Die Fahrt ins klimaneutrale Zeitalter gerät mit dem Ukrainekrieg ins Stocken.

Die Zeit für die Rettung des Planeten läuft ab. Unser verbleibendes Kohlenstoffbudget für die Begrenzung der planetaren Erwärmung auf 1,5 Grad ist in neuneinhalb Jahren aufgebraucht. Allein 2021 verbrauchten wir weltweit rund neun Prozent dieses Restbudgets, was noch maximal in die Atmosphäre gehen darf, bis die kritische Temperaturschwelle gerissen wird. Der Ukrainekrieg wirft die Weltgemeinschaft nochmal ein gutes Stück zurück.

Putins Angriffskrieg gegen den ukrainischen Nachbarn zieht große Kreise. Der Konflikt hat das Potenzial, auch die großen Energieverbraucher in eine Renaissance der fossilen Energien zu zwingen – auch wenn deren Regierungen das eigentlich nicht wollen. So trat USA-Präsident Joe Biden vor einem Jahr mit dem Versprechen an, die eigenen Emissionen schneller zu senken und sein Land ins regenerative Zeitalter zu führen. Biden wollte dafür Entscheidungen bei Umwelt- und Klimagesetzen aus der Trump-Ära rückgängig machen, Klimaprogramme neu auflegen und Investoren für die Energiewende gewinnen.

Doch in Wirklichkeit kurbelt das Land seit dem angekündigten Importstopp von russischem Öl sowie Flüssiggas und Kohle die eigene fossile Förderung wieder an. Für die Ölindustrie ist es der ideale Moment: Sie will im Namen des amerikanischen Patriotismus störende Umweltauflagen kippen und langwierige Genehmigungen verkürzen. Außerdem sollen Lizenzen für Ölbohrungen schnell und unbürokratisch erteilt werden. Die Bahn ist also frei für die hemmungslose Ausbeutung fossiler Ressourcen. Den Klimaschutz kann man mit den nationalen Argumenten ganz bequem unter den Tisch kehren.

Durchaus plausibel ist auch die Erwartung, dass Russland langfristig ein Bremser im internationalen Klimaschutz sein wird. Vielleicht sogar noch stärker als bisher könnte es den unverminderten Absatz seiner fossiler Rohstoffe (und Einnahmen daraus) sichern wollen und auf Klimagipfeln Fortschritt blockieren, den Ausbau Erneuerbarer Energien behindern und gegen Kohlendioxid-Preise vorgehen.

Klar ist bereits, dass Deutschland und wohl die meisten westlichen Länder künftig viel mehr Geld in ihr Militär ausgeben werden (einen Sektor, der nicht gerade für klimafreundliche Technik bekannt ist). Bei begrenzten staatlichen Haushalten konkurrieren Verteidigungsausgaben mit der Finanzierung von Klima-Maßnahmen. Verzögerungen im Kampf gegen den Klimawandel sind dann wahrscheinlich.

Zudem verschiebt sich der Fokus vieler Länder weg vom Klimaschutz und hin zur Energiesicherheit. Dann liegt in etlichen Fällen die Illusion nahe, diese lasse sich eher mit Kohle oder Kernkraft sichern als mit dem zunächst kapitalintensiven Umstieg auf erneuerbare Energien.

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