Rituale ermöglichen intensive emotionale und spirituelle Erfahrungen. Für den Übergang vom Jungen zum Jugendlichen hat eine Initiative Potsdamer Väter und Pädagogen eine rituelle Begleitung entwickelt:Phönixzeit!

Biografische Übergänge werden in unserer Kultur nur selten bewusst gestaltet. Mit der Aufklärung wurden traditionelle Übergangsriten für Jungen und Mädchen abgeschafft, ohne zeitgemäßere Formen an ihre Stelle zu setzen. Die meisten Jungen initiieren sich heute selbst, zum Teil durch gefährliche Männlichkeitsbeweise. Konfirmation, Firmung und Jugendweihe unterstützen sie kaum in ihrer Suche nach männlicher Identität. Die Jungen wachsen in eine vielschichtige Gesellschaft hinein. Das Bild des Mannes als „Ernährer“, „Beschützer“ oder „Krieger“ ändert sich so gründlich wie das traditionelle Frauenbild.
In der Phönixzeit werden vierzehnjährige Jungen unterstützt, in eine bessere Verbindung mit sich selbst, ihren eigenen Bedürfnissen, Gefühlen und Vorstellungen zu kommen, auch mit denen, die sie nicht als männlich gelten lassen und deshalb eher abwerten. Sie finden einen besseren Kontakt zu ihren eigenen Qualitäten und Kraftquellen. Dazu müssen sie sich keine Verletzungen zufügen, wie archaische Rituale es verlangen.

Freundschaft statt Konkurrenz

JungenZur Vorbereitung arbeitet das Phönixteam mit den Jungen über drei Monate an den Themen: „Meine Familie und ich“, „Sucht sucht“, „Liebe, Sex und Körper“ und „Freundschaft“. Sinnliche Erlebnisse und Erfahrungen stehen im Vordergrund: Zeiten in der Natur, draußen schlafen, Mücken und Ameisen ertragen, klettern und abseilen, kämpfen, tanzen, feiern, mit Naturmaterialien bauen, schwitzen, am Feuer kochen, gemeinsam essen. Die Erfahrung, von reifen Männern und den anderen Jungen unterstützt und wertgeschätzt zu werden, kann ihr Vertrauen in ein kraftvolles Männerfeld stärken, in dem Freundschaft wichtiger ist als Konkurrenz.

Für die „Phönixtage“, die eigentliche Jugendweihe, verbringen die Jungen und ihre selbst gewählten Paten mit dem Team vier Tage in der Natur. Dazu verabschieden die Eltern ihre Jungen rituell und übergeben sie an die Männer. Nach einer Rückbesinnung auf die Kinderzeit bedankt sich jeder Junge bei seinen Eltern und geht mit ihrem Segen allein durch ein Tor aus jungen Bäumen auf den Männerplatz.

Für den persönlichen Abschied von der Kindheit wird ein Ritual genutzt, für das sich jeder Junge einen Platz im Wald sucht, an dem er vierundzwanzig Stunden fastend verbringen wird. Dieser Platz steht auch symbolisch für den Platz, den er im Leben finden will. Auf das Alleinsein und den Umgang mit der Angst werden die Jungen vorbereitet. Sie lernen Atemübungen kennen, lernen zu singen und ihre Aufmerksamkeit auf das zu lenken, was ihnen Geborgenheit und Schutz vermittelt. Wenn ein Junge Angst bekommt, weiß er, wo er die Männer finden und um Unterstützung bitten kann. Die Fähigkeit, sich Hilfe zu holen, wird genauso gewürdigt wie die Fähigkeit, über Nacht an seinem Platz zu bleiben. Am nächsten Tag wird jeder Junge vom Paten an seinem Platz bewirtet und in den gemeinsamen Kreis zurückgeholt.

Die innere Kraft spüren

Die Wandlung vom Kind zum Jugendlichen wird rituell und kraftvoll begangen. Die einzelnen Schritte bleiben vertraulich, um die Erfahrung der Jungen zu schützen. Den Abschluss bildet eine gemeinsame Schwitzhütte, ein indianisches Reinigungsritual.

Am letzten Tag werden die Jungen wieder an ihre Eltern zurückgegeben. Zur Ehrung der Jungen wird eine Sänfte gebaut, auf der sie zu ihren Eltern und Gästen ein Stück getragen werden. Sie werden mit einer kleinen Zeremonie wieder in den Familienkreis aufgenommen und gefeiert.

Vierundzwanzig Stunden im Wald zu sein, ist für die Jungen die größte Herausforderung. Es beschäftigt sie, diese Zeit ohne Handy und andere Ablenkungen gut zu bestehen. Die Vorstellung „wenn ich das schaffe, spüre ich meine innere Kraft, mit der ich auch andere schwierige Lebenssituationen bestehen kann, ohne davor wegzulaufen“, ist für sie eine wichtige Motivation, sich darauf einzulassen.

Phönixzeit: Reifungsschritt nach außen

Die Jungen werden vom Team darin unterstützt, sich selbst besser wahrzunehmen und aus dieser Selbstwahrnehmung heraus zu handeln. Jeder von ihnen kann sich als einzigartig erleben und erfahren, dass er mit seinem Anderssein akzeptiert ist. Dadurch entsteht Selbstsicherheit. Er spürt seine Grenzen und lernt, dass er sich dafür entscheiden kann, sie zu erweitern oder zu respektieren.

Rituelle Handlungen sind sehr wirksam, weil sie viel konzentrierter ausgeführt werden als im Alltag und in einem größeren Sinnzusammenhang stehen. Sie entfalten ihre Wirkung, wenn die Jungen einen Bezug zu ihren Erfahrungen und Lebensperspektiven herstellen können. Gelungene Initiation verdeutlicht einen Reifungsschritt nach außen. Die Rituale sind emotionale Höhepunkte, an die sie sich jahrelang erinnern können.

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