Leonard Cohen: You Want It Darker 27. November 2016 Titel: Interpret: Leonard Cohen Label: Preis: CD, circa 36 Minuten, 11,99 Euro ASIN: Großer Abschied Die Welt ist in der Tat gefühlt ein wenig dunkler geworden – Leonard Cohen, der unvergleichliche kanadische Barde, der Dichter, der mit seiner dunklen Stimme Melodien ausfüllt, ist Anfang November mit 82 Jahren gestorben. Nur wenige Wochen zuvor kam erst sein letztes und 14. Studioalbum „You Want It Darker“ heraus, das er schwerkrank und wohl mit Todesahnung produziert hatte. Teils saß er in einem speziellen medizinische Stuhl, um unter Schmerzen seine Gedichte einsingen zu können. Obwohl es gegensätzliche Pressemeldungen von Cohen gab, bekam man schon da mehr als nur eine sanfte Vorahnung davon, dass diese rabenschwarz-melancholische Platte sein Testament ist. Textzeilen wie „I’m leaving the table. I’m out of the game.“ (Ich verlasse den Tisch. Ich bin raus aus dem Spiel) oder das mystisch anmutende, die feinen Haare im Nacken aufstellende und tief ins Mikro gemurmelte „Hineni, Hineni. I’m ready my Lord!“ („Hineni“ = rituelles Wort, mit dem Abraham und Moses im Talmud/der Bibel auf Gott antworteten: “Hier bin ich!” / Übersetzung Liedzeile: Hier bin ich, hier bin ich. Ich bin bereit, mein Gott) im titelgebenden Eröffnungssong ließen aufhorchen. Zusätzlich verstärkt wird diese erhabene und vorausahnende Stimmung in diesem Lied noch von den gospelartigen Klängen des Chors seiner Heimatsynagoge und gesungenen Gebeten des Rabbis. Leonard Cohen hat hier – es ist nicht anders zu sagen – sein eigenes, glorioses Requiem verfasst: Minimalistisch, aber tiefgehend, sehr intensiv. Seine raustreichelnde, melancholisch-warme Stimme und die von ihm erschaffenen Worte stehen bei den neun Tracks dieses wundervollen Albums im Vordergrund. Es ist gesprochene, nur halb gesungene Poesie, die Musik ist rahmendes Beiwerk. Inhaltlich ist es ein Abschied, ein Nachdenken über Spiritualität, Glauben und Liebe. Aber Cohen bleibt dabei ambivalent, klagt seinen Gott ruhig an, hadert, wirft vor, singt über Leid, Versuchungen und quälende Dämonen und zieht seinen Schlussstrich. Leonard Cohen war eine faszinierende Persönlichkeit. Als Dichter hatte er ursprünglich nur um Geld zu verdienen angefangen seine Texte zu vertonen – eine Anspruchshaltung, die sich mit dem zunehmendem Erfolg änderte. Der zeit seines Lebens mit starken Depressionen ringende Cohen war auch bekannt für seine Beziehungen zu zahlreichen Singer- Songwriterinnen (unter anderem Janis Joplin) und anderen Musen, die inhaltlich auch Teil seines musikalischen Werkes wurden. Er zog sich teils aber auch gänzlich vom künstlerischen Schaffen zurück und war sogar für fünf Jahre in einem buddhistischen Kloster, wo er sich der Zen-Meditation hingab und zum Mönch geweiht wurde. Fazit: Hören, zurücklehnen und Herz und Seele von der samtigen, dunkelschwarzen Bittersüße umfangen lassen. Genießen. Die Welt ist nicht immer regenbogenbunt. Die Dunkelheit hat viele Schattierungen – von zärtlich bis schmerzhaft.