Afrika hat alle Voraussetzungen, sein Ernährungsproblem zu lösen und schon in einer Generation zum Selbstversorger zu werden. Das ist das Ergebnis einer Studienreihe zur Landwirtschaft Afrikas, die Ökonomen der Harvard University im bei der Oxford University Press erschienenen Buch „The New Harvest“ präsentieren. „Das Jahrhundert, in dem Afrika Rohmaterialien exportierte und Nahrung importierte, ist zu Ende. Afrika beginnt, seine Landwirtschaft zu erneuern. Die Chancen stehen gut, dass dies Antrieb für regionalen Handel und Wohlstand gibt“, erklärt der Hauptautor Calestous Juma.

 

Vom Hungerleider zum Exporteur

Bisher stand es schlecht um Afrikas Ernährung. Seit 1970 sank die Lebensmittelproduktion aufgrund fehlender Investitionen um zehn Prozent, und auch die Erträge, das Einkommen der Bauern oder die Armutsrate stagnierten. Obwohl 70 Prozent der Afrikaner in der Landwirtschaft arbeiten, sind 250 Mio. Menschen unterernährt – 100 Mio. mehr als noch 1990. Rückstände gibt es besonders in der Technik: Nur vier Prozent der Äcker werden bewässert, zudem sind Düngemittel, Pestizide und hochqualitatives Saatgut ebenso teuer wie landwirtschaftliche Geräte. Durch den Klimawandel spitzt sich die Situation zu.

Afrika muss sich selbst helfen und kann das Blatt durchaus wenden, so das Credo der Experten. „Der heutige Zustand beweist, dass die Hilfeleistungen durch Europa und die USA Afrika nicht satt machen. Die Vorzeichen stehen jedoch gut dafür, dass der Kontinent seine großen Ressourcen künftig besser nutzt und sogar zum Selbstversorger wird. Zwar wird er weiter importieren – jedoch auf Basis eines Einkommens, das wiederum die Fähigkeit zum eigenen Anbau braucht. Je eher sich Afrika selbst ernähren kann, desto mehr kann es importieren“, betont Juma.

 

Neue Politikergeneration macht Hoffnung

Leider setzt Juma bei dieser Entwicklung nicht ausdrücklich auf nachhaltige landwirtschaftliche Ansätze – für ihn sind die Elektrifizierung, Transport und auch Biotechnologie Eckpfeiler für eine derartige Entwicklung. Ein weiterer Schwerpunkt sei ein neuer, unternehmerischer Führungsstil in der Politik.

„Die neue Politikergeneration einer ‚good governance‘ gibt es bereits“, betont Botlhale Octavia Tema, Direktorin der Organisation „African Creative Connections“, gegenüber pressetext. War Afrika vor zehn Jahren noch voller Krisenherde, so herrsche heute mit wenigen Ausnahmen Frieden. „Demokratie ist die Regel und fast überall gab es kürzlich Wahlen. Ruanda etwa wurde bereits als tot bezeichnet, doch seine Politiker haben binnen kurzer Zeit das Gegenteil bewiesen. Malawi schaffte es binnen nur zwei Jahren zum Nettoexporteur von Lebensmitteln und auch Tansania und Burkina Faso modernisieren sich äußerst aktiv, um nur Beispiele zu nennen“, so die Expertin.

 

Wettlauf ums Ackerland

Das Potenzial Afrikas wird derzeit am ehesten von China, Indien und Brasilien erkannt, die zunehmend strategisch in den Kontinent investieren und das Agrarland nach und nach aufkaufen. Es wird dabei schon vom „größten Landraub seit dem Ende des Kolonialismus“ gesprochen. Weltweit scheint ein Wettlauf um das Agrarland eingesetzt zu haben. Daraus könnten sich sowohl politische als auch ökologische Probleme ergeben. Die Investitionen verdeutlichten, dass in Afrika noch viel Land verfügbar ist.

 

Yams und Hirse statt Soja

Dass der Klimawandel und die fortschreitende Wüstenbildung Afrikas Böden zu schaffen machen, weisen auch die beiden Wissenschaftler nicht von der Hand. Mit „nicht nutzbar“ sei dies jedoch oft nicht gleichzusetzen. „Für Weizen, Reis, Mais oder Sojabohnen sind vielen Flächen ungeeignet. Traditionelle Getreidesorten wie etwa Hirse sowie Yams oder der Brotfruchtbaum gedeihen jedoch vorzüglich. Mit diesen Nahrungspflanzen, die von den Entwicklungsprogrammen kaum berücksichtigt werden, könnte Afrika neue Produkte in den Weltmarkt exportieren“, betont Juma.

Das klingt leider alles nach stark industrialisierter Landwirtschaft – dabei böte sich gerade in Afrika die Chance, einen ganzen Kontinent auf nachhaltige Weise neu aufzubauen, wie zahlreiche kleine Projekte mit Wüstenbegrünung, Permakultur und verschiedenen Bio-Anbautechniken schon eindrucksvoll bewiesen haben.

 

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Text mit Material von Pressetext.de

Bild: Oxford University Press

 

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Eine Antwort

  1. Ipyana
    Steuer ist Diebstahl

    Guter Artikel, dazu noch: Afrika war von beginn an selbstversorgend. Erst mit der Einführung der Steuer insbesondere auf Land und der damit folgenden Einführung des Geldsystems hat es sich , so wie Europa auch verslaven lassen. Und der schöne paradiesische Müßiggang hatte sein Ende. Dazu ist das Buch: „Der faule Neger“ sehr zu empfehlen. Bevor irgendwelche Vorurteile uberhand nehmen. Lest das Buch. Ich bin Afrikanerin.
    Liebevolle Grüße

    Antworten

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