Mantren sind Urschwingungen, heilige Urklänge. Sie sind Formeln spirituellen Inhalts und stellen das Göttliche als Klang dar. Sie eröffnen Sängern wie Hörern auf dem Weg innerer Versenkung den Zugang zur spirituellen Welt.

Das Rezitieren und Hören von Mantren in kontemplativer Haltung ist eine natürliche und einfache Hilfe zur Erlangung von innerem Frieden und Heilung. Mantren gibt es nur in Sanskrit. Im Unterschied zu unseren Kommunikationssprachen, die für die weltlichen Bedürfnisse entwickelt wurden, ist Sanskrit eine spirituelle Sprache, die Sprache der „Götter“ (Naturkräfte), die im ganzen Kosmos Resonanz findet. Obwohl nicht immer für den menschlichen Verstand begreifbar, wirkt sie auf das Bewusstsein der Zuhörer ausdehnend und heilend. Die Rezitation erzeugt eine Schwingung, die uns in Resonanz mit göttlichen Naturkräften bringt.
Mantren beschreiben verschiedene Aspekte Gottes, die sie in uns und um uns zu lebendiger Schwingung erwecken. Sie können nicht vollendet übersetzt werden, da die vollkommene Bedeutung nicht vom „Mind“ aus, dem Verstand, zugänglich ist. Ein Übersetzungsversuch in unsere Umgangssprache lässt nur einen kleinen Teil der wahren Bedeutung übrig.

 

Transzendenz des Verstandes

Die wiederholte Rezitation eines Mantras bewirkt eine Transzendenz (Überschreitung) des Verstandes. Jenseits davon existiert nur reines Bewusstsein, wo es keine Tätigkeit des Geistes gibt, wo kein Verstand nötig ist. Es ist ein Zustand der feinsten Wahrnehmung ohne Aktivität des Geistes. Aus diesem Zustand wird „Erkenntnis“ gewonnen, im Unterschied zum „Wissen“, das durch Lernen (eine mentale Tätigkeit) erlangt wird.
Von allen Mantren sind das Pranava OM und das Gayatri Mantra die wichtigsten. Das Pranava ist der universelle Gottesname, der Urlaut, aus dem die ganze Schöpfung, der Kosmos entstanden ist. Diese Vibration lässt sich in Ewigkeit wahrnehmen und durchdringt bis dahin die entferntesten Bereiche des Universums, entsprechend dem, was die Physiker ,,Background Radiation“ nennen.
Das Gayatri Mantra ist der ausführliche Gottesname. Dieses Mantra (aus dem Rig-Veda, III.5.10) bewirkt einen klaren Intellekt und reinigt uns und unsere Umgebung. Das Mantra wird Gott in seinem Aspekt lebensspendender Sonnenkraft (,,Savitri“) zugeschrieben. Durch Wiederholung des Gayatri-Mantras wird diese Sonnen-Energie in jeder Zelle unseres Körpers erweckt.

Om Bhur Bhuvah Suvahá
Tat Savitur varenyam
Bhargo Devasya dhimahí
Dhiyo Yo Nah Prachodayath

OM: der Urlaut, der Ton als Grundlage der Schöpfung.
Bhur: das Grobstoffliche, der physische Körper, die materielle Welt, die Erde.
Bhuvah: das Subtile, der Astralkörper, die Astral-Ebene, die mittlere Welt.
Suvah: der Bereich jenseits Bhuvah. Das Kausale, der Kausalkörper bzw. spirituelle Körper. Der Himmel, die Welt der Götter
Tat: ,,Das“, das Unbeschreibliche, Gott. Die höchste Wirklichkeit wird einfach mit ,,Das“ bezeichnet, da sie sich der Bezeichnung durch die Sprache entzieht.
Savitur: die göttliche Sonnenkraft Savitri, vergleichbar mit der Leben schenkenden  Energie, die in der Sonne enthalten ist.
varenyam: inniglich lieben, anbeten.
Bhargo: spirituelle Ausstrahlung, heilendes Licht.
Devasya: Göttliche Realität, Gnade.
Dhimahi: wir betrachten, wir meditieren.
Dhiyo: Buddhi (Intellekt), Verstand, Mind.
yo: welche
nah: unser
Prachodayath: erleuchten (erleuchtet)

Die Bedeutung des Gayatri Mantras kann in unserer Sprache nicht genau wiedergegeben werden. Eine Ahnung seiner Bedeutung kann man allmählich durch die Betrachtung verschiedener Übersetzungen gewinnen, die jeweils einen bestimmten Aspekt betonen. Die eigentliche Bedeutung enthüllt man selbst, indem man das Gayatri lange genug rezitiert.

Eine mögliche Übersetzung:
Möge die äußere Welt, die Welt meiner Sinne, gereinigt werden. Möge die innere Welt, die Welt meines Geistes, gereinigt werden. Möge die feinstoffliche Welt, die Welt meiner Seele, gereinigt werden. Gepriesen seist Du, herrlicher Geist, der Du im Inneren erstrahlst und alle Welten mit Deinem Glanz erfüllst. Lass mich über Dein göttliches Licht meditieren und mein begrenztes Bewusstsein ausdehnen, bis es eins wird mit Dir, Du große Sonne von unendlicher Herrlichkeit.
Zum Schluss sei betont: Man sollte ein Mantra nicht aus Büchern entnehmen und es ohne die Anleitung eines Meisters praktizieren. Ein Mantra ist etwas Heiliges (ein Gottesname), das seine heilende Wirkung beim Empfänger nur entsprechend der vedischen Tradition durch eine „Einweihung“, also durch Übermittlung entfaltet: Es ist das Bewusstsein des Meisters, potenziert durch das Einweihungsritual, das garantiert, dass die Göttliche Kraft sich nicht von der Klangformel trennt und diese zu einem gewöhnlichen Wort gerät. Eine Mantra-Praxis ohne eine Unterweisung, die auch die korrekte Aussprache und Betonung beinhaltet, ist im Grunde leichtsinnig und auch nicht ungefährlich.

Bild: © Gabriele_Rohde-fotolia.com

 

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2 Responses

  1. dirk

    wie spricht man die bija-mantras om—klim—hrim—srim—aim–richtig aus?spricht man ong—kling—hring—shring—aing—oder so om—klim—srim—hrim—aim-
    bitte antworten sie mir
    bis dahin—he radhe—he govinda
    hare krischna

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