Gedanken zum Leben und Sterben aus buddhistischer Sicht

„Ars bene moriendi“ – „Die Kunst des guten Sterbens“, war Mitte des 15. Jahrhunderts ein Leitfaden, bestehend aus elf Holzschnitten, die möglichst schon im Leben darauf vorbereiten sollten, ohne Furcht vor dem Tod bei seinem Eintreten gewappnet zu sein. Sterben ist eine Kunst.

Es gibt verschiedene Gründe, warum es sinnvoll ist, sich schon während des Lebens auf den Tod vorzubereiten. Einer der Gründe könnte allein der sein, dass es mir hilft, Dinge, die ich tun möchte, endlich zu tun. Und dies in dem Bewusstsein, dass ich die Zeit, die ich zu haben glaube, vielleicht gar nicht mehr habe, und dass das im Kopf gespeicherte „Später, später“ vielleicht nie zu Tage treten wird. Denn: Mein Leben ist zerbrechlich, immer und zu jeder Zeit.

Der Prozess des Sterbens wird meist als eine äußerst schwierige Angelegenheit erfahren. Als eine  schmerzvolle Zeit, die uns voll und ganz mit unserer ganzen Person und unserem ganzen Sein herausfordert, nicht nur einen kleinen Teil oder die gern gezeigte Oberfläche. Es gibt im Sterben kein Verstecken, und Fakt ist: Es wird sein.

Es gibt Menschen, denen es gelingt, der Tatsache ihres nahenden Todes ins Auge zu blicken, ohne Scheu, ohne Schmerz. Es gibt Menschen, die mit einem Lächeln auf dem Gesicht, friedvoll ihren letzten Atemzug tun. Es gibt Menschen, die voller Freude am Leben teilhaben bis zuletzt und nichts missen, wenn sie dies alles hinter sich lassen.

Doch für viele ist der Weg nicht so einfach. Schmerzvoll sind Krankheit und Leiden; schmerzvoll, nicht mehr zu können, was man können möchte. Schmerzvoll sind Abhängigkeit, Peinlichkeiten und Hilflosigkeit. Schmerzvoll ist die Unzufriedenheit, das „Sich-nutzlos-Fühlen“ und die Sehnsucht. Schmerzvoll sind die Liebe, das Loslassen und das Wissen um das „für immer“ und „nie wieder“. Doch Fakt ist auch, es gibt Möglichkeiten sich vorzubereiten. Diese Möglichkeit ist uns als Individuen, die denken und reflektieren, sich selbst erfassen können, gegeben. Sie steckt sozusagen „in“ uns.

Die allumfassende Wahrheit erkennen

Das Vorbereiten auf den Todeszeitpunkt ist im Buddhismus ein sehr wichtiger Teil der Übungen.
Einerseits bewirkt die Praxis Verminderung oder sogar die Überwindung von Schmerzen, Schwierigkeiten und Leiden durch die Vorbereitung und Schulung des Geistes. Noch wichtiger ist jedoch nach Ansicht vieler großer buddhistischer Gelehrter das Erreichen der Grundlage eines friedvollen, starken Geisteszustandes.

Dieser ist, wenn wir sterben, unser höchstes Gut. Dieser ist das, was wir dann sind. Uns bleibt nichts als der Zustand unseres Geistes, und auch dieser wird uns mehr und mehr entgleiten, den Umständen entsprechend hierhin und dorthin gerissen werden, Trugbildern folgend, wenn wir nicht vorher gelernt haben, ihn zu beruhigen und zu festigen.

Mit einem starken, ruhigen, friedvollen Geist ist es uns nach buddhistischer Auffassung möglich, zum Zeitpunkt unseres Todes bis in das „Innerste“ vorzudringen und Prajñ, die große allumfassende Wahrheit, die alle Dinge und Phänomene im Universum durchdringt, zu erkennen. Dies bedeutet die Befreiung von allem Leiden.

Selbst wenn man nicht an diese Möglichkeit glaubt, hilft die Kontemplation über Vergänglichkeit und die Arbeit am Geist im täglichen Leben. Sie führt zu mehr Freiheit und zum Loslassen von Ängsten. Sie wirkt Besitzdenken und Neid entgegen, sie bringt Offenheit und Wohlwollen, weil man schließlich bemerkt, dass man nichts zu verlieren, sondern zu geben hat.

Für die tägliche Praxis ist eine gute Gesundheit hilfreich, doch können auch Schmerzen und Leiden in die Meditation einbezogen werden und sogar Nutzen bringen.

Der Körper ist das Gefäß unseres Geistes. Er ist von diesem erfüllt und durchdrungen. In der Meditation wird erlernt, den Geist zu erspüren, ihn zu beobachten und mit ihm zu arbeiten. Der behutsame Umgang mit den Geisteszuständen kann sich wiederum sehr positiv auf unseren Körper und unseren Gesundheitszustand auswirken.

Ob unser Körper jung ist oder alt, die Essenz des Geistes wird davon nicht berührt, und auch im hohen Alter haben wir noch die Möglichkeit, diese Ebene, den so genannten „Geist des Klare n Lichtes“ zu erkennen. Sterben ist eine Kunst.

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