Tanzen ist nicht nur Selbstausdruck der eigenen Lebendigkeit, sondern auch ein Medium der Begegnung. Im Erspüren, wo die eigenen Grenzen liegen und wie weit wir uns auf eine Öffnung einlassen wollen, entstehen ein besseres Körpergefühl und mehr Respekt für uns selbst. Tanzen kann der Beginn der Selbstliebe sein, die Grundvoraussetzung für eine authentische Begegnung mit anderen: Love Dance.

 

Tanz beginnt da, wo die Worte aufhören. Er ist die unmittelbare Begegnung mit dem Moment, mit unserer eigenen Lebendigkeit – und mit dem Anderen. Im Tanz bewegt uns die Musik auf vielfältige Weise. Dabei stehen innere und äußere Bewegtheit in einem engen Wechselspiel. Über die Körperwahrnehmung kommen wir in Kontakt mit einem Energiefluss, dem wir nachspüren können, der uns mühelos weiterträgt, uns näher bringt zu uns selbst.

Hier dürfen die Emotionen endlich frei durch uns hindurchfließen und sich in der Bewegung direkt über den Körper mitteilen. Wir spüren uns, unsere eigene Schöpferkraft und Lebendigkeit: In jeder Zelle vibriert die Freude am eigenen Körper, der Genuss der Hingabe an uns selbst.

Aber obwohl der Tanz uns so vor allem nach innen bringt, in unsere eigene Kraft, ist er doch etwas, das wir teilen können. Etwas, das in einem Raum stattfindet, der auf sonderbare Weise zugleich in uns und zwischen uns ist. Gemeinsam erschaffen wir im Tanz etwas Neues: ein Feld, das wir teilen und gemeinsam nähren. An diesem Ort ist ein Treffen und Verstehen möglich, das jenseits aller Worte liegt. Dort können wir das Gegenüber unmittelbar spüren, bis in die kleinste Bewegung hinein.

Erst durch die Nähe zu uns selbst wird diese Nähe zum Anderen möglich. Erst die Selbstliebe lässt uns authentisch werden mit uns selbst und in der Begegnung. Tanz lädt ein, ganz bei uns selbst zu sein. Unsere Ehrlichkeit ist dabei direkt erfahrbar als Genuss und Freude. Durch das Ablegen alles Konzeptionellen, das Einlassen auf das, was gerade jetzt in uns und zwischen uns ist, geschieht ein Treffen an einem Ort, an dem wir uns in authentischer Unschuld begegnen. Wir können behutsam miteinander spielen und uns selbst in Bereichen, die von mystischer Tiefe sind, fast schwerelos bewegen. Was dort zwischen uns entsteht, ist mehr als die Summe zweier Teile.

Was geschieht dort eigentlich? Was kann ich durch die Begegnung über mich selbst lernen? Wie gelingt es, dabei ganz und gar wahrhaftig zu sein und mich zu öffnen? Habe ich überhaupt genug Vertrauen dazu – in mich selbst und in den Anderen? Wo sind meine Grenzen und warum sind sie dort? Kann ich im Spiel lernen, von ihnen frei zu werden? Muss ich das überhaupt, oder sind die Grenzen vielleicht absolut okay, da, wo sie sind? Wenn ja: Wie lerne ich diese Grenzen sowohl bei mir selbst als auch bei anderen anzuerkennen – ohne Scham vor meinen eigenen und ohne mich zurückgewiesen zu fühlen durch die Grenzen Anderer? Was lehrt mich der Tanz über Hingabe? Über Liebe?

Die tänzerische Begegnung zum Erkundungsfeld zu machen, ist das Ziel von „Love Dance“. Mitten in der Natur des Tollense Lebensparks wollen wir uns ein Wochenende Zeit nehmen, genau hinzuspüren, zu entdecken und zu genießen. Durch eine Reihe von Wahrnehmungs- und Körperübungen stellen wir unsere Sinne darauf ein, ganz achtsam zu sein für das, was in uns selbst und den anderen passiert. Dann lassen wir uns in den Tanz fallen, uns ausdrücken und spielerisch begegnen. Gemeinsam wollen wir erforschen und erleben, was dort passiert, wo die Worte aufhören.

