The Work ist eine Methode, die sich perfekt zum Selbstcoaching eignet. Ich arbeite nun schon seit 16 Jahren mit den Fragen und ich liebe es, andere zu lehren, wie sie sich selbst von ihrem Stress befreien können. Kann ich mich selbst coachen, mache ich mich unabhängig von Meinungen anderer. Ich finde meine Weisheit in mir, und das gibt mir echtes Selbstbewusstsein.

Von Ina Rudolph

98 Prozent dessen, was ich fühle, hängt davon ab, was ich glaube. Von meinen Glaubenssätzen, von den Filtern, durch die ich auf diese Welt schaue. Wenn ich glaube, ich bin bedroht, dann werde ich auf Schritt und Tritt Gefahr wahrnehmen. Bewerte ich das, was ich erlebe, als freundlich, lebe ich in einer freundlichen Welt. Unsere Glaubenssätze sind Bewertungen, Meinungen, Befürchtungen, Interpretationen. Kurz: Gedanken.

Gedanken, die ich für wahr halte, lösen biochemische Prozesse im Körper aus und sind als Gefühle spürbar. Wenn ich meinen Gedanken glaube, tauche ich in eine vorgestellte Phantasiewelt ein, die so vielleicht gar nicht existiert. Ich befinde mich gedanklich in der Vergangenheit oder in der Zukunft. Es ist, als schaute ich einen Film und fühlte mit den Personen, die ich auf der Leinwand sehe. Sie sind zwar nicht real, aber indem ich in diese Welt der „Trugbilder“ eintauche, fühle ich echte Gefühle.

Wir denken zirka 80.000 Gedankengebilde pro Tag, und nicht alle halten wir für wahr. Die meisten ziehen einfach vorbei, wie die Wolken am Himmel. Wenn ich ihnen aber glaube, wenn ich beispielsweise glaube, dass mein Partner mich mehr lieben sollte, als er es tut, werde ich Stress spüren. Wenn ich glaube, dass mein Kind sich bessere Freunde suchen sollte, und mein Kind will aber keine anderen, werde ich etwas wie Ärger spüren. Wer würde solcherart Gedanken nicht gerne loslassen?

Meine Erfahrung ist, dass es uns Menschen nicht möglich ist, Gedanken „wegzumachen“. Ich kann es nicht zustande bringen, bestimmte Gedanken nicht mehr zu denken. Im Gegenteil: Je stärker ich etwas nicht haben will, umso mehr wird es bei mir anhaften. Die einzige Möglichkeit, die ich kenne, ist, mit ihnen Frieden zu schließen. Dann lassen die Gedanken mich los. Wenn echter Frieden herrscht, brauchen sie nicht mehr um Aufmerksamkeit zu kämpfen, nichts mehr durchzusetzen oder zu verteidigen.

Wie funktioniert The Work?

Seit Tausenden von Jahren wissen wir, dass es nicht recht ist, über andere zu urteilen. Dennoch tun wir es ständig, im Grunde passiert es automatisch und vielleicht verurteilen wir uns sogar dafür. Wir wissen, wie unsere Freunde handeln sollten, was gut für unsre Kinder ist, was Kollegen falsch machen, Politiker tun oder sagen sollten. In dem Prozess der WORK nutzen wir diese Urteile, anstatt sie zu unterdrücken.

Was brauche ich dafür? Stift und Zettel, einen Ort, wo ich ungestört bin, und die Bereitschaft, mich für den Prozess zu öffnen.

The Work in wenigen Schritten

Erster Schritt: Glaubenssätze finden. Erinnere dich an eine Situation aus der Vergangenheit oder Gegenwart, die dich wütend, ärgerlich oder traurig gemacht hat. Oder wähle eine Person, der du noch nicht ganz vergeben hast.

Dann frag dich: Welche Urteile habe ich über diese Person? Lass deine Urteile jetzt einmal frei leben und zensiere dich nicht. Frage dich: Wie sollte meine Situation eigentlich sein? Wie sollte die andere Person sein (in meiner Idealvorstellung)? Was sollte der andere denken, sagen, fühlen oder tun, damit ich mich wohl fühle? Formuliere deine Glaubenssätze möglichst kurz und eindeutig.

Beispiele für stressige Glaubenssätze: Er/Sie ist übergriffig. Ich bin nicht gut genug. Er/Sie sollte mir zuhören. Andere sollten nicht schlecht über mich denken. Das Leben sollte leichter sein. Ich muss fleißig sein.

Such dir von allen Glaubenssätzen, die du aufgeschrieben hast, den stressigsten heraus und untersuche ihn mit folgenden Fragen:
1. Ist das wahr?
2. Kann ich absolut sicher wissen, dass das wahr ist?
3. Wie reagiere ich auf diesen Gedanken?
4. Wer wäre ich ohne diesen Gedanken?

