Interview mit Christine Rinke

Stressbewältigung hat immer auch mit Bewusstseinsentwicklung zu tun. Und mit Tun – wenn wir Erkenntnisse nicht umsetzen, ändert sich nichts. Wie wir dem Stress am besten auf die Spur kommen und lernen mit ihm umzugehen, erklärt die Stressbewältigungs- Trainerin Christine Rinke im Interview.

Frau Rinke, Was ist  Ihrer Meinung nach entscheidend, damit wir Stress bewältigen können?

Christine Rinke: Entscheidend ist, die tatsächlichen Stressoren zu identifizieren. Oftmals ist es nämlich nicht nur die Quantität der zu bewältigenden Aufgaben, sondern auch das „Was“ (ich tue) und das „Wie“ (ich es tue) sowie die jeweilige innere Einstellung dazu.

Können Sie uns ein kurzes Beispiel nennen?

Christine Rinke: Um es zu verdeutlichen: Wenn eine Person z. B. den Anspruch hat, dass in ihrem Arbeitsumfeld möglichst alles perfekt, pünktlich und geordnet vonstatten geht, jedoch in einem Umfeld arbeitet, in dem Abläufe nicht präzise planbar und vorhersehbar sind, nehmen wir als Beispiel ein Krankenhaus, dann hat sie einen inneren, meist unbewussten Konflikt, der auf Dauer sehr kräftezehrend wirkt. Das ist wie gegen Windmühlen zu kämpfen.

Was hilft in einem solchen Fall?

Christine Rinke: Es gibt keine Null-Acht-Fünfzehn-Lösung. Die Lösung ist immer so individuell wie die Menschen selbst. Es hilft allerdings, sich die Zusammenhänge wirklich einmal bewusst zu machen. Der innere Antreiber:  „Ich/Es muss immer perfekt sein“ lässt sich z. B. wunderbar hinterfragen mit: „Sonst passiert was?“ Damit kommt man sich selbst schon ein Stück weit auf die Spur, und das führt oft zu einem erhellenden „AHA“-Effekt.

Burn-out ist bei Frauen eines der häufigsten Symptome in unserer modernen Gesellschaft. Wie kommt das?

Christine Rinke: Das liegt sicherlich an den vielen unterschiedlichen Rollen, die Frauen gleichzeitig innehaben, und an ihrem Anspruch, alles „mindestens hervorragend“ zu machen. Da kommt es vor, dass Erschöpfungssymptome als Feinde betrachtet werden, die besiegt werden wollen. Üblicherweise wird dazu noch mehr Willenskraft eingesetzt und sich noch mehr angestrengt! Ein Teufelskreis.
 

Es gibt ja meterweise Ratgeber und vielfältige Angebote zum Thema Entspannung und Stressbewältigung. Warum kommen die Menschen meistens damit nicht wirklich voran?

Christine Rinke: Weil Stressbewältigung eben individuell und mit dem Thema eine Bewusstseinsbildung verbunden ist, die etwas mehr Zeit und Initiative braucht. In letzter Konsequenz geht es natürlich um die Umsetzung der neu erworbenen Erkenntnisse. Ohne dieses TUN bleibt alles so, wie es ist. Es gehört auch etwas Mut dazu, eingetretene Pfade zu verlassen.

Wie behandeln Sie diesen Themenkomplex in Ihrer Beratung?

Christine Rinke: Achtsamkeit und Prävention sind Schlüsselthemen. Ich arbeite auf mehreren Ebenen, individuell und in der Gruppe. Ich lege auch Wert auf die Feststellung, welche Form der Erschöpfung vorliegt, um gezielt intervenieren zu können. Handelt es sich um eine akute Situation oder vielleicht schon um einen längeren Verlauf? Bei ersteren bringen Sofortstrategien von gutem Zeitmanagement, Loslassen von Ballast und ausgewählte körperliche Entspannungstechniken schnell gute Ergebnisse. Im zweiten Fall ist es zusätzlich sinnvoll, etwas tiefer in die Struktur der Persönlichkeit hineinzuschauen.

Wenn Frauen in der Erschöpfungsfalle sitzen, haben Sie bereits sehr lange Zeit ihre Energien überall hingetragen und das Auftanken vergessen. Wie helfen Sie Ihren Klientinnen, wieder mehr Lebensqualität zu erlangen?

Christine Rinke: Zu Anfang unterstütze ich diesen Prozess gerne mit einer Selbst-Reflexions-Strategie: Wie sieht mein inneres unbewusstes Leistungsskript aus? Woher kommt meine Energie, wohin geht sie? Welche Werte habe ich und welche haben zur Zeit Priorität? Wer sind meine Förderer? Wer oder was sind meine Saboteure? Wie sieht es aus mit meiner körperlichen, mentalen und seelischen Gesundheit? Etc. Alternative Handlungsstrategien können ja nur dann sinnvoll und dauerhaft entwickelt werden, wenn ich weiß, worum es bei mir eigentlich geht. Alles andere kratzt nur an der Oberfläche und führt langfristig nicht wirklich zu zufriedenstellenden Ergebnissen.

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Über den Autor

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Christine Rinke ist Diplom-Kommunikationswirtin – Personal Coach und zertifizierte Stressbewältigungstrainerin: „Besonders bewährt hat sich auch die Möglichkeit, unterstützend mit einer von mir erstellten, individuellen Tiefenentspannungs-CD zu arbeiten. Tägliche Tiefenentspannung stellt eine ausgezeichnete Vorsorge dar und lädt unsere innere Batterie wieder auf. Positive Formeln bereiten das Fundament für eine handlungsorientierte Veränderung.“

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