Der globale Wandel macht auch vor unserer Art zu lernen nicht Halt. Die Kinder des neuen Jahrtausends lassen sich nicht mehr mit vorgefertigten, sinnlosen Inhalten abspeisen, sondern fordern vehement Kreativität, Freiraum, Spiel und Spaß, um ihre Fähigkeiten zu entfalten.

 

Pedro wurde mit sechs Jahren der Schule verwiesen. Er mag keine Autorität, widersetzt sich, ist schnell gelangweilt. Laut seinen Eltern ist er ein Rebell und Herausforderer. Mit drei Jahren fing er an Computer zu spielen, ist voller Energie und aktiver als Erwachsene. Meistens macht er mehrere Dinge gleichzeitig. Lesen und Schreiben brachte er sich mithilfe eines Nachbarn selber bei.

Pedro ist ein Beispiel für viele Kinder, die seit einigen Jahren auf die Welt kommen. Sie sind eine Herausforderung für ihre Eltern und vor allem auch für Lehrende. Viele Lehrer machen inzwischen die Erfahrung, dass die Kinder sich nicht mehr in das bisher vorhandene Schulsystem pressen lassen, selbst junge Lehrer sind oft schon nach kurzer Zeit ausgebrannt und überfordert. Und autoritär auftretenden Lehrern sei gesagt: Eure Zeit ist vorbei, bei diesen Kindern habt ihr keine Chance mehr!

Wie gehe ich aber nun mit diesen Kindern um? Wie helfe ich ihnen zu lernen, und was ist es, was sie lernen sollten/möchten/dürfen? Wichtig, um die Form des Lehrens und Lernens den Kindern anpassen zu können, ist erst einmal, zu erkennen, was sie auszeichnet, wo ihre Stärken sind und warum unser jetziges Schulsystem bei ihnen nicht mehr funktioniert.

 

Holistische Wahrnehmung

Die Kinder der neuen Zeit sind in der Lage, beide Gehirnhälften miteinander zu verknüpfen und entsprechend auf Fähigkeiten und Informationen zuzugreifen, sie zu verarbeiten und anzuwenden. Sie haben eine holistische Auffassung vom Geschehen und lernen am besten, indem sie etwas selbst tun. Da sie Multi-Tasking beherrschen, ist es hilfreich, wenn sie nicht einfach still sitzen und zuhören sollen, sondern sich mit verschiedenen Dingen beschäftigen und sich bewegen können. Außerdem haben sie eine visuelle Art des Denkens und ihr Fokus ist auf emotionale Intelligenz ausgerichtet. Daher ist es förderlich für sie, die intuitive Seite zu stärken, indem entsprechende Übungen gemacht werden und sie sich künstlerisch betätigen können. Die Form des Lernens sollte darauf ausgerichtet sein, sie zu begleiten, und ihnen dabei die Möglichkeit des Selbermachens, Forschens und Entdeckens zu geben. Es ist also mehr als fraglich, ob ein vorgegebener Lehrplan den Kindern und ihrer neuen Form des Lernens entspricht.

Im Zusammensein mit diesen Kindern geht es darum, dass Lehrer und Schüler “auf Augenhöhe” miteinander umgehen. Nur Lehrer, die die Kinder achten, werden es entsprechend einfacher haben. Die Kinder haben ein sehr feines Gespür für Ehrlichkeit und Stimmungen und es ist wichtig, ehrlich und authentisch mit ihnen zu sein.

 

Learning by doing

Die Kinder brauchen viel Raum, um Erfahrungen zu machen und sich ausdrücken zu können. Das Lernen sollte weniger auf Intellekt als auf Gefühl ausgerichtet sein. Es geht darum, die Welt zu erfühlen, zu entdecken, zu erleben und dem eigenen Herzen folgen zu können. Da die Kinder sehr feinfühlig und sensitiv sind, brauchen sie eine Umgebung, die stabil und ausgeglichen ist. Entspannende Musik auf Schulhöfen, ein Schulgarten, Unterricht in und mit der Natur wirken heilend und wohltuend auf sie. Auch Sportarten wie zum Beispiel Aikido, Karate, Kung Fu, Capoeira oder Yoga sind wichtig, um ihr Körpergefühl zu stärken und ihnen Ausgleich zu bieten.