Lass dir Zeit. THE WORK ist wie eine Meditation. Schau, ob hinter der ersten Antwort, die der Verstand für dich parat hält, noch eine andere auftaucht. Warte auf die Antwort deines Herzens. Geh Frage für Frage vor und sei offen für unerwartete Antworten.

Wenn du dir zu einem Glaubenssatz alle vier Fragen gestellt hast, kehre deine Aussage ins Gegenteil. Das Gegenteil von etwas Belastendem ist meist freundlicher und liebevoller.

Frag dich: Ist diese Umkehrung genauso wahr oder wahrer, als das, was ich aufgeschrieben habe?
Dann finde ein konkretes Beispiel aus deinem Leben, warum diese Umkehrung für dich auch wahr ist.

Hier ein Beispiel aus meinem Leben:
Als mein Mann noch nicht bei mir wohnte, bewohnte er ein kleines Häuschen auf dem platten Land. In der Nähe war ein See mit dem herrlichsten Seewasser aller Zeiten. Im Sommer gingen wir baden und im Winter Schlittschuh laufen.

Allerdings hört sich das jetzt romantischer an, als es war. Abgesehen davon, dass es unter den Bewohnern der Siedlung unausgesprochene Regeln gab, wie hoch der Rasen zu sein hatte, wann die Hecken geschnitten werden mussten und was man als Unkraut bezeichnet, beschlichen mich manchmal seltsame Gedanken. Einer davon war eine vage Vermutung, warum Menschen sich Häuser auf dem Land anschafften. Nicht, damit sie dort in Ruhe die Natur genießen konnten. Nicht, damit sie sich von einer anstrengenden Woche erholen und zum Beispiel die Beine hochlegen und endlich die Bücher lesen konnten, die sie schon lange mal lesen wollten. Und auch nicht, damit sie ihr Gärtnerherz entdeckten, die Hände tief in die Erde stecken und glücklich werden konnten. Nein. Weit gefehlt. Nach vier Jahren, in denen ich das Dörfchen regelmäßig besuchte, war ich mir sicher: Menschen kauften sich Häuser auf dem Land, damit sie daran herumbauen konnten. Anbauen, wegreißen, mauern, ausbessern, neue Fenster und Türen einsetzen, vergrößern, verkleinern, irgendwas sägen, Carport fürs neue Auto zusammenschrauben, Einbruchssicherungsanlagen installieren, neue Zäune errichten und nein, hier ist die Aufzählung noch nicht zu Ende. Rollläden und Sonnenschutz an Fenstern anbringen, Fußboden verlegen, das Dach isolieren, Zement anrühren und auf die Terrasse kippen, Kamin einbauen und in die bisher ungenutzte hintere Ecke des Grundstücks noch einen Unterstand für das gehackte Holz hinklotzen. Tja. Ich sage Ihnen, so war’s. Bauen ist das neue Gärtnern.

Das Erstaunliche war aber, dass ich den damit verbundenen Lärm, den Dreck und all die Unruhe immer wieder vergessen konnte. Plante ich, aus der Stadt heraus und zu meinem Mann aufs Land zu fahren, hatte ich stets die unberührte Natur vor Augen, den Tau auf dem frühmorgendlichen Gras, das In-Ruhe-Ausschlafen und das Zur-Ruhe-Kommen. Ich freute mich auf die Besuche der Vögel vor unserem Fenster, die würzige Luft, wenn wir am Morgen vor die Tür traten oder später eine Arbeitspause machten im Garten. So auch diesmal. Ich schrieb gerade einen Roman und befand mich im Landeanflug auf das Ende. Es mussten alle angerissenen Erzählstränge zusammengeführt werden und ich war gespannt, ob es tatsächlich zu dem Ende kommen würde, welches ich mir ausgedacht hatte. Ich wollte noch vier Tage in Ruhe schreiben, mich noch einmal vollständig in die Geschichte versenken und meine Figuren bis zu ihrem Höhepunkt begleiten. Ich wollte ungestört emotional sein dürfen, entspannt meinen Gedanken nachhängen und in Ruhe das letzte Kapitel schreiben. Das kleine Häuschen in Seenähe hatte ich mir dafür ausgesucht.

