Der Weg der Erdenhüter ist eine besondere Inka-Tradition. Die Filmemacherin Annette Assmy lässt sich in dieser schamanischen Tradition ausbilden und durchläuft dabei verschiedenste Einweihungen. Hier beschreibt sie das Weltbild dieser spirituellen Richtung und einzelne Initiationen.

Obwohl ich bis heute noch nicht in Südamerika war, weiß ich, dass ich die Ruinenstadt Machu Picchu kenne. Ich bin in meinen nächtlichen Traumreisen schon einmal dort gewesen. Diese Traumreisen gehören zu meinem spirituellen Weg. Jedes Jahr treffe ich in Holland während meiner langjährigen Ausbildung als Erdenhüterin und Energiearbeiterin die Qeros, die Ureinwohner aus den Hochanden. Ich habe mich für deren spirituellen Weg entschieden und gehe ihn nun schon seit fünf Jahren. Die Schule der Schamanen unterscheidet sich bezüglich der Lerninhalte und ihrer Vermittlung komplett von de Schulungswegen unserer westlichen Welt.

Ihr Wissen besteht darin, sich wieder mit den Naturelementen zu verbinden, die innere Welt in uns zu entdecken, selbstermächtigt zu denken, zu handeln und zu sein. Als Schülerin der Qeros werde ich in ihr Wissen eingeweiht, meistens durch Initiationen – energetische Übertragungen, die einen mit den Plejaden, den Kraftplätzen aus Südamerika oder mit den drei Kraftorten in unserem Chakrasystem, dem Herzen, dem Bauch und dem dritten Auge, verbinden und diese Prinzipien in uns wieder erwecken, aktivieren und stärken.

Die Inka-Tradition der Erdenhüter

Für die Qeros ist alles lebende Energie, alles wird durchströmt von Energie, und sie kommt von verschiedenen Quellen aus der Natur, dem Universum, der Urquelle, den Schichten von Mutter Erde und aus uns heraus.

Wir sind Teil dieser lebenden Energie, die ständig fließt und uns durchdringt. Wenn wir diesen Energiefluss spüren, fühlen wir uns verbunden, verknüpft mit allem Sein, der Quelle der Schöpfung. Doch meistens fühlen wir uns eher unverbunden und unser Leben stagniert. Wir haben das Gefühl, als ob eine „andere Macht“ unser Leben steuert, und wir denken, wir können nur auf äußere Umstände reagieren. Von diesem Platz aus fühlt sich das Leben schwer und oft kaum zu bewältigen an. Zwar können wir äußere Umstände tatsächlich manchmal nicht kontrollieren, aber wir können bestimmen, wie wir darauf reagieren. Wenn wir jedoch von unseren eigenen destruktiven Gedanken, Gefühlen oder unseren unbewussten Programmen „gesteuert“ werden, haben wir wenig Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten. Das ist dann der Moment, in dem wir merken, dass etwas in Stagnation geraten ist. Der Fluss ist ins Stocken gekommen. Unsere Energien stecken fest. Und meistens wirkt sich das psychosomatisch auf unseren Körper aus und wir reagieren mit Krankheiten.

Unsere Gedanken richten sich immer stärker destruktiv gegen uns selbst aus. Unsere Seele antwortet mit Warnrufen, die wir meistens nicht verstehen, da unsere Seele durch Symbole, Bilder und Metaphern zu uns spricht. Unsere Seele wird in der Andenkultur durch den Kolibri verkörpert. Der Kolibri, wie auch unsere Seele, hat eine sehr hohe Schwingungsfrequenz. Die Kolibris können mit 40 bis 50 Flügelschlägen pro Sekunde auf der Stelle fliegen, um den Nektar aus Blüten zu trinken. Auch unsere Seele möchte zu der Blüte vordringen, die uns süßen Nektar schenkt. Das gilt für alle Bereiche unseres Lebens.

