Es ist immer noch Aufschwung, sagt Frau Merkel. Aber irgendwie sehen das immer weniger der früheren Mitstreiter so. Selbst der IWF und die Rating-Agenturen haben sich mittlerweile vom Beschwichtigen aufs Warnen verlegt. So befürchtete der IWF jüngst, Japan, USA, Großbritannien und Spanien könnten aufgrund der hohen Staatsschulden ihre finanzielle Handlungsfähigkeit verlieren. Und nebenbei wurde noch von allen einhellig der „Währungskrieg“ verkündet, der nun aber eigentlich schon eine ganze Weile tobt. Man mag wieder kaum glauben, dass es den Herrschaften erst jetzt aufgefallen ist.

Nun liegen die Länder also in einem absurden Kampf: Alle versuchen ihre Währung so gut es geht zu entwerten, um die Exporte anzukurbeln, während gleichzeitig die Staatsschulden ins Unermessliche steigen. Am Ende dieser Entwicklung sehen viele eine starke Abwertung des Dollars und eine Verschiebung des internationalen Wirtschaftsgefüges.

Angriff auf das Sozialsystem

Auch die ehemals fast blinde Rating-Agentur Standad & Poors kommt in einer Studie zu dramatischen Warnungen bezüglich der Staatsschulden: In 49 untersuchten Staaten, werde die mittlere Nettoverschuldung bis 2050 bei 245% der Wirtschaftsleistung liegen in Japan sogar bei 700 %. Das Sonderbare an der Studie: Nicht nicht die Krise soll angeblich Schuld sein, sondern die zu hohen Rentenzahlungen.

„So handelt es sich bei dem Papier von Standard & Poor’s vor allem um ein Propagandadokument, das die Regierungen dazu anhält, das Renteneintrittsalter zu erhöhen und Rentenleistungen zu kürzen, wie es allüberall gerade diskutiert wird. Die Studie ist deshalb genauso wenig wert, wie die vielen absurden Einstufungen der Kreditwürdigkeit, die S&P, Fitch oder Moody’s gerne vornehmen“, kommentierte Ralf Streck auf Telepolis.

Sind wir nun also in eine neue Phase eingetreten, in der wir zwar immer mehr von der wirtschaftlichen Wirklichkeit zu hören bekommen, aber nur, damit noch absurdere und drastischere Maßnahmen ergriffen und durchgesetzt werden können? Es scheint fast so.

Die Lunte brennt

Noch immer scheint es keinen Plan B zu geben. Von allen Seiten noch immer die selben Parolen: Mehr Wachstum, mehr Arbeitsplätze. Und weniger Arbeitslosengeld und Renten.

Wie schlimm es tatsächlich aussieht, kann man zum Beispiel an der Tatsache ablesen, dass die FED bald den Großteil der US-Staatsanleihen besitzt. Schon jetzt hält nur noch China mehr der ehemals sichersten Geldanlage – bald schon werden auch die überholt sein. Weltweit warnen Anleger daher mittlerweile vor Staatsanleihen, ein Crash könnte nur noch drei Monate entfernt sein, meint etwa Marc Faber.

Tatsächlich wissen nun sowohl die FED, als auch die Politiker als auch die Bevölkerung, dass alle Maßnahmen erfolglos waren und die Politik quasi machtlos ist. Nun kommt die nächste Phase, in der womöglich so massive Sparprogramme aufgesetzt werden müssen, wie noch nie in der Geschichte – wen das am Härtesten treffen wird, dürfte klar sein. Entsprechend wird nun schon mal Stimmung gemacht für drastische Einschnitte.

Spätestens im Frühjahr 2011 soll es dann losgehen.

„Das „land of plenty“ wird zu „land of few“. Die Bürger des Lands der grenzenlosen Möglichkeiten werden an eine Grenze stoßen, die ihnen bisher unbekannt waren, nämlich dass sie nicht mehr über die finanziellen Mittel verfügen, um ihr Land durch Konjunkturprogramme aus der Misere zu führen. Um eine zwanzigjährige Depression wie in Japan zu vermeiden, werden viele Entscheider in Politik und Wirtschaft zu einer Schocktherapie neigen. Ein amerikanisches Sparprogramm wird die internationalen Finanzmärkte, die seit Jahrzehnten nur ein verschwenderisches Amerika kennen und es brauchen, um zu funktionieren, in Chaos stürzen. In den USA wird das Sparprogramm eine wirtschaftliche und soziale Katastrophe sein, wie das Land sie seit den dreißiger Jahren nicht mehr erleben musste„, befürchtet der Wirtschafts-Think-Thank Leap 2020 in Bezug auf die USA.

Zerfall der Weltordnung = Neuanfang?

Die Proteste in Griechenland, Frankreich und auch in Deutschland (wo der Stuttgart 21 nur ein Ventil ist) lassen schon vermuten, dass die Bevölkerungen eine solche Politik nicht mehr lange hinnehmen werden. Ob sich der Unmut in Protesten oder zunehmender Selbstorganisation umsetzt, bleibt noch abzuwarten. Fest steht, dass sich durch die Währungskriege und Verschiebungen nun einiges in der bestehenden Wirtschaftsordnung ändern wird, das Machtgefüge, wie wir es gewohnt sind, befindet sich im freien Fall – das kann auch im positiven Sinn Platz für etwas Anderes machen. Bald wird es dann hoffentlich auch Raum dafür geben, neue Ansätze ernsthaft zu diskutieren. Die Bevölkerung wird es einfordern.

 

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Eine Antwort

  1. Anonymous

    Prima Artikel! Er ergänzt sehr gut den Artikel „Wenn es kein Geld mehr gibt: Wir müssen kooperieren“.

    Die Rating-Agenturen nehmen natürlich auch lediglich die monetäre Oberflächenbewegung des Kapitals wahr. Doch allein daran lässt sich schon ablesen, dass die ganze Veranstaltung dem Ende entgegen geht.

    Wer wissen möchte, was die eigentlichen Ursachen der Krise sind und wie der geschichtliche Ablauf tatsächlich langfristig aussah, dem sei folgendes, diesbezüglich sehr reichhaltiges Interview mit Robert Kurz in zwei Teilen empfohlen:

    Teil 1:
    http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32931/1.html

    Teil2:
    http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32932/1.html

    Auf die inhaltliche Qualität seiner Buchveröffentlichungen hatte ich ja schon hingewiesen. Für 2011 wird nun von der Fachwelt sein neustes Buch mit weiteren, scharfen Analysen erwartet:

    http://www.amazon.de/Weltmacht-Weltkrise-Die-Grenzen-Kapitalismus/dp/382186527X/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1287652534&sr=1-1

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