Mit dem Dollar hatten die Vereinigten Staaten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges das britische Pfund als Weltleitwährung ersetzt und das Vereinigte Königreich Großbritannien als Machtzentrum der Welt abgelöst. Fortan wuchs in den USA ein nicht öffentlich agierender Apparat heran, ein „Staat im Staat“, das der WW2-General und spätere US-Präsident Dwight D. Eisenhower 1961 – in einer beispiellos offenen Abschiedsrede – den militärisch-industriellen Komplex nannte. Mit deutlichen Worten ermahnte er die amerikanische Nation, diese Interessensverbindung von Berufsoffizieren und Rüstungsindustrie, deren Einfluss sich auf alle Städte, Parlamente und Bundesbehörden erstrecke, nicht außer Kontrolle geraten zu lassen. Die Gesellschaft dürfe es niemals zulassen, „dass diese Allianz unsere Freiheit und unsere Demokratie gefährdet.“ Der Krieg in der Ukraine zeigt einmal mehr: Eisenhowers Befürchtungen sind mittlerweile leider zur bitteren Realität geworden.

Meinungsartikel von Aman

Kriege entstehen nicht von selbst. Sie werden von Menschen gemacht. Ist die Produktion und der Handel mit Waffen und Ausrüstung schon immer ein gutes Geschäft gewesen, dient der Krieg selbst zur Sicherung der eigenen wirtschaftlichen und politischen Vormachtstellung. Waren bisherige Kriege meist mit dem Einsatz und Verlust eigener Ressourcen an Zivilbevölkerung, Soldaten, Land und Material verbunden, besteht die heutige „hohe“ Kriegskunst in der Gestaltung sogenannter Stellvertreterkriege und darin, möglichst ohne eigene Verluste die Völker und Ethnien in unbequemen, unbeugsamen Ländern aufeinanderzuhetzen und ihre Länder zu zerschlagen. Der kriminellen Aneignung fremder Ressourcen folgt die erbarmungslose Ausbeutung und schlussendlich die Beherrschung der ganzen Welt. Vorausgesetzt, kein Land und keine Staatengemeinschaft widersetzt sich dem Anspruch des Hegemons (des Alleinherrschers) nach einer unipolaren (auf die Bedürfnisse des Alleinherrscher ausgerichteten) Welt und der mit ihm verbundenen Befolgung seiner regelbasierten Ordnung. Offensichtlich weigert sich eine zunehmende Anzahl an Ländern, dieser regelbasierten Ordnung der USA (und der NATO) zu folgen und pocht auf ihr durch das Völkerrecht zugesprochenes Selbstbestimmungsrecht der Völker.

Dieses erwachende Selbstbewusstsein zeigt sich besonders im Zusammenschluss der Länder der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Süd-Afrika). Weitere 19 Länder haben einen Mitgliedsantrag gestellt, darunter der Iran, Saudi-Arabien, Argentinien und Mexico. Darüber hinaus wurde eine neue Entwicklungsbank, die BRICS-Bank, als Alternative zu der von den USA dominierten Weltbank gegründet. Chefin ist die ehemalige Präsidentin Brasiliens, Dilma Rousseff. So auch die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO). Sie ist eine eurasische Wirtschaftsorganisation und ein Verteidigungsgipfel, dem China, Indien, Kasachstan, Kirgistan, Russland, Pakistan, Tadschikistan und Usbekistan sowie die vier an einer Vollmitgliedschaft interessierten Beobachterstaaten Afghanistan, Belarus, Iran und die Mongolei angehören.

Was jetzt in der Ukraine passiert, beschleunigt den Übergang zu einem multipolaren internationalen System.

Ob es den USA gefällt oder nicht, die Forderung nach einer neuen multipolaren Weltordnung, die auf gegenseitigem Respekt beruht, nimmt zu. Die Bedeutung der BRICS und der SCO steigt, während der Einfluss der G7 abnimmt. Ray Dalio, der Gründer des weltweit größten Hedgefonds Bridgewater Associates formulierte in einem Interview mit der Zeitung Nikkei Asia wie folgt: „die Ära einer Weltordnung, die vom Dollar und der Globalisierung der Wirtschaft dominiert wird, geht zu Ende. Die großen Weltmächte bilden jetzt ihre eigenen Wirtschafts-, Finanzund Militärblöcke. Die USA sind wohl sehr besorgt, dass sie den Dollar bald mit echten Dienstleistungen, Waren, Gold und anderen Werten versorgen müssen, genau wie der Rest des „Pöbels“ das auch tun muss.“

