Rockstar Tina Turner auf ungewohnt leisen & spirituellen Pfaden

Mitte Juni ist eine ganz besondere CD auf den Markt gekommen, die den offiziellen Segen seiner Heiligkeit des Dalai Lama und des Abtes Martin Werlen von Einsiedeln besitzt. „Beyond“ verbindet spirituelle Texte, gesprochen von Soul-Legende Tina Turner, mit den von Dechen Shakh Dagsay und Regula Curti gesungenen christlichen und tibetischen Mantren. Magisch, betörend, ekstatisch, getragen, meditativ – die drei Frauen wollen mit diesen Gebeten Körper, Geist und Seele ansprechen, das Leben und die Liebe feiern, durch die Kraft der Musik die Spiritualität und den göttlichen Funken in allen für alle erfahrbar machen und die Menschen auf dieser Welle in ein neues Bewusstsein tragen.

In den Universal Studios in Berlin trafen wir die tibetische Sängerin und die Schweizer Musiktherapeutin zu einem Interview und erfuhren, wie es zu dem Musikprojekt Beyond kam, welche Botschaft es transportiert und wie Tina Turner – selbst seit Jahrzehnten Buddhistin – mit ins Boot kam.

 

Wie haben Sie beide – auch spirituell – zusammengefunden?
Dechen Shak Dagsay: Das war eher eine klangliche Zusammenfindung. Vor zehn Jahren ist meine erste CD erschienen. Bevor Regula mich kannte, hat sie zuerst meine Stimme gekannt – sie hat dann herausgefunden, dass ich nicht auf irgendeinem Berg im Himalaya sitze, sondern quasi auf der anderen Seeseite von ihr wohne. Sie hat mich dann eingeladen, und das war der Beginn einer schönen und besonderen Freundschaft.

Regula, es gab einen Punkt in Ihrem Leben, wo Sie durch Krankheit Ihre Stimme verloren hatten – wie fanden Sie sie wieder?

Regula Curti: Ich litt, woran heute viele leiden: Ich war zu gestresst, hatte zu hohe Erwartungen an mich und stand körperlich unter sehr starker Anspannung und Druck – und dann ist mir das Liebste genommen worden, nämlich mein Kommunikationsorgan, meine Stimme. Durch die Überstrapazierung der Stimmbänder konnte ich fast ein Jahr lang kaum sprechen. Ich habe mich dann mit Entspannungstechniken wie Yoga beschäftigt und buddhistischen Heilmantren und neue Wege der Heilung und Ganzwerdung gesucht, bis meine Stimme und mein Körper wieder im Ein- und Wohlklang miteinander waren.

Also war es für Sie eine Art spiritueller Heilung?

Regula: Ja! Ich führe heute ganz sicher ein anderes Leben, mit anderen Vorzeichen, Zielen und anderem Sein als früher. Ich habe dann angefangen, tibetische Mantren zu singen. Irgendwann kam dann das Schlüsselerlebnis: Ich bin ja Christin! Wo sind diese Lieder? Da schloss sich der Kreis und führte auch zu “Beyond”.

Wie würden Sie selbst Ihre Musik beschreiben?
Regula: Wir wollten einen Universalsound schaffen, der für jung und alt gut hörbar ist und eine möglichst große Hörerschaft anspricht. Denn es ist für uns ein großes Anliegen, dass sich möglichst viele in diese Klangwelt hineinhören können. Eine Musik, die nach innen führt und auch nach außen öffnet. Man kann dazu tanzen und singen – aber auch sich hinlegen und den Stimmen und der Musik einfach lauschen.

Welche Instrumente kommen zum Einsatz?

Regula: Grundsätzlich war unser Ansatz, durch die Instrumentalisierung Ost und West zusammenzuführen. Und es sind in der Tat eine ganze Anzahl von Instrumenten enthalten, um diese  Klangwelt zu schaffen. Da gibt es Alphörner und Zimbeln, dann erklingen auf einmal tibetische Trommeln und Rhythmusinstrumente, die Buddhisten und Tibeter verwenden. Wir haben das alles nicht getrennt gehalten, sondern immer wieder sind die Weltkulturen musikalisch zusammengeflossen. Es ist ein stetiger Wechsel von stark verwobenen Berührungen und Trennungen der Kulturen.