Gehirn-Jogging-Übungen können dabei helfen, ihr Blitz-Denken und die Synchronizität der Gehirnhälften zu trainieren.

Und – sehr wichtig! – diese Kinder haben eine direkte Anbindung an die göttliche Quelle. Insofern ist es wichtig, ihnen die Möglichkeit zu geben, dass sie sich mit spirituellen Themen befassen, und auch ihre in diesem Bereich vorhandenen Fähigkeiten anzunehmen und zu fördern.
Und das Allerwichtigste: Spielen und Spaß haben! Sorgen Sie dafür, dass sie Freude haben an dem, was sie tun, und dass der Tag immer wieder durch Spielen und freudvolle Erlebnisse aufgelockert wird. Schließlich soll Lernen Freude machen, und niemand lernt gern unter Druck oder in einer angespannten Atmosphäre.

Wie könnte dementsprechend das Lernen der Zukunft aussehen?

 

  • Die Kinder bestimmen ihren Lehrplan, die Lehrer begleiten sie entsprechend, geben Anregungen und lassen den Kindern die Möglichkeit, sich selber ihr Wissen und ihre Fähigkeiten anzueignen und zu erarbeiten.
  • Die Kinder dürfen aktiv forschen und lernen.
  • Die Kinder haben Raum zur Entspannung, wenn ihnen danach ist, sie bestimmen also die Phasen von Aktivität und Erholung.
  • Die Kinder haben jeden Tag Kontakt zur Natur, erfahren die Nähe zu Mutter Erde.
  • Kreativität wird in vielfältigen Formen gelebt.
  • Sportliche Aktivitäten sorgen für Ausgleich.

Um all dies verwirklichen zu können, braucht es vor allem die gegenseitige Unterstützung aller Erwachsenen, von Eltern, Lehrern, Großeltern – und auch ein immer besseres Gefühl für uns selbst. Um den Kindern eine ihnen entsprechende Bildung und Förderung geben zu können, dürfen wir uns selbst nicht außer Acht lassen. Heilung fängt bei uns selbst an, und am besten unterstützen wir unsere Kinder, indem wir uns selbst Liebe schenken und uns so annehmen und achten, wie wir sind. Und seien wir ehrlich zueinander. Das ist die Basis gegenseitiger Achtung und gegenseitigen Vertrauens. Auch wir sind letztlich alle Kinder, die auf ihrem Weg sind und lernen. Und wie heißt es doch: Werdet wie die Kinder. Lassen wir also die Kinder unsere Lehrmeister sein. Und: machen wir die Schulen wieder zu Orten lebendigen Lernens, Erfahrens, gegenseitiger Achtung und freudvoller Begegnungen! Helfen wir unseren Kindern und uns selbst, unsere Einzigartigkeit leben zu dürfen. Lernen wir wieder, auf unser Herz zu hören und die Liebe an die erste Stelle zu stellen.


Die Zukunft des Lernens: Pedagooogía 3000

Pedagooogía 3000 heißt eine internationale Initiative, die die in Bolivien lebende französische Anthropologin Noemi Paymal gegründet hat. Seit 2001 erforscht sie zusammen mit einem fachübergreifenden internationalen Team das Thema ”Kinder und Jugendliche des dritten Jahrtausends”.
Pedagooogía 3000 basiert auf der aktiven Mitarbeit von Hunderten von Freiwilligen in vielen Ländern und vernetzt vielfältige lokale pädagogische Erfahrungen und Projekte. Das Hauptziel besteht darin, eine holistische Erziehung zu ko-kreieren, zu verbreiten und anzuwenden, die auf den Bedürfnissen der heutigen Kinder und Jugendlichen basiert und ihnen helfen soll, ihrer Lebensaufgabe gerecht zu werden: der Herausbildung einer neuen, bewussteren und freieren Menschheit.

