Ob wir es gerne zugeben oder nicht, wir alle werden uns irgendwann auf unserer evolutionären Reise unserer inneren Dunkelheit stellen müssen – und mit ziemlicher Sicherheit viele Male – denn es ist ein laufender Prozess. Für mich bedeutet Dunkelheit eine innere „Fehlinterpretation der Realität.“ Sie kommt zustande, wenn die Seele sich ein Urteil bildet, in einer Meinung darüber steckenbleibt, ob etwas „gut“ oder „schlecht“, „richtig“ oder „falsch“ ist. Jeder Prozess wird durch eine ursprüngliche Wahrheit inspiriert – die manche als das „ursprüngliche Licht“ bezeichnen. Während ich Menschen durch ihre Dunkelheit hindurchgeholfen habe, habe ich entdeckt, dass der Schlüssel darin besteht, furchtlos in das Herz davon zu treten, sie nicht zu leugnen, sondern sie über dich hinwegspülen zu lassen, und dann, auf der Höhe des inneren Sturms, nach dem ursprüngliche Licht darin zu suchen …

 

Die Reise der Seele

Wenn wir es mutig wagen in die Tiefen unserer Seele zu reisen, werden wir letztendlich erkennen, dass es ihr Wesen ist, all unsere Anhaftungen zu untersuchen, um so Selbsterkenntnis zu initiieren und damit evolutionäres Wachstum. Am Anfang meiner Reise hatte ich eine (für mich) sehr kraftvolle Erkenntnis …

    „Wenn auf der Reise der Seele
     eine Kreuzung erreicht ist,
    wo der eine Weg zum „Himmel“ und der andere in die „Hölle“ führt,
    macht eine Seele, die sich nach Befreiung sehnt, sich kein Urteil oder Unterschied darüber
    welcher zu wählen ist.
    Die Hinwendung zu einem der Wege geschieht allein aufgrund einer „Überlegung“:
    Was kann ‚Ich‘ lernen? „
    (Openhand)

Zu der Zeit fand ich das ungeheuer befreiend und ermutigend. Es erklärte, warum ich so viel Dunkelheit erlebte, wenn ich es zuließ. Zuvor war ich vorübergehend in einer „spirituellen Identität“ gefangen – einer Idee und Meinung darüber wie „spirituelle Menschen sein sollten.“

 

Spirituelle Identitäten

In spirituellen Kreisen scheint die Meinung stark verbreitet zu sein, dass ein wirklich „spiritueller Mensch“, so oder so sein sollte, bestimmte Verhaltensweisen haben und sein Licht auf eine bestimmte Weise scheinen lassen sollte. In diesem Bereich stelle ich fest, dass sich wachsende Menschen oft fragen … „Wie kann es richtig sein, solche Dunkelheit zu erleben?“

Was allzu häufig als Nächstes passieren kann, ist Verleugnung! Sobald die negativen Gefühle und Visionen aufsteigen, will das spirituelle Ego sie entweder verleugnen oder unterdrücken. Wie oft sieht man schon einen ’spirituellen‘ Menschen auf facebook offen seine Dunkelheit erforschen? Meine Beobachtung ist, dass es eine Tendenz gibt, nur das zu zeigen, was „gehört werden will“.

Solche spirituellen Identitäten sind stark einengend – die Seele sehnt sich nach Vollständigkeit, aber sie kann es nicht sein, wenn sie nicht im Schmelztiegel des Lebens geschmiedet worden ist – mit allem darin. Also ist der erste Schlüssel zum Umgang mit Dunkelheit, sie nicht zu leugnen, sondern, wenn solche Erfahrungen hochkommen, furchtlos in ihr Herz zu fallen …

„Es interessiert mich nicht, welche Planeten im Quadrat zu deinem Mond stehen.
Ich will wissen, ob du das Zentrum deines eigenen Leids berührt hast,
ob du vom Verrat des Lebens geöffnet worden bist,
oder dich zusammengezogen und verschlossen hast, aus Angst vor weiterer Qual.
Ich will wissen, ob du mit dem Schmerz dasitzen kannst – meinem oder deinem –
ohne zu versuchen, ihn zu verbergen oder zu mindern oder zu beseitigen.“
(Oriah Mountain Dreamer)

 

Segnungen in Verkleidung

Alle Geschehnisse in der physischen Ebene, ob hell oder dunkel, dezent oder intensiv entstehen aus einer höheren ko-kreativen (und meist abstrakten) Kontemplation. So könnte eine Gruppe von Seelen zusammengezogen werden, um eine Frage zu erforschen. Zum Beispiel: „Was ist die wahre Bedeutung von Mitgefühl?“

Wenn es der Zweck einer jeden Seele ist, über Anhaftung hinaus zu wachsen,
und wirklich befreit zu sein bedeutet, befreit zu sein durch alle Dinge,
dann muss alles, das ‚ich dir antue“,
was die Entblößung und den Schmerz der Anhaftung verursacht – unser Leid,
letztlich ein Segen sein.
(Openhand)

Ja, ich weiß, das kann ganz schön herausfordernd ein! Zu akzeptieren, dass einige der abscheulichsten Vergehen gegen uns tatsächlich Segen in Verkleidung sind. Aber wenn wir uns inmitten unseres Leidens an diese wichtige Wahrheit erinnern können, dann wird es möglich, zu erkennen …

„Ich muss es durch meine eigene Anhaftung erschaffen haben,
denn sonst gäbe es ganz einfach keine Notwendigkeit für mich, es zu erleben.“

Das ist natürlich das „Gesetz der Anziehung“ in Aktion – wir ziehen genau die Umstände zu uns, durch die wir uns entwickeln und wachsen. Auch diese Erkenntnis war für mich immens befreiend, wenn ich im Herz der Finsternis verweilte.

