Erstmals seit 25 Jahren haben extremer Reichtum und extreme Armut zuletzt gleichzeitig zugenommen, was zu wachsender Ungleichheit führt.

Von Oliver Bartsch

Durch den deutlichen Anstieg der Lebensmittel- und Energiepreise im vergangenen Jahr seien Milliardäre noch reicher geworden und die Ungleichheit größer, erklärt die Entwicklungsorganisation Oxfam: „Während Millionen Menschen nicht wissen, wie sie Lebensmittel und Energie bezahlen sollen, bringen die Krisen unserer Zeit gigantische Vermögenszuwächse für Milliardär*inne.“

Wie aus dem Bericht der kapitalismuskritischen Organisation Oxfam hervorgeht, haben 95 Lebensmittel- und Energiekonzerne weltweit ihre Gewinne im Jahr 2022 mehr als verdoppelt. Sie erzielten demnach 306 Milliarden US-Dollar an Zufallsgewinnen und schütteten 257 Milliarden US-Dollar (84 Prozent) davon an Aktionärinnen und Aktionäre aus. Oxfam definiert Gewinne als Zufallsgewinne, wenn sie den Gewinn-Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2021 um zehn Prozent oder mehr übersteigen.

Unter dem Strich seien Konzerne und Superreiche die Gewinner von Coronapandemie und Energiekrise, hielt Oxfam fest. So habe das reichste Prozent der Weltbevölkerung seit Beginn der Coronapandemie rund zwei Drittel des weltweiten Vermögenszuwachses kassiert. In Deutschland sei der Trend noch deutlicher: Vom Vermögenszuwachs, der 2020 und 2021 in Deutschland erwirtschaftet wurde, entfielen demnach 81 Prozent auf das reichste eine Prozent der Bevölkerung, was die Ungleichheit verstärke.

Das Gesamtvermögen aller Milliardärinnen und Milliardäre sei seit 2020 im Durchschnitt täglich um 2,7 Milliarden US-Dollar gestiegen. Für jeden pro Kopf erzielten US-Dollar Vermögenszuwachs in den ärmeren 90 Prozent der Weltbevölkerung habe ein Milliardär im Schnitt 1,7 Millionen US-Dollar hinzugewonnen. Zugleich leben laut Oxfam mindestens 1,7 Milliarden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Ländern, in denen die Inflation größer ist als die Lohnentwicklung. Etwa jeder zehnte Mensch auf der Erde hungere.

Die hier nur skizzenhaft beschriebenen Entwicklungen lasse befürchten, dass die jetzt schon extreme Uungleichheit in Deutschland weiter zunehmen und unsere Demokratie einer immer härteren Zerreißprobe unterwerfen werde. Um dies zu verhindern, müsse die Politik entschieden gegensteuern. Eine der zentralen politischen Baustellen ist auch hierzulande die Steuerpolitik, die wieder deutlich progressiver ausgerichtet werden müsse. Sie sollte insbesondere Vermögen in den Fokus nehmen, denn wie Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung feststellt: „Es gibt kaum ein Land auf der Welt, das Arbeit stärker und Vermögen – inklusive Erbschaften und Schenkungen – geringer besteuert als Deutschland.“

Daher sollte aus Oxfams Sicht die seit 1997 nicht mehr erhobene Vermögensteuer wieder eingeführt und ambitioniert ausgestaltet werden. Und auch verfassungswidrige Ausnahmen bei der Erbschaftssteuer, die unter anderem dazu führen, dass 40 Prozent der Menschen, die über zehn Millionen Euro erben, gar keine Steuern darauf zahlen, müssten dringend beseitigt werden.

Infos unter www.oxfam.de/ueber-uns/publikationen/oxfams-bericht-sozialer-ungleichheit-umsteuern-soziale-gerechtigkeit

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