Die Möglichkeiten des freien Gesundheitsberufes

Heilende und helfende Berufe haben schon seit jeher eine gewisse Faszination ausgeübt. Viele Menschen kommen aus eigener Betroffenheit zu dieser Tätigkeit, andere wollen helfen oder haben einen Pflegefall in der Familie, wieder andere wollen am ertragreichsten Segment unserer Wirtschaft teilhaben. Wer sich in einem Gesundheitsberuf selbständig machen bzw. seinen vorhandenen Beruf erweitern möchte, sollte sich jedoch vorab genauer über die Möglichkeiten informieren. Zum einen, um fachlich für sich die ideale Branche zu finden, zum anderen, um auch eine Entscheidungsgrundlage in Bezug auf den rechtlichen Rahmen zu haben.

 

Wir sprachen mit Ina Gutsch, der Leiterin der Privaten Fachschule für Naturheilkunde und praktizierenden Heilpraktikerin über die beruflichen Möglichkeiten und Risiken in der Gesundheitsbranche und speziell des freien Gesundheitsberufes.

 

SEIN: Frau Gutsch, welche verschiedenen beruflichen Ausrichtungen gibt es für diejenigen, die sich in der Gesundheitsbranche selbständig machen wollen?

 

Ina Gutsch: Zunächst sollte man sich überlegen, ob man Krankheiten behandeln, ob man eher beratend tätig sein oder ob man (nicht-medizinische) Anwendungen geben möchte. Medizinische und behandelnde Tätigkeiten erfordern als Mindestqualifikation die bestandene Überprüfung zum Heilpraktiker. Einige Tätigkeiten sind jedoch speziellen Branchen vorbehalten, wie zum Beispiel Ergotherapie oder die Hebammentätigkeit.

 

Welche Berufsbilder kommen dafür infrage, für die man nicht studieren muss?

 

Hier können wir vor allem unterscheiden zwischen:

a) reglementierten Gesundheitsberufen, die ausschließlich weisungsgebunden arbeiten dürfen und
ein eigenes Berufsgesetz haben. Dies sind zum Beispiel Physiotherapeuten, Ergotherapeuten oder auch Hebammen. Früher nannte man sie die Heilhilfsberufe.

b) dem Psychologischen Psychotherapeut, der auf die Psychotherapie spezialisiert ist

c) dem Heilpraktiker als medizinischen Beruf und

d) dem freien Gesundheitsberuf.

 

Die ersten drei Berufsgruppen sind weitgehend bekannt. Der freie Gesundheitsberuf hingegen stellt eine relativ junge, sich ständig weiterentwickelnde Branche dar, die an Bedeutung immer weiter zuzunehmen scheint.

 

Was genau ist denn ein freier Gesundheitsberuf?

 

Hierunter fallen zum Beispliel Kunsttherapie, Ernährungsberatung, Gesundheitsberatung, Beratung zur unspezifischen Prävention, Fitnesstraining oder -coaching, Wellnessberatung und -training und viele mehr. Ein freier Gesundheitsberuf ist entsprechend eine gesundheitsbezoge beratende, anleitende oder auch praktische Tätigkeit am Menschen, die jedoch nicht dem Erkennen, der Heilung oder der Linderung von Beschwerden oder Erkrankungen dient. Der Ausübende unterliegt keiner direkten gesetzlichen Regelung, ist jedoch verpflichtet, nur Methoden anzuwenden, für die er qualifiziert ist bzw. die er auch beherrscht.

 

Nun gibt es ja viele Anwender unterschiedlicher Methoden wie Massage, Body Working, Ayurveda, Energiearbeit und Beratungen verschiedener Art. Muss man denn nun Heilpraktiker sein, um diese Methoden anwenden zu dürfen?