Umzingelt vom Lärm

Am Abend in völliger Dunkelheit kam ich am Häuschen an, verschwatzte eine Stunde mit meinem Mann und wir fielen müde ins Bett. 6.15 Uhr klingelte sein Wecker. Ich stand mit ihm auf, kochte Kaffee, winkte ihm, als er zur Arbeit fuhr, und machte es mir am Schreibtisch gemütlich. Ich klappte meinen Computer auf, las die letzten Seiten noch einmal, überflog meine Notizen für das Ende und legte die Finger auf die Tastatur. Gerade schoben sich Gedanken zusammen, gerade wollten ein paar Worte aus dem Kopf in die Finger fließen – da erbebte ich. Mit mir erbebte die Erde und ein Donnergrollen erschütterte den bis eben noch friedlichen Morgen auf dem Land. Es brauchte einige Atemzüge, bis ich mich vom ersten Schreck erholt hatte. Ich hob den Blick. Und jetzt sah ich sie auch, die Baustelle. Das Grundstück vor uns, hinter einem kleinen Hügel versteckt, hatte kein Haus mehr. An seine Stelle war eine Grube getreten. Rundherum nur Sand und aufgestapelte Bauteile. Auf dem Sand fuhr ein Bagger. Als wären sie vom Himmel gefallen, waren plötzlich vier Arbeiter in Blaumännern da, schrien sich ihre Unterhaltung über den Lärm des Baggers hinweg zu und es sah aus, als fänden sie das normal. Ich starrte nach draußen, sah regungslos zu, was sich da zusammenbraute, und mir wurde klar: Bis zur Mittagspause würde es keine Ruhe mehr geben. Das waren fünf Stunden.

Danach würde es bis in den Abend weitergehen. Und morgen ebenso und übermorgen und so fort, bis ich das Dörfchen längst würde verlassen haben. Ich sah mich zerstört über meinem Computer hängen, meine Nerven in Fetzen. Ich sah mich, wie ich am Ende der vier Tage die eine Seite in den Papierkorb warf, die ich unter Qualen zusammengestümpert hatte. Meine Gedanken flogen hinaus. Wohin sollte ich fliehen? Gab es hier irgendwo ein kleines Plätzchen für mich und meine Geschichte, die zu Ende gehen wollte? Und wie ich so nachsann, wer mir Unterschlupf gewähren könnte, donnerte es in meinem Rücken. Ich sprang auf. Der gleiche Donner noch einmal. Ich glaubte tatsächlich zu spüren, wie unser Haus sich bewegte. Ich lief zum hinteren Fenster und musste mit ansehen, wie auf dem angrenzenden Grundstück zur anderen Seite Pfähle in den Boden gerammt wurden. Dort stand zwar das Haus noch, aber die Terrasse war abgetragen worden. Ich war umzingelt. Von hinten und von vorn. Mechanisch ging ich zu meinem Schreibtisch zurück und setzte mich. Es ratterte und grölte von vorn. Es stampfte und dröhnte von hinten. Ich stand auf, lief ein paar Schritte und setzte mich wieder. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Außer diesem einen: Bei diesem Lärm kann ich nicht arbeiten!

The Work im Alltag: Ich kann bei Lärm nicht arbeiten! Kann ich absolut sicher wissen, dass das wahr ist?

Mein Glück war, dass ich das Haus nicht Hals über Kopf verlassen habe, dass ich in meiner ersten Verzweiflung nicht wieder abgefahren bin. Ich war so vollständig überrumpelt worden, dass ich nun einfach am Fenster stand, ohne etwas zu tun. Ich sah hinaus, sah den Männern beim Arbeiten zu. Ich dachte daran, was ich mir wohl bauen würde, wenn ich denn bauen würde. Daran, wie gern ich selbst meine erste Wohnung ausgebaut hatte und wie gut es gelungen war. Draußen war es keinen Dezibel leiser.

Ich stellte mir die erste Frage der Work: Ist das wahr? Stimmte es, dass ich so nicht arbeiten konnte?

Ich bemerkte: Ich kann hier stehen. Ich kann hier auch denken. Schließlich waren gerade Gedanken durch meinen Kopf gegangen. Mehr brauchte ich eigentlich auch zum Arbeiten nicht.

Meine Antwort war: Nein. Dieser Gedanke war nicht wahr.

Wie reagiere ich, was passiert, wenn ich meinen stressigen Gedanken glaube? lautet die dritte Frage der Work.

Mir fiel ein, wie oft ich mich schon über Lärm geärgert hatte, wie oft ich mich beim Arbeiten, Schlafen und Lesen davon gestört gefühlt hatte. Ich war mit meinem Arbeitszimmer schon mehrmals innerhalb der Wohnung umgezogen und wir haben bereits über eine kostspielige Geräuschdämmung nachgedacht. Zugespitzt war es ein Leben auf der Flucht. Wenn ich diesen Gedanken glaube, bin ich von Ruhe abhängig, und das fühlt sich ziemlich stressig an.

Wer wäre ich ohne den Gedanken: Ich kann bei Lärm nicht arbeiten.

