne versucht habe) ist es, meine Glaubenssätze zu hinterfragen, wenn ich nicht mehr traurig, wütend, ängstlich oder unzufrieden sein möchte.

Das Loslassen kann beginnen, wenn ich erkenne, dass ich Glaubensmuster habe, die mich behindern. Diese behindernden Gedanken kann ich überprüfen. Vielleicht sind sie für mich gar nicht wahr? Vielleicht habe ich sie von meinen Eltern, Großeltern oder Freunden übernommen? Vielleicht haben das Fernsehen, Zeitschriften oder andere Medien diese Konzepte bei mir eingepflanzt? Manchmal genügt es, zehn Mal die gleiche Aussage zu hören, um sie für wahr zu halten: Na, wenn das so viele Leute sagen, dann muss da doch was dran sein…

Die Antwort in sich selbst finden

Aus meiner Sicht fördert es die Lebensfreude ungemein, nicht mit belastenden Glaubensmustern herumzulaufen. Ungeprüfte stressige Gedanken sind die Ursache für sehr viel Leid und Stress auf dieser Erde und verhindern das Loslassen. Die beste Methode, die ich kenne, um stressige Glaubensmuster zu hinterfragen, ist „The Work“ von Byron Katie. Zuerst finde ich die Gedanken, die mein Unglück verursachen. Dann stelle ich mir vier Fragen und warte in einem meditativen Prozess, welche Antworten sich zeigen wollen. Ruhe ist wertvoll bei dieser Überprüfung und dem Loslassen förderlich. Wenn ich die Fragen nur mit meinem Alltagsbewusstsein beantworte, bekomme ich die Antworten, die ich sonst auch immer bekomme. Am Ende des Prozesses überprüfe ich, ob das Gegenteil von dem, was ich Stressiges geglaubt habe, nicht auch wahr sein könnte. Wenn ich etwas ganz fest glaube, schließe ich normalerweise andere Möglichkeiten aus und enge damit meine Wahrnehmung ein. Das allein kann schon weh tun. Durch den Perspektivwechsel verlieren die stressigen Glaubenssätze ihre Macht und das Loslassen nimmt seinen Lauf. Mit den stressigen Gedanken verschwinden auch die stressigen Gefühle.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel geben. In einer Einzelsitzung habe ich vor einer Weile mit einer Frau (ich nenne sie mal Sabine) gearbeitet, die sich seit ein paar Monaten mit unklaren Ängsten herumschlug. Diese Ängste wollte sie gern loslassen und wusste nicht wie. Ich bat sie um ein Beispiel, und sie erzählte, dass sie vor ein paar Tagen Zug gefahren war. Auf freier Strecke hatte der Zug unerwartet gehalten und sie wurde von Angstgefühlen überflutet. Ich fragte sie, welche Gedanken in dem Moment, als der Zug hielt, durch ihren Kopf gegangen waren.

Was Sabine gedacht hatte, war: Am Zug wird etwas kaputt gegangen sein, er wird entgleisen oder umkippen, ein Feuer wird ausbrechen und es wird etwas Schlimmes passieren. Den stressigsten dieser Gedanken haben wir uns herausgenommen und überprüft – denjenigen, den sie am liebsten loslassen wollte: 

Es wird etwas Schlimmes passieren.

Die erste Frage der „Work“ lautet: Ist das wahr? Sabine versetzte sich wieder in die Situation, als sie im Zug saß. Dann wartete sie, welche Antworten auftauchten. Ihre Antwort war: Ja. Sie konnte sehen, wie sehr sie diesen Gedanken glaubte.
Wenn die Antwort auf die erste Frage der Work Ja lautet, gibt es die zweite Frage, die Sabine überspringen könnte, falls sie gesehen hätte, dass ihr Glaubenssatz für sie nicht wahr ist: Kannst du absolut sicher sein, hundertprozentig sicher, dass das wahr ist, was du da glaubst?

Drei Minuten saß sie mit geschlossenen Augen und wartete auf ihre Antwort. Dann antwortete sie: „Nein, kann ich nicht.“ An dieser Stelle konnte sie erkennen, dass ihre Gedanken ihr sehr bildhaft ein Szenario vorgegaukelt haben. So bildhaft, dass sie es geglaubt hatte.