 

Das kommt darauf an, ob man medizinisch-heilend tätig sein möchte oder ob man sich mehr als Dienstleister im Sinne der (unspezifischen) Prävention versteht. Die nicht-medizinischen Bereiche wie zum Beispiel energetisches Heilen, Entspannung und Wellness können im Rahmen eines freien Gesundheitsberufes ausgeübt werden ohne eine Heilpraktikererlaubnis. Hier wäre eine Ausbildung zum Heilpraktiker auch nur bedingt zielführend: in der prüfungsbezogenen Ausbildung werden ausschließlich schulmedizinische Grundlagen vermittelt und die fachlichen Ausbildungen sind zumeist spezifisch auf Heilmethoden ausgerichtet. In einem freien Gesundheitsberuf sind jedoch eher die Grundlagen der Gesundheit wie Prävention bzw. Gesunderhaltung, gesunde Lebensführung und praktische Bereiche wie zum Beispiel Beratungstechniken wichtig. Diese werden in der Heilpraktikerausbildung üblicher Weise nicht vermittelt.

 

Muss man dafür eine entsprechende berufliche Ausbildung haben oder reicht es, die jeweilige Methode zu erlernen und zu beherrschen?

 

Eine Ausbildung ist nicht Pflicht. Jeder kann sich als Masseur, Lebensberater oder Coach selbständig machen. Man sollte jedoch die fachlichen und gesetzlichen Grundlagen des freien Gesundheitsberufes kennen, um entsprechend professionell auftreten zu können und ohne Gefahr zu laufen, aus Unwissenheit gesetzliche Vorschriften zu übertreten.

 

Was für Vorschriften sind denn in den freien Gesundheitsberufen relevant?

 

Allein die Auslegung dessen, was eine medizinische Tätigkeit ist, ist nicht immer klar erkennbar.

Die Fußreflexzonenmassage beispielsweise wird zu den medizinischen Tätigkeiten gerechnet, ebenso das klassische Shiatsu. Fußmassage hingegen kann in freier Tätigkeit ausgeübt werden und auch beim Shiatsu gibt es eine spezielle Richtung, die als nicht-medizinisch gilt.

Dann gibt es einige Gesetze, die beachtet werden müssen wie das HPG (Heilpraktikergesetz), das HWG (Heilmittelwerbegesetz) und das UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb).

Die Gesetze werden spätestens dann relevant, wenn man an die Öffentlichkeit tritt, wie zum Beispiel mit Flyern, einer Website oder auch mit Vorträgen. Ich beobachte immer wieder, dass ein großer Teil der Flyer und Websites, die nicht von einem Fachanwalt überprüft worden sind, gegen mindestens eines dieser Gesetze verstoßen.

 

Was sind denn typische Fehler, die häufig gemacht werden?

 

Weit verbreitet ist zum Beispiel der Wunsch, dem potenziellen Kunden oder Klienten die Wirkung einer Methode, eines Produktes oder eines Gerätes zu erklären. Solange dies jedoch nicht wissenschaftlich anerkannt ist (das ist es in den wenigsten Fällen), wird das nach HWG und UWG als irreführende Werbung ausgelegt.

 

Was für eine Ausbildung können Sie denn im Rahmen des freien Gesundheitsberufes empfehlen?

 

Wer eine spezifische Methode erlernen möchte, wie zum Beispiel Ernährungsberatung, Ayurvedische Anwendungen oder Energie- bzw. Heilarbeit sollte prüfen, ob die gewählte Schule alle relevanten Bereiche abdeckt, also neben der Vermittlung der methodenspezifischen Fähigkeiten auch berufskundliche Grundlagen vermittelt wie zum Beispiel Rechtskunde. Viele Anwender sind auch unsicher in Bereichen wie Kundenberatung und Marketing. Aber auch ganz grundlegende Bereiche werden in den methodenspezifischen Kursen oft nicht mit angeboten, wie zum Beispiel Anatomie, Physiologie, Prävention, gesunde Lebensführung, Grundlagen der Energiearbeit u.v.m. Es gibt bisher nur wenige Schulen in Deutschland, die alle diese Bereiche abdecken. Deshalb habe ich ein neues Berufsbild geschaffen und eine entsprechende Ausbildung konzipiert, die sich auf die berufskundliche Basis des freien Gesundheitsberufes konzentriert: den/die Biopraktiker/in.