 

Auf der Suche nach dem ursprünglichen Licht

So kommen Seelen zusammen, um jene Bereiche zu erkunden, die uns begrenzen, verschließen und zurückhalten . Wir sind hier, um die Grenzen unseres körperlichen und emotionalen Ausdrucks zu erweitern: auf der Schneide des Lebens zu Wandeln durch die kontinuierliche Realisation, dass wir wir nicht die Erfahrung sind – wir sind das, was jenseits der Erfahrung ist.

Wenn also die Dunkelheit aufsteigt und uns hinabziehen möchte, wenn die Dichte unserer eigenen Angst und Nicht-Akzeptanz beginnt, uns zu verschließen, dann ist das fast sicher ein Zeichen, dass wir eingeladen sind, loszulassen und einzutauchen, in was auch immer dann kommt – so schmerzlich es auch zu sein scheint.

Und wenn die Erfahrungen über uns hinwegspülen, so habe ich beobachtet, ist es äußerst wichtig, nach dem ursprünglichen Licht darin zu suchen … „Warum ist das passiert? Warum hat es eine derartige Wirkung? Was ist das Ergebnis darin, das ich entweder benötige oder zu dem ich in Widerstand bin?“

    „Und ich fand, dass ich es tun kann, wenn ich es wähle –
    Ich kann wach bleiben und die Sorgen der Welt mich auseinanderreißen lassen,
    und es den Freuden erlauben, mich wieder zusammenzusetzen,
    anders als zuvor, aber wieder ein Ganzes. „
    (Oriah Mountain Dreamer)

 

Die Schmerzen halten

Wenn wir in dieser Weise mutig unsere innere Dunkelheit erkunden, dann werden wir zunächst mal ganz sicher den Grund finden, warum wir sie erleben. Irgendwann werden wir unsere Anhaftung erkennen. Nehmen wir zum Beispiel emotionalen Schmerz. Was passiert, wenn du durch negative Emotionen überflutet wirst? Verlierst du dich darin? Gibst du ihnen nach und reagieren von diesem Ort aus? Und wenn du das tust, dient es dir, das zu tun?

Lass mich klar sein: Es ist wichtig zu ehren, was immer hochkommt, aber der Punkt ist, sich über die Anhaftung hinauszuwachsen, welche die Ursache für solche Emotionen ist. Wenn wir uns einfach in dem Gefühl suhlen und zulassen, dass es uns definiert, dann wird es sich immer wieder aufs Neue rekreieren.

So könnte es im Falle übermäßiger emotionaler Ausbrüche und Projektion ins Äußere zum Beispiel darum gehen, den Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit in das Herz zu bringen und die negative Energie in unserem Feld zu halten – so unangenehm sie auch sein mag – sie einfach nur zu halten, ohne die Energie sofort freizusetzen, kann uns helfen, unsere Anhaftung an sie zu lösen. In diesem Fall kann ein guter Teil der Dichte dann einfach abebben.

Aber das ist weit entfernt von einem passiven und suppressiven Ansatz.
Es braucht die furchtlose Anwendung des inneren Kriegers,
um diese Energie zu halten und mit ihr zu arbeiten.
Es geht darum es zu fühlen und es durch dich hindurchspülen zu lassen,
dann aber auch einen Fluss von Licht zu finden, der durch das alles hindurchfließt –
die ursprüngliche Ursache für die Erkundung.

 

Der einzige effektive Ausweg ist mitten hindurch

Ich beobachte, dass Menschen ohne eine solche proaktive Herangehensweise an die Dunkelheit, sich unabsichtlich immer größerem Schmerz und Leid unterwerfen, entweder durch Widerstand gegen die Dunkelheit oder indem sie sich darin verlieren und deshalb von ihr definiert werden.

Mit einer positiven Erkundung jedoch – indem wir uns furchtlos hineinfallen lassen, auf der Suche nach dem ursprünglichen Licht, indem wir unseren Ausdruck ehren, aber der Projektion auf andere widerstehen, da wir die Energie in uns halten – bewirkt die innere Alchemie, dass die verlorenen Fragmente der Seele, die sich mit den Geschehnissen identifizieren, sich reintegrieren und die Finsternis wird dann weggewaschen. Wir werden schnell feststellen, dass wir wieder zurück an die Oberfläche „ploppen“.

Für mich ist der Umgang mit Dunkelheit etwas, dass wir alle eingeladen sind, zu meistern. Das Erstaunliche ist, dass, wenn wir den Mut finden, mit ihr auf diese Weise zu arbeiten, wir auch eine natürliche Begabung finden, mit ihr umzugehen. Und auf der Reise der Seele ist der einzig effektive Ausweg letztlich immer mitten hindurch.

Für alle, die gerade in der Dunkelheit sind: Mein Herz ist mit euch.

 

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Bilder

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Über den Autor

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mit 40 Jahren wurde Chris in einen schweren Autounfall verwickelt, der zu einem spontanen Erwachen und totaler innerer Hingabe an die universelle Lebensenergie führte.
In den darauffolgenden 5 Jahren durchlief er einen inneren Prozess, der ihn durch verschiedene Schichten seines Bewusstseins führte.

Mit seiner non-Profit Stiftung „Open Hands“ versucht Chris heute, Menschen bei der Entfaltung ihres vollen Potenzials zu helfen und sie auf ihrem Prozess zur Erleuchtung zu begleiten.

Er ist Autor des Buches „The Five Gateways“.

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10 Responses

  1. Axel Wartburg

    Danke, für diesen Artikel!
    Er kam, wie immer, zum passenden Zeitpunkt.

    Ich habe ihn in meinem online Tagebuch wörtlich aufgegriffen:
    http://www.adiko.eu/tagebuch/article-1320829021.html

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