Love Dance ist ein Tanz-Wochenende, bei dem es vor allem um Nähe und Begegnung geht. David Rotter fragte die drei Macher des Seminars, was die Teilnehmer erwartet.

David: Ihr schreibt, Love Dance kann es den Menschen ermöglichen, sich selbst und die Begegnung mit anderen über den Tanz neu zu entdecken und dabei die eigene Achtsamkeit für subtilere innere Vorgänge zu erweitern. Warum ist gerade der Tanz dafür ein geeignetes Mittel?

Aruna: Weil im Tanz der ganze Körper mit einbezogen ist und über die Körperwahrnehmung ein deutlich spürbarer Energiefluss zustande kommt, dem ich nachfühlen kann.
Peter: Tanz ermöglicht auch eine ganz direkte Begegnung jenseits der Sprache und eine ganz direkte Umsetzung von inneren und äußeren Wahrnehmungen.
Aruna: Man sagt ja auch, Tanz ist die Sprache der Seele. Und Tanz ist Kreativität – wie jede andere kreative Tätigkeit bringt uns das Tanzen daher unmittelbar in Kontakt mit unserer Schöpferkraft.

 

David: Tanzen heißt für viele, sich ganz fallenlassen in ein Gefühl. Ihr betont aber sehr die Achtsamkeit, die ja eher ein Beobachten ist und eine gewisse Distanz erfordert. Was meint ihr da genau und wie geht das zusammen?

Maik: Für mich heißt das, sich selbst und die eigenen Gefühle bewusst wahrzunehmen und auch die des Gegenübers. Ein achtsames Herantasten an den Anderen über das Gefühl: Was nehme ich von mir und dem Anderem wahr? Wenn ich mich da ganz einlasse, kann das bis zum Verschmelzen der Energien im Tanz gehen.
Peter: Der Partner kann sehr wohl Impulse geben, den Anderen einladen, sich weiter zu öffnen – ohne dass dies zwingend ist. Im LOVE DANCE ist es möglich, mit meinem Gegenüber ein spielerisches Miteinander zu erleben.
Maik: Und auf der anderen Seite auch ohne Scham sein, wenn man sich nicht öffnen kann. Es geht darum, Grenzen zu akzeptieren – sowohl beim Anderen als auch bei sich selbst.

David: Dem Tanz werden viele Eigenschaften zugesprochen: Manche sagen, Tanz sei Meditation, für andere ist er Kommunikation, dann wieder direkter Ausdruck von Emotion – wo seht ihr den Tanz?

Aruna: Alles ist wahr! Tanz ist all dies und sogar noch mehr: Tanz ist auch Kunst und Freude am eigenen Körper.
Peter: Der Verstand braucht solche Unterteilungen, um alles einzuordnen. In Wirklichkeit geschehen aber alle diese Dinge synchron – und wirken auch gleichzeitig.
Maik: Ich denke sogar, diese verschiedenen Ebenen ergeben erst den Tanz als Ganzes. Sie ergänzen sich auf eine Art, in der sie sich nicht nur multiplizieren, sondern potenzieren. Oder anders ausgedrückt: 1+1+1 sind hier 111. Solange wir diese Dinge getrennt voneinander sehen, können wir nicht wirklich verstehen, was im Tanz passiert.

David: Warum Love Dance? Was hat die Liebe damit zu tun?

Maik: Für Liebe gibt es ja viele Definitionen…
Aruna: Es geht uns auch um die Selbstliebe…
Peter: Hauptsächlich! Wenn die Eigenliebe größer und größer wird, dann wird auch die Ausdrucksfähigkeit im Tanz immer größer. Über den Tanz kann ich auch herausfinden, wie nah ich bei mir selber bin.
Aruna: Nur dann kann ich ja meine eigenen Grenzen auch wahrnehmen.
Maik: Je mehr ich mich selbst liebe, desto mehr kann ich auch nach außen wirken. Wobei es hier nicht um Eitelkeit geht, was ja aufgesetzt ist. Je mehr ich mich selbst aufrichtig liebe, desto authentischer und harmonischer wirke ich nach außen.
Peter: Je deutlicher ich diese Liebe wahrnehme, desto freier bin ich dann auch in der Begegnung mit anderen.
Maik: Es geht darum, die Liebe in sich selbst zu finden, zu teilen und zu potenzieren.