Die USA stehen mit einem Schuldenberg von 31,4 Billionen Dollar faktisch kurz vor dem Bankrott, während Russland mit einer minimalen Staatsverschuldung und niedriger Inflation laut dem IWF trotz Sanktionen mit einem weit höheren Wirtschaftswachstum rechnen kann als Deutschland und Großbritannien. Zudem werden die Staatsschulden der USA flankiert durch über 600 Billionen Dollar an im Umlauf befindlichen Derivaten. Derivate sind hochspekulative Finanzprodukte, die Wetten auf geldpolitische Entscheidungen darstellen und je nach Entwicklung der Weltwirtschaft ausgelöst werden. Der Dollar wurde durch die Beschlagnahme der russischen Devisenreserven und Privatvermögen zur Waffe und gleichzeitig zum Risikofaktor. Kein Wunder, wenn das Vertrauen in den Dollar und die amerikanische Wirtschaft sinkt. Länder wie China, Indien, Brasilien, aber auch ölproduzierende Länder wie Saudi-Arabien und eben auch Russland ziehen sich langsam aus dem Dollar zurück und stellen ihre Handelsbeziehungen auf die Verrechnung mit ihren nationalen Währungen oder den chinesischen Yuan um, um nicht mit in den Abwärtsstrudel gerissen zu werden, falls das Dollarsystem kippen sollte.

Verfolgt man vor diesem Hintergrund die öffentlichen Auftritte des derzeitigen US-Präsidenten Joe Biden, der oftmals verwirrt erscheint und von einer Treppe zur anderen stolpert, gewinnt man den Eindruck, dass er nur scheinbar der oberste Vertreter des Hegemons ist, der die größte Wirtschafts- und Militärmacht der westlichen Hemisphäre anführt. Nur, wer ist es dann, der führt? Wer sind die eigentlichen Strippenzieher in Washington?

In diesem Stellvertreterkrieg, der für jeden, der bereit ist hinzusehen, ersichtlich zwischen der NATO und Russland auf dem Rücken der Ukraine ausgetragen wird, zeigt die angelsächsische Rüstungs- und Finanzindustrie immer unverhohlener ihre Absichten. (Angelsachsen = Britische Inseln und englischsprachige Völker in Nordamerika, Kanada, Australien, Neuseeland) Sind z.B. die fünf größten Rüstungskonzerne der Welt, Lockheed Martin, Raytheon Technologies, Boeing, Northrop Grumman und General Dynamics (alle USA) und ihre Pendants aus der Finanzindustrie, BlackRock, Vanguard und Fidelity, die als die drei größten Kapitalverwalter des Globus gelten (alle USA), Teil dieser Allianz des militärisch-industriellen Komplexes, den Eisenhower benannte? Sind sie in Verbindung mit Teilen der militärischen Führungszirkel und Teilen der Geheimdienste, die Spitze des Eisberges, der gemeinhin als der „Tiefe Staat“, als Staat im Staate bezeichnet wird? Sind sie die Wirkmacht aus Billionen von Dollar Anlagekapital, das sich nicht nur in Kriegszeiten außerhalb jeglicher demokratischer Kontrolle mit einer gigantischen Profit- und Tötungsmaschinerie vereint?

Als ob es kein Morgen gäbe, wird weiter an der Eskalationsspirale gedreht. Nicht nur in den USA. Auffällig oft wird im Stammland der Angelsachsen Großbritannien (der ewige Kriegstreiber), deren Bevölkerung besonders unter dem Niedergang der Wirtschaft und der hohen Inflation zu leiden hat, federführend die Lieferung schwererer und weitreichenderer Waffen angekündigt. Mit fatalen Folgen für den Fortgang dieses Krieges. Wurde im Vorfeld des G7-Gipfels in Hiroshima die Lieferung von F-16 Kampfflugzeuge an die Ukraine nahezu ausgeschlossen, stehen diese nun auf dem Lieferschein. Bei der momentanen Dynamik der Waffenlieferungen an die Ukraine, allein durch die USA, kann sich die Mainstreampropaganda in Zukunft jegliche öffentliche Scheindiskussion um die Begrenzung auf bestimmte Waffentypen ersparen. Durch Waffenlobbyisten in regierungsnahen Zirkeln dürfte an Waffentechnik unterhalb des atomaren Portfolios so ziemlich alles beworben und an Kiew geliefert werden, was die Rüstungsbetriebe produzieren. Bezahlt wird angesichts gigantischer Staatsverschuldung und knapper Haushaltsmittel mit der Notenpresse.

Russland wollte sich nach dem Zusammenbruch der UDSSR im Jahr 1991 friedlich in das wirtschaftliche, politische und sicherheitspolitische System Europas integrieren. Kein sachkundiger Mensch zweifelte damals an der Aufrichtigkeit dieses Wunsches und niemand sah in den 1990er Jahren in Russland eine Bedrohung für irgendjemanden. Die Angelsachsen interessierte es nicht.

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