Der Populismus in Deutschland ist rückläufig. Nach einer aktuellen Studie sind nur noch 20 Prozent der Deutschen populistisch eingestellt.

Rund ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl sind nach einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung und des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung immer weniger Wähler in Deutschland populistisch eingestellt. Im Juni 2020 waren nur noch 20 Prozent der Befragten entsprechenden Meinungen zuzuordnen, im Jahr 2018 waren es noch 32,8 Prozent.

Stark stieg auf der anderen Seite der Anteil unpopulistischer Wähler. Nach 31,4 Prozent Ende 2018 waren mit 47,1 Prozent in diesem Jahr fast die Hälfte aller Wähler dieser Gruppe zuzuordnen. Gleichzeitig sehen die Forscher die Gefahr, dass die in die Defensive geratenen Populisten sich stärker radikalisieren könnten.

Das sogenannte Populismus-Barometer der Bertelsmann Stiftung und des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung definiert Populismus als eine Idee von Demokratie, die von der Existenz eines objektiv bestimmbaren einheitlichen Volkswillens ausgeht, Politiker für eine am eigenen Vorteil interessierte korrupte Elite hält, die Ausübung direkter Volkssouveränität etwa in Volksentscheiden befürwortet und politische Kompromisse ablehnt. Ob und inwieweit solche Einstellungen vorliegen, wird seit 2017 per Fragenkatalog ermittelt. Im Juni 2020 wurden erneut mehr als zehntausend Wahlberechtigte befragt.

Als populistisch im Sinne der Studie gilt, wer acht typisch populistischen Aussagen über das Funktionieren von Staat und Gesellschaft zugestimmt hat. Dazu gehören Sätze wie „Die Parteien wollen nur die Stimmen der Wähler, ihre Ansichten interessieren sie nicht“ und „Was man in der Politik ‚Kompromiss‘ nennt, ist in Wirklichkeit nichts anderes als ein Verrat an den eigenen Ideen.“Auffällig war dabei, dass der antipopulistische Wandel vor allem aus der politischen Mitte gestützt wird. Noch vor zwei Jahren hatte es in dieser Wählergruppe die größte Zunahme an populistischen Einstellungen gegeben.

Dabei betonen die Forscher, dass der antipopulistische Wandel im Meinungsklima bereits deutlich vor der Corona-Pandemie eingesetzt habe. So habe die populistische Welle Ende 2018 ihren Höhepunkt erreicht und sei dann erdrutschartig abgeschwellt. Das gestiegene Vertrauen in die Regierungsarbeit im Verlauf der Coronakrise habe diese Trendumkehr stabilisiert und leicht verstärkt, aber nicht ausgelöst, glauben die Betreiber der Studie. Ursache des Wandels sei vor allem ein deutlich verbessertes, die Wähler mit ihren Themen und Ansichten stärker einbeziehendes Regierungshandeln.

Außerdem habe die politische Mitte auf das aufgeheizte populistische Meinungsklima im Zuge der Migrationskrise seit 2015 und rund um die Bundestagswahl 2017 mit einer erfolgreichen Gegenmobilisierung reagiert. Im Jahr vor der Bundestagswahl zeige sich die deutsche Bevölkerung nun deutlich widerstandsfähiger gegenüber populistischen Parolen. Bei kommenden Wahlen könnten demnach aus Sicht der Meinungsforscher vor allem die Unionsparteien als auch die Grünen von einem Rückstrom von bürgerlichen Wählern von der AfD profitieren.

Die Autoren der Studie warnen davor, dass der in die Defensive geratene rechtspopulistische Rand radikaler zu werden drohe als bislang. Das betreffe besonders die AfD, die sich zu einer zunehmend von rechtsextremen Einstellungen geprägten Wählerpartei entwickele.

Studie als PDF: www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/einwurf-22020-populismusbarometer-2020-all

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