 

David: Das Seminar beginnt mit Wahrnehmungs-, Körper- und Kontaktübungen, die nicht unmittelbar mit Tanz zu tun haben. Warum ist euch das wichtig?

Aruna: Diese Übungen sind wichtig, um erst mal überhaupt den eigenen Körper zu spüren und seine Impulse wahrzunehmen. Erst wenn wir uns selbst wirklich fühlen, kann der Mut kommen, diese Impulse dann auch in Bewegung umzusetzen.
Maik: Diese Übungen lassen uns vor allem auch erkennen: Der andere hat genau wie ich Grenzen und dasselbe Bedürfnis, dass diese Grenzen geachtet werden.
Peter: Über dieses langsame Herantasten bildet sich ein Vertrauensraum, der sich mehr und mehr erweitert.
Maik: Und dieser Raum ist ja auch dadurch ein geschützter Raum, weil wir das mit einer kleinen, geschlossenen Gruppe erkunden und die Interessen der Anwesenden gleich oder zumindest sehr ähnlich sind. Das ist bei einem Tanzabend eine ganz andere Situation.

David: Tanz und Nähe sind ja für viele Menschen Themen, die mit Schüchternheit und Scham verbunden sind. Wie gelingt es, in einer Gruppe einen Raum des Vertrauens zu schaffen, in dem sich jeder so zeigen mag, wie er oder sie sich gerade fühlt?

Aruna: Eben durch diese Übungen und indem zu den Begegnungen sehr behutsam eingeladen wird. Bevor überhaupt Begegnung im Tanz stattfindet, lernen wir erst über die vorbereitenden Übungen, Grenzen zu spüren und für diese dann auch einzustehen. Wenn Begegnungen dann näher werden, weiß jeder, wie weit er gehen mag.

David: Aber geht es nicht auch darum, Grenzen mal zu überschreiten und dadurch zu wachsen?

Peter: Nein, nicht Grenzen zu überschreiten oder zu verletzen, sondern mit ihnen zu spielen, darum geht es.
Maik: Genau. Wir können ganz spielerisch damit umgehen: Wie fühlt sich das an, wenn ich die Grenze jetzt mal ein bisschen verschiebe? Und dann immer dorthin zurückzukehren, wo ich mich sicher und wohl fühle. Von da aus kann ich dann experimentieren.
Aruna: Da gibt es keinen Druck, auch nicht sich selbst gegenüber.

David: Wie ist das Verhältnis zwischen Tanz und Erotik, Nähe und Sex? Welche Rolle spielt Erotik bei eurem Seminar – ihr sprecht ja auch von männlichen und weiblichen Energien, da spielt ja unweigerlich auch Anziehung eine Rolle.

Aruna: Bei männlichen und weiblichen Energien geht es uns um die Wahrnehmung der „Urenergien“, die dahinter stecken, und darum, diese dann auch im Tanz auszuagieren. Dass der Mann zum Beispiel führt und die Frau sich wirklich fallen lassen kann. Das erfordert vom Mann andererseits auch wirklich halten zu können, zentriert zu sein. Erotik spielt dabei erstmal keine Rolle.
Peter: Dies ist definitiv kein Erotik- oder Sextanz! Für eventuelle Spätfolgen übernehmen wir aber trotzdem keine Haftung (lacht).
Maik: Wenn sich Menschen über den Tanz auch auf andere Weise näherkommen, ist das eine sehr schöne Sache – aber das ist nicht das Ziel des Seminars.

David: Euer Seminar findet im Tollense-Lebenspark statt, welche Bedeutung hat der Ort für das Seminar? Warum nicht in einer Großstadt wie Berlin?

Peter: Es geht ja auch darum, mal aus dem Alltag auszutreten, sich ganz einzulassen – und das geht an diesem Ort sehr viel besser.
Aruna: Es ist einfach besser, so etwas in einer schönen Umgebung zu machen! Wir werden ja auch die Natur in Seminar mit einbeziehen. Es ist sehr hilfreich, auch in den Pausenzeiten eine Umgebung zu haben, die eine gute Energie hat, die Kraft und Stille gibt.


Abb.: © Markéta Sáblíková – http://biomarketa.blogspot.com

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