Tantra-Yoga – Ich brauchte sechs Wochen, bis ich es zum ersten Mal erlebe: ich fließe entspannt in das ungeliebte Chakra Asana ohne jede Mühe. Ein magischer Moment für mich gestresste Filmemacherin, die ich Leistung immer mit Anstrengung gleichgesetzt habe. Heute leite ich eine eigene Schule. Durga´s Tiger ist ein Symbol, das für mich Kraft, Konzentration und Leichtigkeit verbindet, und es steht für den tantrisch-schamanischen Weg der Bewusstseinserweiterung.

Von Iris Disse

 

Die ersten Tage der Yoga-Lehrer-Ausbildung. Da liegen die Yogis und Yoginis, und es scheint nicht viel los zu sein. Viel zu viel Shava Asana. Viel zu viel Entspannung. Viele Studenten kommen von Power-Yoga-Ansätzen, wollen einen Body-Workout mit einer Dosis Spiritualität. Sie langweilen sich, gehen auf die Toilette, legen sich wieder hin. Leise Unruhe im Saal. Was soll das heißen: in die Asanas „fließen“? Der Körperintelligenz trauen? Die Asanas von innen wahrnehmen? Warum immer wieder: entspann dich in deiner Asana? Wozu die Tiefenentspannung, aus der heraus ich in Bewegung komme?

„Und was hat Tantra-Yoga mit Sex zu tun“,
wird immer wieder gefragt.

Zweieinhalb Stunden geht die Session. Eine Meditation in Bewegung, ein tänzerischer Fluss. Die Augen sind geschlossen. Ich entspanne, während ich die Asana halte, atme. Der Fokus ist ganz im Hier und Jetzt, ganz im Körper, im tiefen und regelmäßigen Atem. Ich strenge mich nicht an, und doch haben meine Muskeln gearbeitet.

Warum wird hier kaum korrigiert? – „Besser du machst dein Asana nicht perfekt, aber nimmst wahr, was in deinem Körper passiert. Die Asanas sind nicht willkürlich erfunden. Dein Körper wird nach und nach erkennen, wie die Haltung ist. Wichtig ist, dass dir nicht wieder einmal jemand von Außen sagt, wie du „richtig“ bist. Nur du weißt, was für dich stimmt in jedem Moment“, sagt die unterrichtende Yogini. „Es ist eine spirituelle Disziplin, die Körper, Geist und Seele zusammenbringt. Trau dir, deiner Wahrnehmung, deiner Körperintelligenz. Das ist das Revolutionäre am Tantra Yoga. Du kommst in Kontakt mit deinem inneren Wissen.“

Der Durchbruch

Die Yogis und Yoginis werden sich bewusst, wie ihr Rad im Kopf sich dreht. Immer wieder die gleichen Gedankenketten. Das ist der erste Schritt zu einer Veränderung. Eine Woche später steht niemand mehr auf während der Entspannungsphasen. Es kehrt eine konzentrierte Ruhe ein. Später das Erstaunen: Der Körper folgt der Intention mit Leichtigkeit. Auch kompliziertere Asanas kann er jetzt ausführen. Ein Wunder. Dazu kommen psychische Prozesse in Gang. „Ich nehme mich ganz neu wahr“, sagt Maria. „Ich traue mich jetzt sogar zu singen.“

Kaula-Tantra-Yoga ist im Uttara- oder Kashmiri-Shivaismus verwurzelt, einer der sechs Shiva Traditionen. Es ist die älteste praktizierte Yoga Form. Die Adepten suchen sich im „unendlichen Bewusstsein“ zu verankern. Es gelingt plötzlich, das wahre Selbst von einem Ort der Liebe und Freiheit aus zum Ausdruck zu bringen. „Ich kann aktiv sein, ohne mich anzustrengen“ wird zu festem Körperwissen, das der Geist auch in Alltagssituationen umsetzen kann.

Durga´s Tiger School ist eine tantrische Schule: Viel Tanz, Stimmarbeit und schamanistische Ansätze werden integriert. Wichtig ist der Aufbau einer Gruppenenergie, die mich nährt: ich darf ganz bei mir sein und bin trotzdem Teil der Gruppe. Das macht stark, entspannt und hilft mir, mich auf eigene Prozesse einzulassen. Auf allen Ebenen wird mit den drei tantrischen Schlüsseln zur Lebendigkeit gearbeitet: Atem, Stimme, Bewegung.

Es gibt nur wenige Regeln: „Tu, was du willst – aber tu es bewusst und in Liebe“.

„Und was hat Tantra-Yoga mit Sex zu tun“, wird immer wieder gefragt.

Es wird klar, dass die Trennung zwischen „sexueller Energie“ und „Energie“ nicht existiert. Was ich im Tantra- Yoga an Atem- und Entspannungstechniken lerne, wird meine Sexualität reicher machen. Tiefe und „heilige“ Sexualität hat mit Meditation zu tun, mit Kreativität und Bewusstheit, mit Kommunikation – damit sich die gemeinsame Ekstase erst im Körper ausbreitet und mich die Essenz meines Wesens erfahren lässt: Sat, Chit, Ananda – Seele, Bewusstsein und Glückseligkeit. Meine Sexualität potenziert die Energie, die ich in meiner Bewusstseinsarbeit mit Tantra-Yoga angesammelt habe.

Durga reitet mit uns ihren Tiger und hilft uns, unsere inneren Dämonen zu bekämpfen – mit Leichtigkeit, Vertrauen, Konzentration und einem Lächeln.

Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar

Deine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.

*