Die Qualitäten der vier Elemente (Erde, Luft, Feuer, Wasser) finden sich auch in der Musik wieder: Wir sprechen von „erdigen Rhythmen“, „sphärischen Klängen“, „fließenden Melodien“ und „feuriger Musik“. In der Musiktherapie können wir diesen Zusammenhang erstaunlich wirkungsvoll nutzen.

Von Christoph Steinmetz

 

Die vier Elemente sind die Grundbestandteile unserer Schöpfung. Sie stellen die materielle Realität dar, in der wir leben und die uns alltäglich umgibt. Ihr Ordnungsprinzip lässt sich in anderen Bereichen wiedererkennen. Übertragen auf die Psychologie und die Musik ergeben sich daraus wertvolle Erkenntnisse für die Musiktherapie.

Musiktherapie: Rhythmus – Klang – Melodie – Dynamik

In der Musik unterscheiden wir vier verschiedene Aspekte, nämlich Rhythmus, Klang, Melodie und Dynamik – auch musikalische Parameter genannt. Dies sind die „Bausteine“, aus denen Musik besteht. Der grundlegende Baustein scheint dabei der Klang zu sein, denn ohne ihn könnten wir keine Musik hören. Musik überträgt sich beim Hören überwiegend über das Element Luft, das uns überall umgibt und miteinander verbindet. Die Entsprechungen der vier Elemente mit den Parametern der Musik lassen sich leicht erkennen: Erdige Rhythmen regen uns zum Tanzen an und lassen uns den Boden unter den Füßen deutlich spüren. Luftig leichte Klänge können uns innerlich weiten. Eine schöne Melodie, die wie Wasser dahinfließt, kann uns zu Tränen rühren, und eine feurige Fanfare lässt uns aufhorchen und weckt Energie in uns.

Das Element Erde in der Musik: Rhythmus und Beständigkeit

Rhythmische Musik hat einen erdigen Charakter und regt zum Tanzen an. Wir kommen beim Hören in Bewegung und somit in Kontakt mit unserem Körper. Das rhythmische Stampfen lässt uns den Boden unter den Füßen spüren. Unsere Kraft strömt in Richtung Erde und aus der Erde strömt Kraft zurück. Die Erde ist (räumlich) stark strukturiert und hat vielfältige Formen. Rhythmus gibt der Musik ihre (zeitliche) Struktur. Der Rhythmus unseres Herzschlags ist beständig da. Einen Rhythmus von dieser Qualität zu hören oder auf einer Trommel zu spielen, gibt uns ein Gefühl von Sicherheit und Beständigkeit.

Da, wo es uns an Boden fehlt – wenn z.B. Gefühle von Unsicherheit und Angst vorherrschen – können wir mit rhythmisch gespielter Musik einen Ausgleich schaffen und wieder mehr „Boden unter die Füße bekommen“. Wenn wieder mehr Sicherheit da ist, können wir uns auch unseren Ängsten besser stellen. Ein Übermaß an „Erde“ kann sich in Sturheit oder Schwermut äußern. Von einer sicheren (rhythmischen) Basis können wir dann musikalisch Neuland betreten und mit luftig leichten Klängen experimentieren und so wieder mehr Weite und Leichtigkeit erleben.

Musiktherapie2

Das Element Luft in der Musik: Klang und Weite

Klänge haben etwas Sphärisches und können Stimmungen und Atmosphären ausdrücken. Sie haben den Charakter von etwas Allgegenwärtigem, das man aber oft nicht präzise (be-) greifen kann, da es keine deutliche Struktur hat. Klänge sind wie Luft und breiten sich im Raum sofort aus und füllen ihn. Klangliche Musik regt uns zum Träumen an. Sie führt uns in die Weite unseres Geistes. Am Klang unserer Stimme erkennen wir, wie es uns geht – wie unsere „Stimmung“ ist. Wir nehmen – oft unbewusst – die feinsten Schwankungen in der Stimmung unseres Gegenübers wahr. Der Klang von Blasinstrumenten, deren Ton durch unsere Atemluft entsteht, ist der der menschlichen Stimme am nächsten. Mit diesen Instrumenten sind wir beim Spielen sehr direkt verbunden und zeigen uns damit – wie beim Singen mit unserer Stimme – am persönlichsten.

Und so können Klänge gezielt eingesetzt werden: Der Ton einer Klangschale hilft uns durch seine Gleichmäßigkeit, uns geistig zu sammeln. Im Klang des Monochords und beim Obertongesang können wir in einem einzelnen Ton ein ganzes Universum von Obertönen entdecken und so innere Weite erleben. In einer Klangreise können wir lernen tief zu entspannen, loszulassen, zu träumen, uns unserer Phantasie hinzugeben und Visionen zu entwickeln.