Pedagoogía 3000 versteht Bildung und Erziehung als einen integralen Prozess, der zunächst das multidimensionale Bewusstsein derjenigen befördern soll, die die Kinder und Jugendlichen begleiten.

Die Anliegen von Pedagooogía 3000 sind:

  • neue grundlegende, effektive und holistische Erziehungstechniken
  • verdeckte Potenziale erkennen und entfalten helfen
  • verschiedene Intelligenzen und wie man sie nutzt
  • Intuition und Sensitivität als Ressourcen des Lernens
  • die Förderung der zwei Hemisphären des Gehirns, damit sich deren jeweilige Kreativität entfalten kann
  • die Entwicklung emotionaler Intelligenz
  • Lernen als Spaß – mit Kopf, Herz und Bauch.

Die Seite www.pedagooogia3000.info bietet in spanischer, englischer, französischer und auch deutscher Sprache eine große Menge an kostenlos herunterzuladenden pädagogischen Werkzeugen, Büchern, Radiosendungen, Videos, Rundbriefen etc.

Pedagooogía 3000 gehört zu den Gründerorganisationen von emAne, der Weltverbindung für eine neue Bildung und Erziehung. EmAne International will das gegenseitige Kennenlernen und die Zusammenarbeit von pädagogischen Experimenten, Schulen, Fachpersonal, interessierten Einzelpersonen und Netzwerken zur Förderung einer holistischen Erziehung vorantreiben. Dieses weltweit arbeitende Projekt ist offen für alle, die das ”Manifest für eine neue Erziehung” unterzeichnen (siehe: www.emane.info) und sich bei ihrer Mitarbeit von den ethischen Prinzipien von emAne leiten lassen.

EmAne ist multikulturell, multifunktional, fördert den weltweiten Austausch von lokalen Erfahrungen und pädagogischen Werkzeugen, organisiert internationale Aktionstreffen, Konferenzen, Festivals usw.

EmAne ist ein faszinierender und sich ständig weiterentwickelnder Zusammenschluss, der weltweit Synergie-Effekte auslösen und auch auf die Bildungspolitik der Regierungen einwirken möchte.

Ein neues Projekt von emAne und Pedagooogía 3000 ist die pädagogische Internet-Plattform Educooopedia (www.educooopedia.info und www.educooopedia.org). In Zukunft soll daraus, dank der Mitarbeit von unzähligen Freiwilligen aus allen Kontinenten, ein gigantischer Pool von pädagogischen Werkzeugen werden, eine “Wikipedia” der holistischen Erziehung des 3. Jahrtausends.


Abb: © Robert Neumann – Fotolia.com

Über den Autor

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hat sich vor einigen Jahren entschieden seinem Herzen zu folgen und aus dem normalen Alltagsleben auszusteigen. Er lebt in Spanien, wo er mit verschiedenen Tätigkeiten, z.B. Übersetzungen, Workshops, Gästebetreuung sein Leben finanziert. Da ihm die Kinder der neuen Zeit ein Anliegen sind, engagiert er sich für emAne und hilft dabei mit, ein Netzwerk aufzubauen.

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Eine Antwort

  1. Ruth Schillert
    Aus dem Herzen gesprochen

    Der Artikel von Stefan Armborst spricht mir aus dem Herzen. Ich begreife mein Lernen auf meinem eigenen Lebensweg in dieser Schwingung und bin offen und dankbar für die neuen Impulse die mir hier vermittelt werden für mein Leben, Sein und Wirken als Heilpädagogin.Ruth Tuala Schillert

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