Der indische Yogi, Visionär und spirituelle Meister Sadhguru über Yoga und warum damit alles eins wird.

Früher war es in Indien üblich, dass sich 200 bis 300 Menschen ein gemeinsames Zuhause teilen, weil Ehemann, Ehefrau, Kinder, Großvater, Großmutter, Onkel, Tanten, Großonkel, Großtanten, Cousins und Cousinen alle zur Familie gehörten. Mit zunehmender Bildung verstanden wir Familie als Ehemann, Ehefrau, Kinder und Großeltern. Später bedeutete Familie für uns nur noch Ehemann, Ehefrau und Kinder. Mittlerweile schaffen es Paare kaum noch zusammen zu leben. Sie kommen nur noch dann einigermaßen miteinander zurecht, wenn sie wenig Zeit miteinander verbringen oder eine Wochenendbeziehung führen.

Dies hat sich so entwickelt, weil wir uns immer mehr von anderen abgrenzen, anstatt uns mit ihnen verbunden zu fühlen. Moderne Gesellschaften stärken diese Exklusivität. Nie zuvor hatten die Menschen derartige Bequemlichkeiten, Annehmlichkeiten, Nahrungssicherheit und Gesundheitsversorgung genossen. Aber nie zuvor waren die Menschen so deprimiert. Das liegt vor allem daran, dass sie mit niemandem mehr auskommen. Sie sind zu exklusiv geworden. Verbundenheit mit anderen stärkt Beziehungen. Der Ausschluss anderer führt zu Depression.

Yoga bedeutet, mit allem eins zu werden

Das Wort Yoga bedeutet wörtlich Einheit. Yoga heißt nicht, dass du deine Glieder verknotest, den Atem anhältst oder irgendeinen anderen Zirkus anstellst. Yoga bedeutet, dass in deiner Erfahrung alles eins geworden ist. Wie kann alles eins werden? Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die ganze Existenz eine Energie ist, die sich millionenfach, auf unterschiedlichste Weise manifestiert. Alles ist letztendlich dieselbe Energie. Vielleicht scheint es in deiner Wahrnehmung anders zu sein, aber in Wirklichkeit ist es so, wie auch die Wissenschaft bestätigt. Die Weltreligionen predigen schon lange, dass Gott überall ist. Ob du sagst, Gott ist überall, oder ob du sagst, alles ist dieselbe Energie – beides beschreibt letztendlich dieselbe Realität.

Ein Wissenschaftler hat diese Wirklichkeit nicht erfahren – er hat sie wissenschaftlich abgeleitet. Ein religiöser Mensch hat sie auch nicht erfahren, aber er glaubt daran. Als Yogi bezeichnet man jemanden, der sich nicht auf Herleitungen einlassen oder Glaubenssysteme übernehmen will – er möchte es wirklich wissen. Wenn du ein solches Verlangen hast, wenn du dich nicht mit den Schlussfolgerungen oder Glaubenssystemen anderer begnügen möchtest, dann solltest du den Weg des Yoga beschreiten.

Alles, was zu dieser Einheit führt, ist Yoga

Es gibt verschiedene Wege, diese Einheit zu erreichen. Grundsätzlich gibt es vier Realitäten, über die du dich bislang definierst: Körper, Geist, Gefühle und Energie. Falls letztere bislang nicht in deinem Erfahrungsfeld liegt, kannst du dennoch leicht schlussfolgern, dass wenn Körper, Geist und Gefühle so funktionieren, wie sie es tun, es eine Energie geben muss, die dies alles ermöglicht.

Wenn du deinen Körper nutzt, um deine absolute Natur zu finden, nennen wir das Karma-Yoga – Yoga der Handlung. Wenn du deine Intelligenz verwendest, um deine absolute Natur zu finden, nennen wir das Jnana-Yoga – Yoga der Erkenntnis. Wenn du deine Gefühle einsetzt, um deine absolute Natur zu finden, nennen wir das Bhakti-Yoga ‒ Yoga der Hingabe oder des Gefühls. Wenn du deine inneren Energien transformierst, um deine absolute Natur zu finden, nennen wir das Kriya-Yoga – Yoga der Energie.

Jeder ist eine einzigartige Kombination von Körper, Geist, Gefühl und Energie. All diese vier Aspekte müssen miteinander in Einklang sein, damit du vorankommst. Gutes Yoga besteht darin, diese vier Aspekt im richtigen Verhältnis anzugehen. Aus diesem Grund wird in der yogischen Tradition so viel Wert darauf gelegt, einen lebendigen Meister zu haben, der für die richtige Zusammensetzung sorgt.

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