Wer wäre ich ohne den Gedanken? Dies ist die vierte Frage.
Als ich mir diese Frage stellte, konnte ich bemerken, wie schön es wäre, wenn ich nicht fliehen müsste. Wenn ich hier bleiben könnte und, auch mit den Baustellen, arbeiten könnte.

Der Bagger schlug seine Schaufel in die Erde, hob seine Beute an, fuhr zurück und brummte nun in einer anderen Tonlage. Große Lust verspürte ich nicht, meinen Arbeitsplatz in die Kneipe des nächsten Dorfes zu verlegen.

Wenn ich hier trotz des ohrenbetäubenden Lärmes arbeiten könnte, wäre das nicht nur praktisch, sondern auch revolutionär. Ich wäre nicht mehr abhängig von Ruhe. Ohne meinen stressigen Gedanken atmete ich wieder ruhig, mein Körper befand sich nicht in Alarmbereitschaft. Ich vernahm dieselben Geräusche, aber ich betitelte sie nicht mehr als Lärm. Sie rutschen in den Hintergrund.

Ich sah aus dem Fenster und dachte: Könnte vielleicht das Gegenteil meines stressigen Gedanken wahr sein? Die Umkehrung von Ich kann bei diesem Lärm nicht arbeiten lautet: Ich kann bei diesem Lärm arbeiten.

Das wollte ich mal sehen. Die Bauarbeiter konnten ihre Arbeit tun und ich die meine. Der Schreibtisch wartete schon auf mich. Ich setzte mich und stellte mir vor, wie ich meine Arbeit machte und alles, was stören könnte, rechts und links an mir vorüberzog. Ich war von der Idee erfüllt, wie wunderbar es wäre, wenn das Experiment gelänge. Ich las meine Notizen noch einmal und das Ende des letzten Kapitels und legte meine Finger auf die Tastatur. Meine Gedanken krochen in die Geschichte des Romans, waren dort, wo ich sie hinhaben wollte. Meine Finger glitten über die Tasten, schrieben sich weiter dem Ende entgegen. Erst als ich Hunger bekam, bemerkte ich, dass die Zeit schon zwei Stunden fortgeschritten und das Manuskript um drei Seiten länger war. Es hatte funktioniert. Die Umkehrung war wahr geworden. Für zwei Stunden. Plötzlich empfand ich Dankbarkeit gegenüber der Baustelle. Wie gut, dass es sie gab. Ich schrieb weiter bis zum Nachmittag und war kein bisschen gestresst, als sie Punkt siebzehn Uhr mit dem Arbeiten aufhörten. Nicht nur, dass ich gut hatte schreiben können – nein, ich war am Ende des Tages auch noch stolz und auf eine erhabene Weise berührt. Davon, dass Lautstärke ab jetzt kein Problem mehr sein müsste. Dass ich keine Ruhe mehr brauchte, um arbeiten zu können.

Mittlerweile arbeite ich überall. Aus: Ich kann bei diesem Lärm nicht arbeiten wurde die Umkehrung: Ich kann immer und überall arbeiten. Damit lebe ich wesentlich stressfreier und ich kann, wenn ich die Umkehrung für möglich halte, dafür immer wieder Beispiele finden. Ich habe ein kleines Taschennotebook und wo immer ich sitze, im Zug, Flugzeug oder Auto; mit vielen Menschen oder ohne, mit greinenden Kindern oder schnatternden Reisegruppen – ich kann da arbeiten. Ich lenke meine Aufmerksamkeit auf das, was ich tun möchte, und dann tu ich es.

 


Work-Buch-LoslassenDas letzte Buch von Ina Rudolph:
„Ich will ja loslassen – aber woran halte ich mich dann fest“
Goldmann Verlag 2015

Nächste Seminare:
„Die Kunst, sich selbst zu lieben, ohne ein Egoist zu sein“:
Von der Selbstkritik zur gesunden Selbstliebe mit THE WORK von Byron Katie.

Gedanken, die uns sagen, dass wir verkehrt sind, vieles falsch gemacht haben und nicht gut genug bist, schwächen uns und machen uns das Leben schwer. Das muss nicht sein.  In diesem Seminar geht es darum, in die eigene Kraft zu kommen, sich als liebenswert zu erkennen und zu lernen, das zu leben.

Termin: Sieben Tage in Nordbrandenburg, einmal 4.-11. Juni oder 3.-10. September
Frühbucher (bis einen Monat vorher) 580 €, Normalpreis 680 €

SEIN-Leser, die sich über den Link http://inarudolph.de/selbstliebeseminarsein unter dem Codewort „Selbstliebe“ anmelden, erhalten eine Ermäßigung des Seminarpreises um 50 €

Das nächste Seminar in Berlin gibt’s am 1.-2. Oktober
Mehr Infos auf http://inarudolph.de/selbstliebeseminarsein

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