Mit freundlicher Genehmigung des Knesebeck-Verlags veröffentlicht SEIN in den nächsten Monaten Artikel aus „Worldchanging – Das Handbuch der Ideen für eine bessere Zukunft“.

Der Begriff Smart Mob wurde von dem Sozialwissenschaftler Howard Rheingold geprägt, um eine dezentrale, koordinierte Protestform zu beschreiben, die sich ebenso stark auf technische Hilfsmittel stützt wie das Establishment, gegen das sich der Protest richtet. »Smart Mobs« bestehen aus Einzelpersonen, die einander womöglich nicht einmal kennen; ihre Proteste werden über das Internet, über Telefon, SMS und mittels »Sousveillance« koordiniert.

Wie machen sie das? Die Antwort ist schwierig, aber vereinfacht gesagt, schwärmen sie aus. In zivilem Ungehorsam geschulte, über Handy, E-Mail und Online-Karten verbundene Protestler, die in Interessengruppen, unterstützt von spontanen Teams aus unabhängigen Journalisten, neutralen Beobachtern und Anwälten, operieren, können mit einer Geschwindigkeit und Zielstrebigkeit durch eine Stadt fluten, bei der sich die Sicherheitskräfte nur ratlos am Kopf kratzen. Beim heutigen Stand kann jede Großstadt auf Erden von 10 000 entschlossenen, ausschwärmenden Protestlern lahmgelegt werden. Überall, wo Handys funktionieren, können Aktivisten die Straße erobern. Im Jahr 2003 protestierten »Intelligente Mobs« in San Francisco gegen die amerikanische Invasion im Irak und koordinierten mit Mobiltelefonen, SMS und Piratensendern die schwarmähnliche Bewegung. Sie waren der Polizei immer einen Schritt voraus. Viele Demonstranten dokumentierten gleichzeitig mit digitalen Video- und Fotokameras über WLAN-Verbindungen die Proteste.

Die Aktivistin Lisa Rein nahm ein Video von Polizisten auf, wie sie Demonstranten angriffen; sie schildert die Szene auf ihrem Blog: »Nachdem die Cops die Menge gejagt hatten und bestimmte Personen [auswählten] und sie die Hände auf den Rücken legen [ließen], weil sie verhaftet werden sollten, da [begann] die Menge zu buhen und zu kreischen. ›Die ganze Welt sieht zu‹, schrieen sie. (›Ha!‹, dachte ich bei mir, ›ich frage mich, ob die Menge oder die Cops wissen, wie wahr das ist!‹)« Da die Kommunikations- und Dokumentationstechnologien immer handlicher und erschwinglicher werden, operieren »Smart Mobs« auch immer effektiver. Auf den Philippinen etwa leisteten sie im Jahr 2001 einen wesentlichen Beitrag zur Absetzung des Präsidenten Joseph Estrada. Wir haben noch nicht einmal andeutungsweise erkannt, welche Großtaten vollbracht werden können, wenn die richtigen Menschen mit der entsprechenden Technologie zur rechten Zeit am rechten Ort sind.

Hg. Alex Steffen
„WorldChanging. Das Handbuch der Ideen für eine bessere Zukunft“
Knesebeck, 2008
ISBN-13: 978-3896605993
471 Seiten, 39,95 €
www.worldchanging.com

Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar

Deine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.

*