Schreckt das Image christlicher Lieder – angesichts einer immer offeneren Spiritualität – Menschen heutzutage nicht eher ab?
Regula: Ich habe mich ja entschlossen lateinisch zu singen, und das bringt uns zurück zum frühen Christentum. Da entsteht einfach dieser Effekt nicht. Dadurch, dass die Leute nicht verstehen, was gesungen wird, ist es wieder neutraler, dann ist es wie Sanskrit, wie tibetische oder indische Gesänge. Es ist wieder magisch. Ich habe ganz bewusst keine neueren Kirchengesänge gesungen, weil ich dort keine Kraft mehr finde. Die wurden nicht über Jahrtausende gesungen, sondern arrangiert und gemacht, um junge Leute wieder in die Kirche zu locken. Ich finde, das ist schon an sich ein falscher Ansatz.

Sie wurden ja von Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama und dem Abt Martin Werlen von Einsiedeln zu „Beyond“ inspiriert – hatten Sie zu einem von beiden schon persönlichen Kontakt? Wie entstand die Idee zu „Beyond“?
Dechen: 2005 haben Regula und ich ein interreligiöses Treffen mit beiden organisiert. Die Kernbotschaft beider war: Bleibt bei euren Wurzeln, seid offen für die anderen. Das haben wir beide uns sehr zu Herzen genommen. Seine Heiligkeit legt sehr großen Wert darauf, dass interreligiöse Beziehungen gepflegt werden. Er fand das Projekt sehr schön und wichtig. Ab dem Moment, wo dieses Statement in unseren Händen war, wussten wir, das wird keine gewöhnliche CD – sie hat eine Berufung. Diese Offenheit, dieses Aufeinander-Zugehen – das ist im Sinne der beiden Religionsführer und sicher im Sinne von ganz vielen Menschen.

Fließen Gelder der CD auch in die Projekte von Dechen in Tibet, die sie im Namen ihrer Mutter weiterführt?
Dechen: Ja, das ist ein ganz wichtiger Aspekt! „Beyond“ ist ein hunderprozentiges Benefiz-Projekt und die Einnahmen gehen je zu einem Drittel in die Stiftungen von Regula, Tina und mir. Es ist etwas ganz Besonderes, diese Möglichkeit zu haben. Die spirituellen Gesänge gehören dem Universum, und so geben wir etwas in den Kreislauf zurück.

Ihr Album-Titel „Beyond“ bezieht sich ja auf ein Zitat des persischen Sufi-Mystikers und Dichters Rumi. Frei interpretiert könnte man sagen, dass es sich um ein Treffen der Spiritualität – abseits der festgefahrenen religiösen Pfade handelt?
Regula: Ja, „Beyond“ ist eine Verbindung. Go Beyond, gehe darüber hinaus, um das Verbindende zu finden, zwischen Kulturen, Religionen und vor allem zwischen den Menschen. Wenn wir uns zu stark in einer engen begrenzten Welt bewegen, dann ist diese Verbindung sehr schwierig zu finden.

Ist dann damit eine Fusion der Religionen in der Zukunft gemeint?

Regula: Nein, es ist eine neue globale Spiritualität, aber ohne die eigenen Wurzeln zu verlieren.
Dechen: Genau, das ist uns sehr wichtig, dass wir unsere Wurzeln behalten und sie nähren, damit sie nicht vertrocknen.

Die Zusammenarbeit mit einem Weltstar wie Tina Turner ist für das Projekt „Beyond“ein richtiger Publicity-Coup und hat ja sicher seine kleine Geschichte. Wie kam es dazu?

Dechen: Es ist ja wirklich nicht alltäglich, dass man einen solchen Weltstar für ein Projekt gewinnen kann. Wir wollten den richtigen Rahmen dafür finden und haben uns überlegt, wie wir jetzt wirklich ganz viele Menschen auf dieser Welt erreichen. Dank der Tatsache, dass Regula schon vorher einen persönlichen Kontakt zu Tina hatte, haben wir diese Möglichkeit gefunden und mit ihr, einem bekannten Star, zusammen diese CD aufgenommen.
Regula: Mein Mann hatte in dem Haus gewohnt, das Tina gekauft hat. Und sie wollte einfach die Vorgeschichte des Gebäudes kennenlernen, die Menschen, die vorher darin gewohnt haben. Sie hat dann meinen Mann eingeladen, und so haben wir sie kennen gelernt. Dabei hat sich ein zarter Kontakt auf einer persönlichen spirituellen Ebene ergeben, was von sehr viel gegenseitigem Vertrauen begleitet war. Und als ich soweit war und konkret wusste, um was ich sie bitten möchte, habe ich direkt mit ihr Kontakt aufgenommen. Ich rief sie an und hatte das Glück, dass ihre ganzen Angestellten nicht zu Hause waren und so war sie direkt am Telefon. Und sie hörte aus meiner Stimme heraus, dass ich sehr emotional war, und sie sagte: „Komm vorbei“. Als ich ihr dann von meiner Vision erzählte, dass ich sie bei diesem Projekt dabei sehe, sagte sie: „Ich warte schon ganz lange auf diesen Moment, es wird nicht einfach sein, aber ich mache es“.

