Übersetzungsfehler: Gott ist nicht der Schöpfer

Die niederländische Bibelforscherin Van Wolde kommt bei einer neuen Analyse der Schöpfungsgeschichte zu einem Schluss, der die Kreationisten wenig freuen dürfte: Ihrer Ansicht nach wurde Gott in der Bibel ursprünglich keineswegs als Weltenschöpfer dargestellt – sie glaubt, dass es sich bei dieser Version um einen über Jahrhunderte hinweg tradierten Übersetzungsfehler handelt.

 

Teilen statt erschaffen

Van Wolde hat den hebräischen Text untersucht und fand heraus, dass das hebräische Verb „bara“, wie es in der Schöpfungsgeschichte verwendet wird, nicht für „(er)schaffen“, sondern vielmehr für „teilen/scheiden“ steht, was außer im ersten Satz auch so übersetzt ist. („Da schied Gott das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht.“ Da Gott teilt, erschafft er meist gleichzeitig zwei entgegengesetzte Dinge (Himmel/Erde, Licht/Finsternis, Mann/Frau etc.)

Nach diesem Verständnis wäre die Ursubstanz des Universums schon gleichzeitig mit Gott und vor der Schöpfung vorhanden gewesen. Der Akt des Schöpfens wäre dann lediglich das Teilen dieser Ursubstanz in manifeste Formen.

Was zunächst wie Haarspalterei klingen mag, hat philosophisch gesehen weitreichende Konsequenzen: Theologisch würde es bedeuten, dass die Vorstellung von einem Gott, der aus dem Nichts erschafft, falsch ist – ein zentraler Punkt für viele Christen. Auch würde die Schöpfung nicht mehr zwingend der Beginn der Zeit sein. Ein Sprecher der Radboud University sagte in diesem Zusammenhang: „Die neue Interpretation erschüttert die Schöpfungsgeschichte, wie wir sie kennen in ihren Grundfesten.“

Zweitens würde die christliche Schöpfungsgeschichte durch die neue Übersetzung mit vielen anderen Schöpfungsmythen übereinstimmen. Diese beschreiben zumeist, es habe schon vor der Schöpfung eine Ursubstanz gegeben – meist wird diese als „Ozean“ beschrieben, in dem teilweise sogar schon Leben („Ungeheuer“) vorhanden sind.

 

Heißes Thema

Van Wolde liegt sicherlich nicht falsch mit der Ansicht, dass ihr eine „heftige Debatte“ bevorsteht. Sie ist sich aber sicher: „Die traditionelle Vorstellung der Schöpfung ist vor diesem Hintergrund so nicht länger haltbar.“

Dies wird sicherlich nicht der letzte Übersetzungsfehler sein, der entdeckt wird. Schon früher haben Bibelforscher nachgewiesen, dass beispielsweise die Legende der jungfräulichen Empfängnis auf einen simplen Übersetzungsfehler zurückgeht, der aus „junge Frau“ eine „Jungfrau“ machte.

 

Bild: Public Domain

 

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Eine Antwort

  1. Madeleine

    Das Wort bara ist sowieso ein seltenes Wort in der Bibel. Viel öfter kommt das Wort asah im Schöpfungsbericht vor. Es bedeutet: Etwas Vorhandenes zubereiten. Abstammungs- und Evolutionslehren gibts nicht erst seit Darwin, sondern schon in der Antike. Am bekanntesten ist eben die biblische Schöpfungsgeschichte. Sie lehrt eindeutig moderne Evolution, was allein die richtige Reihenfolge (Pflanzen, Wassertiere, Landtiere, Mensch) verdeutlicht. Dazu noch der Umstand, dass die Bevölkerung der Erde laut Bibel selbstständig durch Fruchtbarkeit, Samen und Vermehrung erfolgte und erschaffen nicht automatisch bedeutet: Zackbumm, da ist es!, lassen keinen anderen Schluss zu, dass es außer Evolution keine Erklärung für die Entstehung des Lebens gibt. Kreationisten wären daher gut beraten, ihre kindlichen Vorstellungen vom großen bärtigen Zauberer, der einmal mit den Fingern schnippt, und dann ist alles da, zu begraben – und zwar schleunigst und endgültig!

    Wie gesagt, Evolution ist nichts innovativ-revolutionäres, sondern ein alter Hut.

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