Wie reagierst du, was passiert in dem Moment, in dem du diesen Gedanken glaubst? ist die dritte Frage der Work und sie zeigt uns all den Stress, den der belastende Gedanke in uns auslöst. Sabine saß im Zug, der Zug hielt, und als sie glaubte, dass etwas Schlimmes passieren wird, wurde ihr abwechselnd heiß und kalt und ihr war, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen.
Damit nicht genug, hat sie sich selber Vorwürfe gemacht. „Mensch! Was hast du denn wieder! Jetzt reiß dich mal zusammen!“ Das wiederum hat ihr ein Gefühl von Einsamkeit und von Nicht-geborgen-Sein gegeben. Sabine konnte auch sehen, welchen Stress es ihr machte, wenn sie ihrem Gedanken glaubte.

Wer wärest du ohne diesen Gedanken?, fragen wir mit der vierten Frage. Sabine atmete einmal tief durch, lehnte sich zurück und ließ die Frage auf sich wirken. Sie saß wieder im Zug, der Zug hielt unerwartet auf freier Strecke und der Gedanke: „Es wird etwas Schlimmes passieren“ tauchte nicht auf.

Wer ist sie, wenn der Zug hält, ohne diesen Gedanken? Sabine saß lange mit geschlossenen Augen und schüttelte den Kopf, als sie die Augen wieder öffnete. „Ich kann das gar nicht glauben“, sagte sie. „Wenn der Gedanke nicht auftaucht – oder diese Art von Gedanken –, dann hab ich gar kein Problem.“ Sie lachte und genoss es, ohne diese Gedanken zu sein. „So kann ich tatsächlich loslassen. Dann sitze ich im Zug und lese mein Buch oder schaue aus dem Fenster… vielleicht merke ich noch nicht einmal, dass der Zug hält… Ich wäre ruhig und mehr bei mir.“

Sabine konnte erkennen, dass nicht das Halten des Zuges ihr Problem war, sondern ihre Gedanken darüber. Und selbst wenn etwas am Zug kaputt gewesen oder ein Feuer ausgebrochen wäre, wäre sie mit einem klaren Kopf wahrscheinlich handlungsfähiger, als wenn sie vor Angst in Ohnmacht gefallen wäre.

Am Ende der Work überprüfen wir noch, ob das Gegenteil von dem, was wir geglaubt haben, nicht auch wahr sein könnte. Ein Gegenteil von „Es wird was Schlimmes passieren“ könnte lauten: „Es wird nichts Schlimmes passieren.“

Ich fragte Sabine: „Du sitzt im Zug, der Zug hält. Könnte es auch wahr sein, dass nichts Schlimmes passieren wird?“ Sie nickte. Ich bat sie um ein Beispiel. Sie sagte: „Es könnte ja auch sein, dass der Zug hält, damit nichts Schlimmes passiert. Vielleicht beachtet der Zugführer einfach ein Signal.“

Beispiele für die Umkehrung zu finden, ist zum Loslassen unerlässlich. Sabine verstand, dass genau das Gegenteil wahr sein kann, nämlich dass es für ihre Sicherheit gut ist, dass der Zug hält. Damit fühlte sie sich gleich viel besser. Der stressige Glaubenssatz kann sie endgültig verlassen.

Sabine konnte noch eine weitere Umkehrung finden: Es wird was Wunderbares passieren.
„Ja“, sagte sie. „Ohne meine stressigen Gedanken ist es ganz wunderbar. Ich fahre von A nach B ohne Angst und Stress. Herrlich.“ Sabine hatte erkannt, dass ihre Angst aus den unnützen, ängstlichen Gedanken kam und dass sie diesen nicht zu folgen brauchte. Sie konnte ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes richten und damit die Angst loslassen.

Eine Sache schätze ich ganz besonders an The Work: Sie bekommen hier keine guten Ratschläge oder Tipps. Die Work stellt nur die Fragen. Die Antworten finden Sie in sich selbst. Das führt zu echtem Selbstbewusstsein und Unabhängigkeit. Haben Sie die Methode einmal erlernt, können Sie sie immer anwenden, wenn neuer Stress auftaucht. Loslassen ist ganz leicht, wenn man weiß, wie’s geht!

2 Responses

  1. Serge

    Hi Lutz, Hi alle möchtegerne Gurus,

    Das Coaching für das Arschabwischen hat keine Zukunft (Wochenendseminar zu kostspielig: 260€!), da die meisten Smartphones nicht ohne Menschen auf die Toilette gehen, bin ich dabei dafür eine App zu entwickeln, gratis!
    Übrigens, die echte Schafherde wird von einem wirklich erleuchteten, unkonditionell liebendem Leitschaf geleitet.

    Meine Empfehlung: die 260€ in den Hut eines Obdachlosen „loslassen“.

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  2. Lutz

    So ein pastoraler Schwachsinn… Gratulation für das Rekrutieren einer dummen Schafherde, die irgendwann selbst fürs Arschabwischen einen Coach braucht… die Herde wächst.

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