Schmerz, mein lebenslanger Begleiter 7. August 2008 Therapie Ohne Leidenstage ist das Leben eine Blüte, der kein Duft gegeben Wirf die Blumen nicht weg, schnelle Strömung ist dort: und das Flusswasser trägt Die Vergissmeinicht fort. Eine Blume bedenk, ist ein schönes Geschenk. Darum gleitet sie schnell auf der klaren Flut weg ins Unendliche weit. Wirf ins Wasser den Stein – und der fällt auf den Grund wie das Herz seine Pein so verbirgt ihn der Schlund. Auch der Lebensstrom muss Alles was uns hier freut Wie dein Blümchen im Fluss Muss es forttragen weit. Wie die Blume enteilt auch kein Traum je verweilt. – In den Tiefen doch stumm, auf dem Grunde herumliegen Steine allein. (Julia Schadowskaja) Diesen Beitrag über den Schmerz schreibe ich schon das dritte Mal, weil es bedeutet, mich schonungslos meinem Schmerz zu stellen, der sich wie ein roter Faden durch mein Leben zieht. Es bedeutet zu sehen, dass ich oft bewusst aneck(t)e, damit die Menschen merkten, dass meine Mutter Recht hatte, wenn sie mich ein schreckliches Mensch nannte. Das Mensch war ein Schimpfwort und tat weh wie ein Brandmal. Mein erster Liebeskummer tat auch weh. Als meine Freundin mir ihre Freundschaft aufkündigte, weinte ich tagelang. Doch in den Schmerz mischte sich eine süße Trauer, die mich tiefer fühlen ließ. Denn: Ohne Leidenstage ist das Leben eine Blüte, der kein Duft gegeben. Doch dann bescherte mir das Leben einiges, das mich an den Rand der Depression brachte. Depressionen seien nicht gefühlte Gefühle, wie Arthur Janov in seinem 1973 erschienen Buch Der Urschrei erklärte. Wie ich hofften viele Menschen, Primärtherapie sei die Therapie und dass sie von ihrem Schmerz befreit würden, wenn sie in ihre frühe Kindheit zurückkehrten und den Schmerz herausschreien könnten. Wieder hatte ich mich in einen Mann verliebt, der meine Liebe nicht erwiderte, und fühlte mich schlecht. Überzeugt, dass frühere Traumata den Verlust so riesig machten, versuchte ich, von einem Freund persönlich und am Telefon unterstützt, in “feelings” zu kommen und mich den alten Ängsten zu stellen. Meine schmerzhafte Migräne verschwand, ein schneller Erfolg? Später schloss ich mich einer Selbsthilfegruppe an. Bald überflutete mich seelischer Schmerz, der einige Tage anhielt. Schreien brachte etwas Erleichterung. Doch auch in einer dreiwöchigen Intensivphase bei einem von Janov ausgebildeten Therapeuten in Berlin kam ich dem Schmerz nicht auf den Grund. Primärmarathons halfen nur vorübergehend. Einmal lief ich aus einem Theater in den Kreuzbergpark und suchte mir einen Platz, wo ich schreien konnte. Die Büchse der Pandora Wenn ich erzählte, dass ich oft morgens mit seelischem Schmerz aufwachte, konnte das kaum jemand nachvollziehen. Deshalb verschwieg ich es. Dass es mir nicht allein so ging, las ich in Psychologie Heute in einem Artikel von Alice Miller, Autorin des Buches Das Drama des begabten Kindes. Sie hatte gehofft, Primärtherapie sei der Weg aus allem Leid, musste aber erkennen, dass die Patienten des Schweizer Primärtherapeuten Konrad Stettbacher über Jahre in ihrem Urschmerz gefangen blieben und nicht, wie er in seinem Buch Wenn Leiden einen Sinn haben soll geschrieben hatte, anderen Menschen helfen konnten. Jahre später schrieb Peter Schellenbaum Die Wunde der Ungeliebten und im Stichwortverzeichnis von Gay und Kathleen Hendricks‘ Buch Liebe macht stark sind 18 Hinweise auf den Schmerz zu finden. Trainings bei Peter und Kathleen haben mir sehr geholfen. Im Essencia®-Training von Michael Plesse befasste ich mich in einer Partnerübung mit der letzten Zeile des Volksliedes: Horch was kommt von draußen rein? Geh ich in mein Kämmerlein, bleib‘ mit meinem Schmerz allein, die ich jahrzehntelang vor meinem inneren Ohr gehört hatte. Die Stimme ist verstummt, ohne dass ich weiß, wie es geschah. Der Schmerz, mein bester Freund Der Schmerz brachte und bringt mich immer wieder zurück auf den Weg. Es geht mir nicht immer schlecht. Wie den Schmerz fühlte ich auch Freude und Glück. Weil ich lernte, allein zu sein, fand ich auch meinen Partner. Es gibt immer wieder Dinge, die mich belasten, die ich aber aushalten muss, weil ich sie nicht ändern kann. Nichts zu fühlen, ist schlimmer als Schmerzen zu ertragen. Nicht mehr weinen zu können. Erstarrt zu sein. Welche Erlösung, wenn die Tränen fließen, wenn ich spüren kann, was mich verletzt hat. Es kann heute noch geschehen, dass ich von meinen tiefen Gefühlen abgeschnitten bin, doch wenn ich der Ursache nachgehe, merke ich, dass ich nicht achtsam genug war. So, wie körperlicher Schmerz davor schützt, mich zu verletzen, mahnt mich der seelische, meiner Seele genug Aufmerksamkeit zu schenken und die Stelle in meinem Körper aufzusuchen, an der meine Essenz sitzt. Ich atme einige Male tief und öffne mich für die Freude. Dann kann ich wieder dankbar sein, dass ich noch ziemlich gesund bin und mit meinem Mann nach all den Jahren immer noch so glücklich zusammen lebe. Zeichnung: Nila Sebastian Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar Antwort abbrechenDeine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.KommentarName* E-Mail* Meinen Namen, meine E-Mail-Adresse und meine Website in diesem Browser für die nächste Kommentierung speichern. Überschrift E-Mail-Benachrichtigung bei weiteren Kommentaren.Auch möglich: Abo ohne Kommentar. Durch Deinen Klick auf "SENDEN" bestätigst Du Dein Einverständnis mit unseren aktuellen Kommentarregeln.