Grandmother Bear, deep in the hollow,
I come to you in my darkest nights,
Mother of healing, guide me I’ll follow
Deep within to where the truth lies.
(West Song by Nayoma de Haen)

Aus schamanischer Sicht ist die Erde unsere Mutter und der Himmel unser Vater. Die Steine, die Bäume, die Pflanzen, die Tiere sind alle unsere Verwandten, von denen wir lernen können, bei denen wir Schutz und Unterstützung finden können. Wer von uns verfügt schon über den Spürsinn einer Maus, über die Augen eines Adlers, über den Mut eines Dachses, über den Orientierungssinn eines Kranichs oder die Furchtlosigkeit eines Bären?

Das Tier stand dem zu Bewusstsein erwachten Menschen am nächsten – und war zugleich Teil der Wildnis

Seit Urzeiten nehmen Menschen mit Tieren Kontakt auf, um an ihren Kräften teilzuhaben, um sie günstig zu stimmen, um mit Hilfe der Tiergeister in uns sonst unzugängliche Bereiche – der Wildnis oder des Geistes – vorzudringen, um etwas über uns selbst zu lernen. Es scheint ein Grundbedürfnis des Menschen zu sein, mit Tieren in Kontakt zu sein. Die Selbstverständlichkeit, mit der sich die Tiere durch die Wildnis bewegen, mit der ihnen die Geheimnisse, Gesetze und Rhythmen der Natur vertraut sind, rührt an unsere Sehnsucht nach Verbundenheit mit dem Rest der Schöpfung, nach dem mythischen „goldenen Zeitalter“, als wir noch im Frieden miteinander und mit der Natur lebten.

In vielen alten Kulturen führten die Stämme ihre Kräfte und ihr Wohlergehen auf schützende Tiergeister zurück – die Totemtiere der Ureinwohner Amerikas, die Ahnentiere der australischen Ureinwohner – und auch in den antiken Heldensagen sind zahlreiche Hinweise auf die Schutztiere der griechischen Stämme enthalten. Die traditionellen Schamanen pflegten eine innige Beziehung zu ihren persönlichen Tiergeistern. Sie reisten mit ihrer Hilfe in andere Welten, heilten und empfingen Informationen zum Wohle ihrer Gemeinschaft. Aber es gab in manchen Kulturen auch Tiere, die als böse Geister galten – zum Beispiel Eulen oder Fledermäuse.

Hier in Mitteleuropa sind die Spuren dünn – alte Namen wie Meister Petz und Meister Adebar lassen den Respekt ahnen, den man diesen Tieren wohl einst entgegenbrachte. Wappentiere zeugen von dem Schutz, den man sich von ihren Kräften versprach. Mit Tieren zu sprechen oder innerlich zu kommunizieren wurde erst in der Neuzeit als merkwürdig abgestempelt. Der Siegeszug der Wissenschaften und der Industrialisierung kostete uns endgültig das Zugehörigkeitsgefühl zur Natur und damit auch zur Tierwelt.

Bruder Adler, Schwester Reh – zeitlose Mittler für Lebenskraft und Zugehörigkeit

Die Sehnsucht ist jedoch geblieben, die Sehnsucht danach, den eigenen Platz im großen Kreis des Lebens wieder zu spüren, die Sehnsucht, mit unseren „Verwandten“ in Kontakt zu sein. Beinahe jedes Kind begeistert sich für Tiere, träumt von Tieren, Haustieren, Waldtieren, Zootieren, bis es erwachsen wird und sie in dieser fast nur von Menschen belebten Welt der Städte vergisst. Doch das innere Kind liebt sie weiter und vermisst sie, vermisst die Gefährten, vermisst die ursprüngliche Verbundenheit.
Bis wir dann vielleicht eines Tages mit anderen in einem Kreis sitzen, die Trommel hören und uns erinnern. Wir erinnern uns an Mutter Erde und Vater Himmel, und wir erinnern uns an unsere Freunde und Helfer in der Welt der Natur. Bruder Adler, Schwester Reh, Großmutter Bär: Jahrtausende lang haben wir mit euch gelebt, mit euch kommuniziert. Endlich spüre ich euch wieder!
Auch wenn es heute wie damals nur wenigen gegeben ist, in der Intensität der Schamanen mit den Geistern und Tiergeistern zu leben, können wir uns doch jederzeit für die Wahrnehmung unserer spirituellen Gefährten öffnen. In der Verbindung mit ihnen erfahren wir wieder ein wenig mehr von der ursprünglichen Kraft des Lebens.

Ich kann meine Wahrnehmung nach innen wenden und mit Hilfe meiner Absicht und meiner Sehnsucht mit meinem persönlichen Krafttier Kontakt aufnehmen. Im ersten Schritt kann es mir dabei egal sein, ob ich mir das nur einbilde oder ob das ein „echter Geist“ ist – solange es mir einfach gut tut, mit einem Panther an meiner Seite durch die Stadt zu gehen. Ich gehe aufrechter, es macht mir Spaß, auch wenn – oder vielleicht weil – es ein bisschen verrückt ist! Ich fühle mich sicherer und lebendiger. In der Verbindung mit meinem Krafttier lerne ich, weniger mit dem Kopf, sondern mehr mit Hilfe anderer Wahrnehmungsebenen zu leben. Es ist mir Freund, Lehrer, Beschützer und Ratgeber. Es unterstützt mich bei meinen emotionalen Prozessen, geht mit mir auf innere Reisen und hilft mir bei alltäglichen Entscheidungen. Und irgendwann wird mir eine unvermutete Information oder Erfahrung zeigen, dass ich hier mit einer Kraft in Kontakt stehe, die weit über meine bloße Phantasie hinaus geht.

Ist das nun wirklich der Geist eines Tieres, der mich begleitet? Haben Tiere überhaupt eine individuelle Seele oder trete ich da einfach mit einem kraftvolleren, weiseren Aspekt meiner Selbst in Kontakt? Ich denke es ist beides. Beweisbar ist da nichts. In einer Welt, in der alles nur Emanation desselben Geistes ist, gibt es da ohnehin keinen Unterschied. Hauptsache, es funktioniert. Es macht Freude, erweitert meine Spielräume und gibt mir Kraft!

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