Unsere Seele möchte, dass wir den Mut finden, unser Leben so zu verändern, dass wir wieder in einer hohen Schwingung sind und uns von süßem Nektar nähren können. Wenn wir unser Leben, unsere Gedanken, unseren Körper nicht darauf ausrichten, unserer wahren Bestimmung zu folgen, leiden wir. Irgendetwas fühlt sich nicht richtig an. Um diese Energien wieder in den Fluss zu bringen und unseren Seelenruf zu vernehmen, gehen die Erdenhüter in die Stille, in die Natur und kreieren Zeremonien. Durch Zeremonien erhalten wir Zugang zu dem heiligen Raum, wo die lineare Zeit verschwimmt und wir in die Zeitlosigkeit eintreten. Das ist der Ort der Stille, der inneren Einkehr, der Hingabe an das Leben und an die Schönheit in allen Dingen.

Es ist die Verbindung zur Schöpfung, der Quelle von allem. Es ist die bedingungslose Liebe für alles, was ist, und für uns selber, und wir erkennen, dass wir mehr sind „als nur „Wesen in einem Körper“. Wir erkennen, dass wir eine unendliche Seele sind. Die Verbindung zu dieser Schöpferquelle kann gestärkt werden, so dass wir auch in unserem Alltag immer das Gefühl haben, wir sind Teil von Allem, was ist. Sich dem zu öffnen, bedeutet zu den Menschen zu werden, die wir uns erträumen – fühlende, dankbare, magische und mit allem verbundene Wesen.

Despacho – Gebetsbündel

Zeremonien und Initiationen sind wie Türöffner zu einem anderen Gewahrsein und einem allumfassenden Erleben. Wir können durch solche Zeremonien unsere Gefühle und Gedanken in Einklang mit uns bringen.

 

Erdenhueter Rituale

Bild copyright – Annette Assmy

Dann erst wird uns klar, was unsere tiefsten und menschlichsten Sehnsüchte sind: die Verbundenheit mit allem zu erfahren, das All-Eins-Sein. Eine der für mich kraftvollsten Rituale aus der Andentradition sind Despacho-Zeremonien. Despachos sind Gebetsbündel aus natürlichen Produkten. Gemeinsam kreieren wir einen Altar bzw. ein Mandala aus verschiedenen Dingen wie Bonbons, Blumen, Reis und vielem mehr. Wir geben unsere Gebete, Danksagungen, Bitten um Heilung und Transformation mit unserer Atmung in drei Quintus (Gebetsblätter). Die drei Blätter repräsentieren die drei schamanischen Welten: die mittlere Welt — unsere Realität im Hier und Jetzt –, die obere Welt – wo wir in die kosmischen Sphären dringen, wo unsere Ahnen residieren und wo unsere Zukunft liegt – sowie die untere Welt – wo unsere Schatten liegen und unser Unterbewusstsein. Mit unserem Atem blasen wir unsere Gebete – zum Beispiel für die Heilung unserer Wunden, die Bitte um Transformation und Schutz und den Wunsch nach Fülle und Zufriedenheit in unserem jetzigen Leben – in diese Quintus (Gebetsblätter) und informieren durch unsere Atemessenz alle drei Welten gleichzeitig.

Das ist eine sehr kraftvolle Heilungsarbeit. Nachdem wir unsere persönlichen Gebete beendet haben, geben wir gemeinsam Gebete und Segnungen für Mutter Erde, Tiere und alle anderen lebenden Wesen in das Bündel. Wir kreieren einen Raum, in dem die Kraft der Gebete deutlich spürbar wird. Mit dem Atem und der Innenschau holen wir toxische Gefühle und alte Traumata ans Licht und können sie loslassen. Wir beteiligen uns ganz aktiv an unserem eigenen Heilungsprozess. Am Ende wird das Despacho in einer Feuerzeremonie verbrannt. Ich habe schon viele wunderschöne Überraschungen in meinem Leben und dem der Teilnehmer meiner Workshops erleben können, nachdem das Despacho verbrannt wurde!

Initiationen

Wir durchlaufen verschiedene Stationen in unserem Leben. Wir werden vom Kind zur Frau oder zum Mann, dann vielleicht zu Mutter oder Vater und zum Ende hin werden wir weise Alte.

