Sechs junge Portugiesen verklagen 33 europäische Staaten vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die von sechs portugiesischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen gegen 33 vorwiegend europäische Staaten erhobene Klage wegen unzureichender Bekämpfung des Klimawandels als besonders dringlich eingestuft und die beklagten Staaten zur Stellungnahme aufgefordert.

Die Begründung der Klage: Die Länder würden nicht genug für den Klimaschutz tun – und damit die Menschenrechte der jungen Kläger verletzen. Die Kläger berufen sich nicht etwa auf das Pariser Klimaabkommen oder sonstige konkrete Vorschriften zur Begrenzung des CO2-Ausstoßes, sondern unmittelbar auf das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgte Recht auf Leben (weil die Zahl der Hitzetode und schweren Waldbrände zunehme), Privatsphäre in Gestalt persönlicher Entfaltungsfreiheit (weil Sport und erholsamer Schlaf während sommerlicher Hitzewellen kaum möglich seien) sowie Nichtdiskriminierung (weil sie aufgrund ihres Alters länger und schwerer unter dem Klimawandel würden leiden müssen als ältere Menschen mit einer geringeren verbleibenden Lebenserwartung).

Vier der Kläger stammen aus der zentralportugiesischen Region Leiria, in der es vor drei Jahren riesige Waldbrände gegeben hatte, wie sie der Klimawandel durch Hitze und Trockenheit befördern dürfte. Der viele Rauch habe die Atemwege belastet, aber es war vor allem angsteinflößend, erzählten die Jugendlichen. Außerdem lebten sie mit dem Gefühl, dass ihr Zuhause immer mehr zu einem feindlichen Ort werde. Der Anwalt, der die Jugendlichen vertritt, erhofft sich, dass der Gerichtshof die Staaten dazu anhält, ihre Klimaziele deutlich anzuheben, sodass sie dem Paris-Abkommen gerecht werden.

Vergleichbare Klagen sind in zahlreichen europäischen Staaten sowie vor dem Europäischen Gerichtshof anhängig. In Deutschland konnten sie bislang nur Achtungs- und PR-Erfolge erzielen, weil die Gerichte zwar im Grundsatz von einer staatlichen Pflicht zur Bekämpfung des Klimawandels ausgehen, Art und Ausmaß der konkreten Maßnahmen aber dem Primat der Politik unterstellen. Das Oberste Gericht der Niederlande hat die dortige Regierung hingegen Ende vergangenen Jahres in einem vielbeachteten Urteil verpflichtet, mehr CO2 einzusparen als zuvor vorgesehen.

Die beklagten EU-Mitgliedstaaten sowie Norwegen, Russland, die Schweiz, die Türkei, die Ukraine und das Vereinigte Königreich haben nun bis Ende Februar 2021 Zeit, Stellungnahmen abzugeben. Mit einer Entscheidung des Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist dann einige Monate später zu rechnen.

Gibt es ein Recht auf Klimaschutz?: https://www.sein.de/news/2019/12/gibt-es-ein-recht-auf-klimaschutz

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