Ist „Beyond“ für sie abgeschlossen, oder wird es weitere Projekte  geben, vielleicht auch mit anderen bekannten Künstlern, die sich zu ihrer Spiritualität bekennen?

Regula: Die Vision hatten wir schon, dass es schön wäre, dieses Projekt mit allen Weltreligionen bewerkstelligen zu können. Und da ist natürlich auch die Frage: Ist das musikalisch möglich? Finden wir die geeigneten Personen? Zum Beispiel eine jüdische, muslimische oder hinduistische Stimme… Wobei ich denke, dass die schon auf uns zukommen werden. Wenn wichtige Dinge geschehen sollen, dann ergeben sie sich oft fast von selbst. Das war auch die Grundenergie dieses Projekts, dass es sich fast von selbst getragen und entwickelt hat, ohne Druck und zuviel „Mache“.
Dechen: Wir sind ganz offen für das, was auch immer jetzt kommt. Aber jetzt hoffen wir, das heißt, es ist eine ganz große Wunsch-Vision, dass Beyond so eine richtige „Go Beyond Singing“-Bewegung auslöst. Dass man sagt, wenn zum Beispiel in Büros oder Familien Konflikte entstehen: „Komm, wir gehen Beyond!“ Weil es wie Medizin ist und hilft, frei zu werden.

Möchten sie unseren Lesern noch etwas mit auf den Weg geben?
Regula: Die CD trägt auch eine wichtige Frauen-Botschaft, übermittelt von einer Asiatin, einer schwarzen und einer weißen Frau. Wir sind beide 50 und in der Mitte unseres Lebens, Tina ist 70, aber wenn wir uns zusammenschließen, dann haben wir durch das Gemeinsame eine Kraft, etwas mitzuteilen, wir haben etwas zu sagen. Das Ganze – gerade bei uns Frauen – ohne Eifersucht, ohne Konkurrenz. Jeden in den Vordergrund zu stellen und zu sagen: „Wir sind alle stark, es ist keiner besser oder schlechter als der andere. We are all the same.“ Es ist eine besondere Nachricht an die Frauen, füreinander einzustehen und die Welt zu heilen – wobei Männer das natürlich auch können!
Dechen: Die Kraft des Gesangs trägt dich über alle Grenzen. Gehe darüber hinaus, steh darüber. Go Beyond!

Auf www.beyondsinging.com kann man in “Beyond” hineinhören und Mantren zum Mitsingen runterladen.

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2 Responses

  1. stefan

    Zu dem Bericht Projekt „Beyond“: Grenzen überschreiten mit der Kraft des Gesangs:
    Ich habe im Bericht das Wort „seiner Heiligkeit“ gelesen, dies ist Unterwürfigkeit wie die Katholiken zum Papst. Ich darf immer wieder erinnern und erwähnen was die geistige Welt uns Menschen mitteilt, dass wir sie nicht als Götter betrachten sollen oder als mehr Wertvoll oder Höhergestellte als wir Menschen. Diese Unterscheidung ist ein mentaler Vorgang und existiert nur in der 3D Welt. Vor der Quelle sind alle Kinder von Gaia heilig und gleich, auch die Tiere.
    Stefan

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  2. Claudia

    Sein.de ist eine sehr interessante Internetadresse mit vielen Informationen über die verschiedensten Gruppen und Initiativen. Von der Spiritualität bis zur Ökologie sind hier viele Bereiche angesprochen die auch mich interessieren.
    Auf diese Internetadresse gekommen bin ich über die Initiative „Aufbruch -anders besser leben“. Bei dieser Gruppe hatte ich mich schon vor längerer Zeit als Interessent eintragen lassen.
    Ich finde es wichtig das man diese vielen Bewegungen zusammenbringt, gemeinsame Ziele formuliert und versucht diese zu erreichen. Jeder auf dem Weg der ihm am wichtigsten ist. Wobei aber immer das „Wir“ über dem „Ich“ stehen muss!

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