Diese Übergänge sind große Schritte und bringen viele Veränderungen in unserem Leben mit sich. Leider werden diese Übergänge viel zu selten bewusst wahrgenommen, geehrt oder sogar gefeiert und von der Gemeinschaft getragen. Die Initiationen, die ich während meiner Lehrzeit bei den Qeros bekommen habe, sind für mich wunderschöne Einweihungen, die mir bewusst machen, wo ich auf meiner Reise stehe. Sie helfen mir, bewusster Übergänge meines Lebens zu meistern und Zeuge zu sein, wie meine Seele wächst und somit auch mein Leben verändert. Diese wunderschönen Einweihungen sind wie Lichtsamen, die in unser Energiefeld gesetzt werden, damit wir zu leuchtenden und bewussten Menschen werden und diesen Planeten hüten. Wir können erst einmal damit beginnen, uns selbst zu ehren und nach dem zu suchen und uns danach auszurichten, was uns und unsere Seele nährt.

Zu den Initiationen gehören auch die Nustas-Karpay-Einweihungen (die sieben göttlichen Einweihungen). Das sind wunderschöne Initiationen, um Männer wie Frauen mit ihrer eigenen urweiblichen Kraft zu verbinden und sie in uns zu aktivieren. Sie öffnen unser Herz und festigen die Verbindung zu unseren Ahnen und zu Mutter Erde. Die sogenannten sieben Nustas sind archetypische Kräfte aus der Natur und verbinden uns mit Kraftorten in Südamerika. Jede dieser Nustas sind auch Göttinnen-Energien und Hüterinnen eines Tempels. Eine der Nusta ist zum Beispiel Mama Serena, die uns mit dem Element Wasser und allem, was fließt, verbindet und den Tempel der Meerjungfrauen hütet. Wir sind dazu aufgefordert, diese Riten in uns wachsen zu lassen, eigene Kraftorte in der Natur zu finden und unsere eigene Verbindung mit den Elementen zu stärken.

Die Nustas Karpays sind Hüterinnen von großem Wissen. Wir können zu ihnen eine ganz persönliche Verbindung kreieren und somit selber zu mystischem Wissen gelangen. Die Einweihungen ermöglichen es, dass sich unsere Chakren harmonisieren und wir schmerzhafte Erfahrungen loslassen können. Jede Einweihung ist eine ganz besondere Zeremonie, in der wir nicht nur dieses Wissen erhalten, sondern auch Blockaden und Schmerz aus unserem Herzen und aus unserem System lösen, wieder Kontakt zu unserem inneren Kind aufnehmen und Freude und Fülle in unser Leben einladen. Eine besondere Initiation ist die Plejaden- Einweihung – Qoto Kuna Karpay. Laut den Qeros sind wir alle Kinder der Sterne, nach ihrer Tradition kommen wir von den Sternen.

Wenn wir unser Seelenlicht zum Leuchten bringen, werden wir ein Stern auf Erden, der Veränderung bringt – allein durch unsere Präsenz. Die Plejaden spielen in der Kosmologie der Inkas und Qeros eine große Rolle. Dieses Geschwistergestirn bringt die Kraft des Lichtes zur Mutter Erde und wir fühlen uns dadurch wieder mehr in uns zu Hause. Diese wunderschöne Sternen-Einweihung hilft uns, tiefsitzende Ängste loszulassen, verschüttetes Potenzial für uns wieder zu entdecken und Licht in unsere Seele zu bringen. Diese Einweihung stärkt unsere Bestimmung in dieser Welt und gibt uns die Kraft und Erdung, diese zu leben.

Vertrauen statt Mauern

Wenn wir uns auf eine innere Reise gemäß der Inka-Tradition begeben und das damit zusammenhängende Wissen in unseren Alltag integrieren und leben, kann unsere innere Weisheit uns stärken und eine neue Orientierung geben. Ich schätze das Wissen der Inkas sehr, da es ein Weg des Herzens ist.

Ich habe durch meine eigene innere Reise sehr viel mehr Freude, Fülle und Zufriedenheit in mein Leben gelassen und da, wo es sich vorher wie Wände angefühlt hat und ich das Gefühl hatte, mein Leben stagniert, haben jetzt Sanftmut, Mitgefühl und Vertrauen Einzug gehalten und das innere Wissen, dass ich meinem Herzen und meiner inneren Stimme folgen kann. All das hat mich darin bestärkt, dass ich auf meinem Lebensweg etwas bewirken kann. Ich möchte nun andere Menschen darin bestärken, die Verbindung zur Natur und den Elementen wieder zu entdecken und Kontakt zu ihrer eigenen Schöpferkraft und der des Universums aufzubauen.

Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar

Deine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.

*