Rolfing: ins Lot kommen 17. März 2009 Atem & Bewegung Stress, einseitige Belastungen oder schwere Verletzungen können die natürlichen Bewegungsabläufe im Körper aus dem Gleichgewicht bringen. Beschwerden im Rücken- oder Nackenbereich sind die klassischen Begleiter. Rolfing, eine gezielte Behandlung des zähen Bindegewebes, richtet den Körper in der Schwerkraft neu aus und löst so schmerzhafte Verspannungen auf. Ulla Schweitzer hat vieles ausprobiert: Rückengymnastik, Krafttraining, aber auch alternative Methoden –doch ihre Rückenprobleme bekam sie nicht in den Griff. Langes Stehen war für die hoch gewachsene 44-Jährige immer schmerzhaft, ihren Rucksack konnte sie kaum ein paar Stunden auf den Schultern tragen. Manchmal ließen die Beschwerden für kurze Zeit nach, doch sobald eine Behandlung endete, kehrten auch die Schmerzen zurück. Schließlich besuchte sie eine Rolfing-Therapeutin. Rolfing ist eine ganzheitliche Körperarbeit, eine manuelle Behandlung des zähen Bindegewebes, der „Faszien“. Dieses zusammenhängende Gewebenetz umgibt Muskeln, Knochen, Gelenke und Organe wie eine Hülle, strukturiert und stabilisiert die Körpersegmente in ihrer Ausrichtung zueinander – deshalb wird es auch „das Organ der Form“ genannt. Begründerin von Rolfing ist die nordamerikanische Biochemikerin Dr. Ida Rolf. Auf der Basis von Osteopathie und Yoga entwickelte Rolf in den fünfziger Jahren ihre Methode zur Ausrichtung des Körpers in der Schwerkraft. Schon früh beschrieb sie dabei die Bedeutung der Faszien für die Körperhaltung. Schulmedizinisch war dieser Zusammenhang lange Zeit umstritten, die Faszien galten als passives Gewebe. Neueste wissenschaftliche Studien belegen jedoch erstmals den Einfluss des Bindegewebes auf den Muskeltonus. Leben in der Senkrechten Das Besondere an der Rolfing-Methode ist, dass sie die Schwerkraft als heilende Kraft in die Behandlung einbezieht. In ihrer natürlichen Ausrichtung sind die Segmente des Körpers lotrecht in der Schwerkraft angeordnet. Wie ein Turm aus Bauklötzen, der am stabilsten ist, wenn alle Steine passgenau übereinander liegen, bewegt sich auch der Körper optimal in dieser Senkrechten. Äußere Einflüsse wie einseitige Belastungen – zum Beispiel stereotype Bewegungen am Arbeitsplatz oder antrainierte Fehlhaltungen – können den Bewegungsapparat jedoch aus der Balance bringen. Die Körpersegmente verschieben sich und sind plötzlich dem Druck der Schwerkraft ungleichmäßig ausgesetzt. Das Fasziennetz reagiert mit Anpassung: Dort, wo die Belastung zunimmt, wächst das Gewebe übermäßig, verhärtet sich und fixiert die ungesunde Haltung. Die Gelenke verlieren an Beweglichkeit, die Muskeln verspannen sich, sogar die Atmung wird flacher. Nicht immer ist dieser Zustand mit Schmerzen verbunden, viele Menschen fühlen sich einfach unbeweglich, kurzatmig oder fremd im eigenen Körper. Andere kämpfen beständig gegen ein inneres „Korsett“ an, ohne dass es ihnen gelingt, ihren Bewegungsradius zu erweitern. Das betrifft zum Beispiel Leistungssportler, Tänzer oder Menschen, die Yoga praktizieren. Aber auch Musiker machen die Erfahrung, dass etwa Verspannungen im Brustbereich oder in den Schultern den Klang der Stimme einschränken und den Ausdruck der Instrumente beeinträchtigen. Raus aus dem Gewebekorsett Rolfing befreit den Körper aus seinem Gewebekorsett. Durch sanfte Impulse oder intensive Berührungen mit den Händen spüren Rolfing-Therapeuten innere Verhärtungen auf, lösen verklebte Fasern und dehnen das Bindegewebe an Kopf, Rumpf, Rücken, Becken, Armen und Beinen. Eine klassische Rolfing-Sequenz umfasst zehn systematisch aufeinander aufbauende Sitzungen, die jeweils einem Thema gewidmet sind: zum Beispiel der Atmung, dem Bodenkontakt oder der Position des Kopfes. Keine Rolfing-Sitzung gleicht der anderen. Gemeinsam mit dem Klienten analysiert der Rolfer die Körperhaltung und entwickelt daraus eine individuelle Behandlung. Im Lauf einer Serie finden die Körpersegmente Schritt für Schritt eine bessere Position, der Körper richtet sich auf, wird beweglicher und elastischer. Häufig verschwinden dabei akute oder chronische Kopfschmerzen, Nackenverspannungen und Rückenbeschwerden dauerhaft. Dennoch zielt Rolfing nicht auf die Behandlung von Symptomen, es ist vielmehr ein Prozess, der Veränderungen auf ganz unterschiedlichen Ebenen anstoßen kann. Ulla Schweitzer: „Ich habe nicht nur meine Schmerzen verloren und fühle mich körperlich aufgerichtet. Ich gehe auch emotional selbstbewusster und „aufrechter“ durchs Leben, bin wieder mit mir selbst im Einklang. Zudem lerne ich, meine Bewegungen sensibler wahrzunehmen und Fehlhaltungen zu vermeiden.“ Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar Antwort abbrechenDeine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.KommentarName* E-Mail* Meinen Namen, meine E-Mail-Adresse und meine Website in diesem Browser, für die nächste Kommentierung, speichern. Überschrift E-Mail-Benachrichtigung bei weiteren Kommentaren.Auch möglich: Abo ohne Kommentar. Durch Deinen Klick auf "SENDEN" bestätigst Du Dein Einverständnis mit unseren aktuellen Kommentarregeln.