Jahrelang hat die Wissenschaft die Zellebene quasi übersprungen. Entweder wurden größere Organismen studiert oder das Mikroskop blickte daran vorbei, tief in das Innere der Zellen. Nun stellt sich heraus, dass Zellen augenscheinlich alles andere als bloße Bausteine sind. Sie sind vielmehr eigenständige Lebewesen, die fast alle Funktionen größerer Organismen ausführen – und verblüffenderweise scheinbar sogar eine eigene Art von Intelligenz besitzen.

Einfach übersehen

Unser Verständnis der Welt ist noch immer voller Löcher. Manche Dinge scheinen wir einfach zu übersehen und manchmal scheinen wir auch einfach nicht hinsehen zu wollen. So ist es mit den Einzellern und Zellen im Allgemeinen.

„Wir wissen viel darüber, was im Inneren der Zellen vorgeht, aber sehr viel weniger darüber, wie ganze Zellen ihr Leben führen. Derzeit beschäftigt sich die Zellbiologie hauptsächlich mit den einzelnen Zellkomponenten und die systemische Biologie mit Zellverbänden. Es gibt nichts, was diesen Reduktionismus ausgleicht, indem ein Fokus darauf gelegt wird, wie ganze Zellen sich verhalten. In meinen Augen verfehlt dies jedoch das Leben insgesamt: Erst wenn wir die lebende Zelle als ganzen Organismus betrachten, eröffnen sich wundervolle Realitäten, die unser Verständnis davon, was wir Meschen sind, grundlegend verändern werden“, schreibt der Biologe Brian j. Ford in einem Artikel für die Zeitschrift New Scientist.

Er hat sich eingehend mit Zellorganismen beschäftigt und ist dabei zu erstaunlichen Schlüssen gekommen: Zellen sind eigenständige und intelligente Lebewesen.

Intelligente Zellen

Testate HausDas ist ziemlich weit von dem entfernt, wie wir gemeinhin Zellen betrachten – vor allem, wenn es um unsere eigenen Körper geht. Kaum vorstellbar, dass wir nicht nur ein Wesen sein sollen, sondern eine Lebensgemeinschaft, ein Ökosystem, eine Art kollektive Intelligenz. Aber viele Forschungsergebnisse legen dies nahe.

Wir glauben gerne, unser Gehirn wäre eine Art allgemeine Schaltzentrale, die über alle Funktionen unseres Körpers wacht, sie steuert und initiiert. In Wirklichkeit sind weite Teile unseres Körpers allerdings viel eher autonom verwaltete Gebiete. Die Zellen unserer Leber ersetzen selbstständig abgenutzte Zellen, selbiges gilt für Knochenmarkszellen und follikuläre Zellen, die unsere Haare wachsen lassen. Sie alle führen ihre Aufgaben komplett autonom und fast ohne Steuerung von Außen aus. Es gibt unendlich viele solcher Beispiele und tatsächlich bekommt das Gehirn von 90% dieser Zellaktivitäten nicht das geringste mit und ist damit für einen erheblichen Teil der Körperfunktionen völlig irrelevant.

Noch nicht unbedingt ein Zeichen von Intelligenz, aber Laborversuche zeigen, dass ganze Zellen nicht nur weitgehend autonom handeln, sondern auch auf unvorhergesehene Ereignisse in einer Weise reagieren, die Wissenschaftler sogar dazu verführt, ihnen die Fähigkeit zuzuschreiben, eigenständige Entscheidungen zu treffen.

Und im Bereich der Einzeller und Amöben wurden ganz erstaunliche Beobachtungen gemacht: Die Tetstate-Amöbe zum Beispiel baut eigene Häuser aus Material, dass sie in ihrer Umgebung sammelt – und dass ohne einen Mund, Gliedmaßen, Muskeln oder ein Hirn zu besitzen. Andere Einzeller zeigen die Fähigkeit, auf unvorhergesehene Vorkommnisse mit völlig neuem Verhalten zu reagieren. Wie kann eine Amöbe Probleme lösen oder ein Haus bauen? Die Wissenschaft weiß es bisher nicht.

Neuronenkonzert

Interessant wird es, wenn wir uns die Frage stellen, was das für unser Gehirn bedeutet. All unser Studium des Hirns hat zwar viele Aufschlüsse darüber gebracht, wie Neuronen zusammenarbeiten, aber bisher wenig darüber, wie sie eigentlich selbst funktionieren. Brian j. Ford hat eine ketzerische These:

„Ich glaube, dass die Fähigkeiten unseres Hirns eher auf die Informationsverarbeitung in einzelnen Neuronen zurückzuführen sind, als auf die Aktivität zwischen Neuronen.“

Das Gehrin ist in seiner Vorstellung ein Netzwerk denkender Zellen, tatsächlich vermutet er hinter den elektrischen Aktionspotenzialen eine „Sprache, die Neuronen verwenden, um Informationen auszutauschen“.

„Für mich ist das Gehirn kein Supercoputer, in welchem die Neuronen einzelne Transistoren sind, vielmehr ist es, als wäre jedes einzelne Neuron selbst ein Computer und das Gehirn eine riesige Gemeinschaft mikroskopischer Computer. Selbst das ist wahrscheinlich noch zu vereinfachend, da Neuronen Daten flexibel und auf verschiedenen Ebenen verarbeiten und daher jedem digitalen System weit überlegen sind. Wenn ich richtig liege, könnte das menschliche Gehirn eine Billarde mal leistungsfähiger sein, als wir annehmen“, führt er seine Vision aus.

Tatsächlich hat er die Aktionspotenziale von Neuronen in einem Versuch einmal in Audiosignale verwandelt. Nach dem hochtransponieren ergab sich ein vogelartiger Singsang mit sehr feinen Modulationen. Und auch wenn er es nicht beweisen kann, glaubt Ford, dass dies die Sprache der Neuronen sein könnte.

Fraktale

Theorien wie diese scheinen einmal mehr die Annahme zu bestätigen, dass unsere Realität ein Fraktal sein könnte, in dem wir auf allen Ebenen ähnliche Strukturen vorfinden. Ob auf der Ebene des Körpers, des Ökosystems der Erde und vielleicht des ganzen Universums: Überall finden wir Netzwerke intelligenter Lebewesen, die sich im besten Fall zu einer harmonisch schwingenden kollektiven Intelligenz entfalten. Die Zukunft wird zeigen, ob dies nicht auch für die Menschheit gelten könnte.

 

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Bilder

Zelle: MesserWoland and Szczepan1990 / Wikimedia

Testate-Hülle: O. R. Anderson / MBL (micro*scope)

Neuron: Public Domain / Wikimedia

 

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