Ein Forschungsteam hat das Genom einer Riesenschildkröte sequenziert, die sehr alt werden kann. Das hilft, der Langlebigkeit auf die Spur zu kommen.

Sie wiegen bis zu 250 Kilogramm und können weit über 100 Jahre alt werden: Riesenschildkröten. Ein Team von der Universität Zürich hat nun das Genom der vom Aussterben bedrohten Aldabra-Riesenschildkröte sequenziert und liefert damit Daten, den Artenschutz zu stärken und um den Geheimnissen wie der außerordentlichen Größe und Langlebigkeit der Art auf die Spur zu kommen.

Für gezielte Artenschutzprogramme ist es wichtig, so viel wie möglich über die zu schützende Spezies zu wissen. Genomische Daten können dabei helfen, Verpaarungen in Zuchtprogrammen zu planen, auf potenzielle genetische Krankheiten in einer Population aufmerksam zu werden und bei in Gefangenschaft lebenden Tieren zu bestimmen, aus welcher Region sie ursprünglich stammten.

Besonders hilfreich ist dabei ein sogenanntes Referenzgenom: Dabei handelt es sich um ein qualitativ hochwertiges, repräsentatives Beispiel des Genoms einer Art, das als Grundlage dienen kann, um zukünftige Sequenzierungen niedrigerer Qualität damit abzugleichen. Von allen 44 heute noch lebenden Schildkrötenspezies gab es allerdings bislang nur drei Referenzgenome – und das obwohl zahlreiche Vertreter auf der Liste der bedrohten Arten stehen.

Als Ausgangsmaterial für die Genomsequenzierung nutzte das Forschungsteam eine Blutprobe einer Aldabra-Riesenschildkröte namens Hermania, die seit 1955 im Züricher Zoo lebt und bei der im Rahmen einer tierärztlichen Routineuntersuchung ohnehin eine Blutentnahme anstand. Mit modernen Methoden der DNA-Sequenzierung entschlüsselten die Wissenschaftler das Genom auf Chromosomenebene. Im Vergleich zu anderen Sequenzierungen ist eine solche Genomsequenz nahezu lückenlos und die lässt erkennen, auf welchen Chromosomen die jeweiligen genetischen Abschnitte liegen.

Einen potenziellen Einsatz des neuen Referenzgenoms demonstrierten die Forscher, indem sie 32 weitere Genomsequenzierungen mit geringerer Auflösung anfertigten – 30 von wildlebenden Aldabra-Riesenschildkröten und zwei von weiteren Exemplaren aus dem Züricher Zoo – und diese mit dem Referenzgenom verglichen. Da sich anhand des Referenzgenoms die einzelnen DNA-Stücke der zusätzlichen Sequenzierungen genau einordnen ließen, konnten die Forscher auf diese Weise bestimmen, aus welcher Region des Aldabra-Atolls die beiden Züricher Individuen wahrscheinlich ursprünglich stammten. Außerdem identifizierten sie mutmaßlich schädliche Mutationen, die überwacht werden. Die Ergebnisse sind für das Management der genetischen Vielfalt und die Bemühungen zur Wiederansiedlung relevant.

Der Langlebigkeit auf der Spur

In zukünftigen Studien könnte das Referenzgenom auch dazu beitragen, die genetischen Grundlagen der außergewöhnlichen Langlebigkeit der Art zu untersuchen. Die mutmaßlich älteste Aldabra-Schildkröte, die 2006 im Zoo von Kalkutta verstorben ist, war wahrscheinlich 256 Jahre alt. Wenn die entsprechenden Aufzeichnungen stimmen, war sie damit das älteste bekannte Landwirbeltier. Auch die Frage, welche genetischen Merkmale für den Riesenwuchs der Art verantwortlich sind, könnte anhand der neuen Genomdaten geklärt werden.

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