„Wir wissen, dass wir für eine gerechte Sache kämpfen. Da Gewalt und Leid nur mehr Gewalt und Leid zur Folge hat, muss unser Kampf frei von Hass und Gewalt bleiben. Wir versuchen, dem Leid unseres Volkes ein Ende zu setzen, und nicht, anderen Leid zuzufügen …“

Das ist einer der zentralen Sätze aus der Dankesrede des Dalai Lama anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises 1989. Das geistliche und weltliche Oberhaupt eines Volkes, das von einer benachbarten Großmacht überfallen wurde und den Verlust von etwa 1,2 Mio. ermordete Menschen beklagt, ist weit davon entfernt, nach Vergeltung und gewaltsamer Gegenwehr zu rufen. Und seine Beteuerung , dass letztlich nur ein gewaltfreier Kampf zum Erfolg führen kann, ist kein taktisches Kalkül angesichts der militärischen Überlegenheit der VR China, sondern tiefe Überzeugung, die ihre Wurzeln in der buddhistischen Tradition hat.
 
Gerade jetzt, nach jahrzehntelangem gewaltfreiem Kampf gegen Unterdrückung und Zerstörung, benötigen die Tibeter dringend unsere Unterstützung . Dabei geht es nicht nur um eines von vielen Völkern, das in seiner Existenz bedroht ist; es geht auch darum, ob die Prinzipien der Versöhnung und des Dialoges im internationalen Miteinander eine Chance haben.

1950 wurde das bis dahin souveräne Tibet von der Volksrepublik China völkerrechtswidrig besetzt und 1951 annektiert. Ohne Möglichkeit zur Gegenwehr gegen die übermächtige chinesische Armee, versuchten die Tibeter zu einer Koexistenz mit den Besatzern zu kommen, doch die Unterdrückungsmaßnahmen wurden immer stärker. Der verzweifelte Widerstand des tibetischen Volkes gegen die Okkupanten fand schließlich am 10. März 1959 in einem Aufstand in Lhasa, der Hauptstadt Tibets, seinen tragischen Höhepunkt. Nach offiziellen chinesischen Angaben kamen dabei 87000 Tibeter um.

Die bedrückende Situation in Tibet hat sich auch im Jahr 2001 nicht gebessert. Der Jahresbericht des Tibetischen Zentrums für Menschenrechte verzeichnet 254 namentlich bekannte politische Gefangene, 37 von ihnen wurden im vergangenen Jahr verhaftet.Viele Tibeter wurden in der Haft geschlagen und gefoltert, wobei es mindestens 10 Todesfälle gab. Laut Amnesty International „…….(werden) viele der politischen Gefangenen gefoltert und misshandelt.In Tibet und der Autonomen Uighurischen Region Xinjiang entgehen die wenigsten von ihnen der Folter.“
 
Mit allen Mitteln versuchen die Machthaber in Peking, den Willen des tibetischen Volkes, das weiterhin zum Dalai Lama steht, zu brechen. Bilder des geistlichen und weltlichen Oberhaupts sind verboten. Die 1996 begonnenen „Umerziehungskampagnen“ gehen weiter. Mönche und Nonnen müssen den Dalai Lama als „Spalter und Zerstörer der Einheit“ denunzieren und ihm selbst die religiöse Führerschaft absprechen. Wer sich weigert, muß das Kloster verlassen und wird Repressalien und Schikanen ausgesetzt. 9804 Buddhismus-Praktizierende, mußten im vergangenen Jahr ihre Klöster verlassen und mehr als 2500 Unterkünfte von Mönchen und Nonnen wurden zerstört.

Nach wie vor versuchen viele Tibeter, der unerträglichen Situation durch Flucht zu entkommen; 2001 wurden 1375 Flüchtlinge gezählt, denen es gelang, unter lebensgefährlichen Bedingungen die Grenze nach Nepal zu überqueren, dazu kommen mindestens 2500, die an der Grenze festgenommen wurden. Mehrere von ihnen waren Kinder oder Jugendliche unter 18 Jahren.

In unserer Zeit, in der die gewaltsame Lösung von Konflikten die Regel geworden ist, verdient das Bemühen des tibetischen Oberhaupts unsere Unterstützung, sonst besteht die Gefahr, daß bei den jungen Tibetern, die das Gefühl haben, ohnmächtig der Zerstörung ihres Landes und ihrer nationalen Identität zuschauen zu müssen, die Bereitschaft wächst, den Weg der Gewaltlosigkeit zu verlassen. Die Tibeter selbst haben in internationalen Gremien keine Stimme und werden im eigenen Land mundtot gemacht.

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