Das Element Wasser in der Musik: Melodie und Hingabe

Eine Melodie kann so wunderschön dahin fließen, uns emotional bewegen und manchmal sogar zu Tränen rühren. Sie vermag tiefe Gefühle in uns anzusprechen, so tief wie ein Bergsee. Schöne Melodien fühlen sich manchmal an wie ein warmes Bad. Wir baden sprichwörtlich in Gefühlen. Ein weinendes Kind (vielleicht auch unser eigenes inneres Kind) können wir mit einer schlichten gesungenen Melodie trösten und ihm so Geborgenheit vermitteln. Die fließenden Melodiebewegungen in der Musik Johann Sebastian Bachs wirken ordnend und beruhigend auf unsere Gefühle. „Die Moldau“ von Smetana mit ihren wunderschönen Melodien beschreibt eindrucksvoll den Verlauf des Flusses von der Quelle bis zur Mündung.

Wasser ist Leben und es erinnert uns an unsere Herkunft: wir wachsen schwerelos im Fruchtwasser des mütterlichen Uterus heran und finden in den Weltmeeren die frühesten Formen der irdischen Lebewesen überhaupt. Entsprechend haben Melodien die Eigenschaft, sich tief in unser Gedächtnis einzuprägen. Wir erinnern uns noch im hohen Alter an Lieder, die wir in unserer Kindheit und Jugend gesungen und gehört haben.

Wenn wir lernen wollen, unsere Gefühle zu entdecken und auszudrücken, können wir Lieder singen, mit Tönen und Melodien spielen und uns von ihnen berühren lassen. Im geschützten Rahmen können wir mit unserer Stimme experimentieren und zeigen uns so auf eine sehr persönliche Art und Weise. Gefühle zu zeigen macht uns lebendiger, nahbarer und authentischer.

Das Element Feuer in der Musik: Dynamik und Willenskraft

Kennen Sie Beethovens Fünfte? Die feurige Musik der Sinti und Roma? Oder die Fanfaren bei den Gladiatorenkämpfen in „Ben Hur“? Dann wissen Sie, wie dynamisch diese Musik ist und wie anregend sie wirken kann! Da ist Feuer drin. Es ist die starke Dynamik, die dieser Musik hauptsächlich ihren Charakter gibt. Der schnelle Wechsel von laut und leise, rasch anschwellende Crescendi (lauter werden) und laute Akzente geben der Musik eine sehr starke Kontur und den Eindruck von viel Kraft und Energie. Wie ein Feuerwerk kann sie uns fesseln und in ihren Bann ziehen. Sie bringt uns mit unserer Aufmerksamkeit ins Hier und Jetzt.

Für einen eher angepassten und zurückhaltenden Menschen, der lernen möchte, sich anderen gegenüber zu behaupten, kann es sehr spannend sein, mit der Dynamik in einer gemeinsamen Improvisation zu experimentieren. Indem er eigene Akzente setzt und die Lautstärke bewusst bestimmt, kann er sein Feuer entdecken und Erfahrungen mit seiner Durchsetzungskraft machen. Auch mit Gefühlen wie Wut, Ärger und Zorn können wir musikalisch experimentieren und dabei interessante Erkenntnisse über uns gewinnen. Wo sind wir blockiert? Wo sind unsere blinden Flecken? Wo unsere wunden Punkte? Und wie können wir damit umgehen?

Die vier Elemente in der Musiktherapie

Die vier Elemente bieten für die Musiktherapie eine Orientierung, die sich gut nutzen lässt, um Menschen bei ihrer persönlichen Veränderung zu unterstützen. Es geht dabei in erster Linie um die Erfahrung und Integration unserer ganzen menschlichen Realität. Es geht ums Ganzwerden bzw. um das Erkennen, dass wir schon ganz sind und unsere verdrängten Anteile entdecken und erforschen können. Nicht nur unsere Kognition wird angesprochen, sondern auch unser Körper, unsere Wahrnehmung und unser Erleben. Das lustvolle und spielerische Erkunden steht im Vordergrund.

Leicht spielbare Instrumente aus den verschiedensten Kulturen laden ein zu Entdeckungsreisen in die Welt der Geräusche, Klänge, Rhythmen und Melodien. Einfache und spannende Spiele unterstützen dies und ermöglichen auch Ungeübten musikalisches Zusammenspiel.

In Klangreisen ermöglichen die archaischen Klänge ursprünglicher Instrumente (Tamtam, Rahmentrommel, Monochord, Oceandrum u.a.) eine tiefe Entspannung und inspirierende Reisen ins eigene Innere. Wir tauchen ein in eine innere Traumwelt. So können wir Kraft tanken und neue Impulse für unser Leben gewinnen.

Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar

Deine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.

*