 

Für wen ist denn diese Ausbildung geeignet und was genau vermittelt sie?

 

Wer eine Methode erlernt hat und diese professionell ausüben möchte, erhält mit der ergänzenden Ausbildung zum/zur Biopraktiker/in die Grundlagen und den beruflichen Rahmen dafür sowie eine übergeordnete Berufsbezeichnung. Die Themen reichen von der Anatomie und Physiologie (aus ganzheitlicher Sicht) über die Möglichkeiten der gesunden Lebensführung, die Klientenberatung und das Marketing bis zu den rechtlichen Grundlagen.

Eine Teilnehmerin aus der diesjährigen Ausbildung zum Beispiel ist ausgebildet in Massage, Hypnose und Body-Working und wusste nie, welche Berufsbezeichnung sie angeben sollte. Jetzt ist sie Biopraktikerin, wendet ihre Methoden weiterhin erfolgreich an und hat zudem die Fähigkeit erworben, ihre Klienten umfassend im Rahmen der Vorsorge und der gesunden Lebensführung zu beraten und zu begleiten. Sie ist sehr glücklich, weil ihre Arbeit spürbar professioneller geworden ist und sie damit viel erfolgreicher ist, als nur mit der Anwendung einzelner Methoden.

 

Vermittelt die Ausbildung zum Biopraktiker denn auch spezifische Methoden?

 

Nein, nicht direkt. Es ist ähnlich wie bei der prüfungsbezogenen Heilpraktikerausbildung, in der ebenfalls keine Behandlungsmethoden vermittelt werden. Dennoch ist bereits der Beratungsteil so umfassend, dass man allein auf dieser Ebene dem Klienten wertvolle Unterstützung für sein Wohlbefinden vermitteln kann. Er umfasst zum Beispiel die individuelle Ernährungsberatung (vor allem in Bezug auf die Qualität und die Verträglichkeit), das Vermeiden von Belastungsfaktoren im Alltag (zum Beispiel Umweltgifte, bzw. Verbesserung der Entschlackung und Entgiftung) und einige Grundlagen der psychologischen Beratung. Auf diese Weise kann die Gesundheit aktiv gestärkt und bei bestehenden Erkrankungen wieder ein Bewusstsein für die natürlichen Bedürfnisse des Körpers geschaffen werden. Davon profitieren die Teilnehmer auch in Bezug auf ihre eigene Gesundheit.

 

Dann verstehen Sie sich vor allem als Ergänzung zu anderen Schulen?

 

Das ist richtig. Ich möchte diese Lücke im Ausbildungsangebot füllen und den freien Gesundheitsberuf mit einer zielgerichteten berufskundlichen Ausbildung unterstützen. Darüber hinaus ist die Ausbildung übrigens auch für Absolventen der Heilpraktikerausbildung interessant, die bisher nur den Prüfungskursus besucht haben bzw. die professionelle Beratung zu Prävention und gesunder Lebensführung in ihr Angebot integrieren möchten.


Abb: eye of einstein – flickr – cc-by

Über den Autor

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ist Heilpraktikerin und hat eine ganzheitliche Diabetestherapie auf der Basis ernährungstherapeutischer Forschungen entwickelt. Sie ist Autorin des Handbuches „Diabetes – die wahren Ursachen erkennen und erfolgreich behandeln“, Hans-Nietsch-Verlag 2013.

Ergänzend hat sie den Beruf des „Ganzheitlichen Diabetesberaters“ entwickelt, in dem sie Menschen weiterbildet, die beruflich mit Diabetikern zu tun haben.

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