„Ich bezahle nicht!“ kann man derzeit auf tausenden Aufklebern in Athen lesen. Eine Welle zivilen Ungehorsams scheint sich im Lande auszubreiten. Der Grund: Die griechische Regierung hat beschlossen, die katastrophale Lage der Staatsfinanzen durch Sparmaßnahmen auf dem Rücken der Bevölkerung auszutragen. Und die hat keine Lust mehr drauf. Ganze fünf Generalstreiks haben die Griechen schon auf die Beine gestellt, um gegen die sozialen Einschnitte zu protestieren. Gerade in Athen kochte die Stimmung teilweise hoch – es hat die Regierung bisher nicht beeindruckt. Jetzt geht der Protest einen anderen Weg: ‚Wenn wir alles bezahlen sollen, dann bezahlen wir jetzt eben gar nichts mehr‘, könnte die Logik dieser neuen Aktion lauten.

So zahlen immer mehr Griechen keine Autobahnmaut mehr und fahren schwarz mit öffentlichen Verkehrsmitteln. In Athen wurden viele Fahrscheinentwerter von Aktionisten gleich so präpariert, dass ein Entwerten der Fahrscheine unmöglich ist. Auf den Autobahnen werden die Schranken der Maut-Stellen nun per Hand geöffnet. Das Gefühl der Ohnmacht gegenüber jahrelanger Fehlpolitik scheint in entschlossenen Trotz und massenhaften Ungehorsam umzuschlagen. Und die Polizei sieht vorerst zu.

Die Aktion hat es schon bis in die staatlichen Krankenhäuser geschafft, wo Ärzte die in Griechenland üblichen Bezahlschalter für die Behandlungspauschale blockieren und so ihre eigenen Patienten daran hindern, zu zahlen.

Jugendlicher Trotz oder wirksames Protestmittel?

Die Meinungen zur Aktion sind gespalten. Zwar wird der grundlegende Ansatz „Wir zahlen nicht für eure Krise“ von vielen Griechen unterstützt, Verweigerung in dieser Form ist jedoch nicht bei allen beliebt.

So wird den Initiatoren vorgeworfen, ihre Aktion sei Ausdruck von Egoismus und durch eine unsoziale Haltung motiviert, die aktuelle Situation diene nur als ein Alibi. Schamlose Gesetzeslosigkeit sei nicht Revolutionäres, sondern vielmehr ein Weg in destruktives Chaos, wird den Protestlern vorgeworfen. Es zeige sich hier letztendlich die gleiche Mentalität, die überhaupt erst zum desolaten Zustand des Landes geführt habe.

Andere sehen die Aktion jedoch schlicht als ein einfaches und effektives Druckmittel, welches der Regierung signalisiert, dass für die Bevölkerung die Schmerzgrenze des Zumutbaren erreicht ist.

 

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