Viele Studien belegen, dass ein Wald auf vielfältige Weise heilsam sein kann. Aber nicht jeder Wald eignet sich als Heilwald.

von Oliver Bartsch

Ein Wald kann auf vielfältige Weise heilsam sein. Da sind zum einen die physiologischen Wirkungen, von denen einige gut belegt sind. Erwiesen ist, dass schon ein einmaliger Aufenthalt im Heilwald den Cortisolspiegel im Speichel absenkt – ein guter Hinweis darauf, dass Stress reduziert wird. Auch der Blutdruck sinkt messbar. Der Herzschlag verlangsamt sich, die Blutspiegel von entzündungsfördernden Interleukinen, das sind Botenstoffe des Immunsystems, nehmen ab. Diese Veränderungen sind allerdings noch nicht in ihrer Nachhaltigkeit bewiesen und müssen noch genauer erforscht werden.

Nadelwälder haben wegen ätherischer Öle einen positiven Effekt auf den Menschen. Das sind die Terpene. Für den Menschen ist die Inhalation dieser ätherischen Öle nützlich, weil sie etwa die Bronchien erweitern und zu ihrer vermehrten Befeuchtung führen, ein Effekt, der ebenfalls messbar ist. Nadelhölzer setzen Terpene aber vermehrt erst bei Stress frei, etwa unter Trockenheit. Je gesünder also ein Wald ist, desto weniger Terpene wird man dort in der Luft antreffen.

Bekannt ist außerdem, dass ein Waldaufenthalt die Anzahl der natürlichen Killerzellen im Blut ansteigen lassen kann. Die Forscher wissen nur noch nicht, was das genau bedeutet und wie oft und wie lang man sich im Wald aufhalten muss, um einen Langzeiteffekt zu erzielen. Da bedarf es noch weiterer Forschung. Und: Nicht jeder Wald eignet sich als Heilwald.

Für einen Heilwald gibt es viele Parameter. Makro- und Mikroklima spielen eine große Rolle. Ein feuchter Wald ist gesundheitsfördernder als ein trockener Wald. Die Baumarten, am besten ein Mischwald, fließen ebenso in die Bewertung ein wie die Geländestruktur und die Lage. Ein Wald ist ein großer Filter, der Schadstoffe wie Feinstaub und Stickoxide abfängt. Aber am Rand eines Industriegebietes oder einer Massentierhaltung stößt dies an Grenzen. Ein Heilwald sollte am besten naturbelassen, aber dabei kultiviert sein, also eine Art natürliches Sanatorium.

Es gibt aktuell viele Versuche, eine Waldtherapie aufzubauen. Von Mecklenburg-Vorpommern aus versuchen Wissenschaftler und Therapeuten gerade, ein weltweites Netzwerk aufzubauen, um die Qualitätssicherung bei Heilwäldern und der Therapie im Wald voranzubringen. Seit drei Jahren werden dort medizinisch vorgebildete Menschen zu Waldtherapeuten ausgebildet. Daneben gibt es eine Fortbildung zur Waldprävention für Menschen ohne medizinische Grundausbildung, wie z. B. Coaches. In Portugal gab es dazu gerade einen Kongress, bei dem Wissenschaftler aus Japan, USA, Australien, Kanada und zahlreichen EU-Ländern zu Gast waren. Man weiß einiges über die Effekte eines mitteleuropäischen Mischwaldes, aber ob diese auch für einen Palmenwald gelten, müssen die Forscher noch herausfinden.

In Deutschland weiß man schon sehr lange um das Potential von einem Heilwald. Das Waldbaden gab es in Deutschland schon um 1900, als die Tuberkulose-Epidemie wütete. Es gab Naturheilvereine, die Waldbadeanstalten betrieben. In Berlin und anderen Großstädten litten vor allem die Kinder oft unter Rachitis infolge des Lichtmangels. Für sie wurden Waldkinderschulen eingerichtet, etwa in Berlin-Charlottenburg, wo sich kranke Kinder im Sommer mehrere Wochen im Wald aufgehalten haben. Damals wurden derartige Maßnahmen aber nicht wissenschaftlich begleitet, was man heute ändern will.

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