Wir alle sehnen uns nach Beziehung. Folgen wir der Sehnsucht danach, begegnen wir meist irgendwann unseren Grenzen und Ängsten. Wir bemerken, dass wir in der Bewegung zum Du, zu Nähe und Verbindung, erst weiterkommen, wenn wir diese Grenzen genau erkennen, annehmen und schließlich über sie hinauswachsen. In der Folge beobachten wir uns und es tauchen Fragen auf: Wie gehe ich eigentlich mit starken Emotionen um? Wie mit Übererregung, dem sogenannten Stress? Was sind meine Bedürfnisse? Und was bewegt die anderen wirklich, was sind deren Bedürfnisse? Wie ist es mit meiner Selbstliebe auf allen Ebenen bestellt? Kann ich mein Herz im Kontakt offen halten? Fragen, die uns immer wieder zu unserem eigenen Körper führen. Franziska Nürnberger über die von Dr. David Berceli entwickelte Methode TRE – Tension and Trauma Releasing Exercises.

 

Unser Körper mit seinem Reichtum an Strukturen, in dem sich Organsysteme gegenseitig unterstützen und in dem ständig Informationen weitergeleitet und verarbeitet werden, spielt bei all unseren – vor allem emotionalen – Sehnsüchten und Wünschen eine entscheidende Rolle. Denn wir haben unseren Körper ja, um zu fühlen. Bei der Frage nach Emotionen, dem Umgang mit Gefühlen und Stress, geht es darum ganz zentral um den Körper und die Fähigkeit, seine Informationen wahrzunehmen. Auch Bedürfnisse sind nicht nur auf der Gedankenebene, sondern im Körper zu finden. Aber im Körper zu sein – verkörpert zu sein und zu bleiben –, ist alles andere als selbstverständlich. Viele von uns müssen es erst wieder lernen – und das kann manchmal ein langer Weg sein.

Das liegt meist an vergangenen Erfahrungen, die eine Überforderung für unser Nervensystem darstellten: Seither verhalten wir uns anders, das System ist verengt und verängstigt, Teile des Körpers und der Wahrnehmung sind verspannt oder verschoben und die Schutzfunktionen unseres Nervensystems laufen auf Hochtouren. Das ist ganz natürlich. Nur: Auf welchen körperlichen Funktionen beruht das?

Neunzig Prozent der Informationen zwischen Gehirn und Bauch laufen vom Bauch zum Gehirn und nur zehn Prozent andersherum. Das heißt: Bemerkt der Körper eine Bedrohung, entscheidet erst einmal das sogenannte „Bauchhirn“, was es zum Schutz des Menschen braucht. In Stress-Situationen verspannen beispielsweise Muskeln, und das sich durch den ganzen Körper ziehende Bindegewebe – das auch Teil dieser Schutzfunktion ist – verklebt. Dies wird nicht im Kopf entschieden und unterliegt somit nicht unserer Kontrolle. Ist dann die tatsächliche – oder vermeintliche – Bedrohungssituation vorbei, wäre es angemessen und natürlich, die starke energetische Ladung und Spannung, die die damit einhergehende Angst mit sich gebracht hat, durch leichtes Vibrieren wieder zu entladen. Das passiert oft nicht, da die meisten „kultivierten“ Menschen dieses Vibrieren und Zittern als negativ (peinlich) einstufen und unterbinden. Sie wollen, bewusst oder unbewusst, Stärke zeigen.

Dadurch laufen sie mit einer Überdosis von Stresshormonen wie Adrenalin, die bei Gefahr ausgeschüttet werden, herum, so dass sie weiterhin im Modus einer Situation festgehalten werden, in der es rein ums Überleben ging. Dies bestimmt und verändert Gedanken und Verhalten: Wir richten unsere Aufmerksamkeit dann vor allem auf äußere Sicherheiten, halten echte Gefühle zurück und zeigen kaum oder keine Schwäche. Dies wiederum erzeugt in uns einen inneren Krieg mit Schmerz, Depressionen und Angst. Zu einer echten Begegnung mit einem anderen Menschen – geschweige denn zu einer dauerhaften Beziehung – sind wir in diesem Modus nur eingeschränkt fähig. Solange es für einen Teil in uns um Schutz und Verteidigung geht, werden wir die Sonne dunkler, seltener oder überhaupt nicht wahrnehmen.

Mit TRE zur Bodyfulness

Viele Wege helfen, die Verbindung zum Körper zu stärken, damit wir wieder in Kontakt zu unseren weggedrückten und blockierten Energien kommen, den Fluss in unserem Körper wahrnehmen und uns in einer lebendigen Verbindung mit der Außenwelt erleben können. Dann erst sind wir wahrhaft bei Sinnen, können auch zunehmend Gefühle halten und unsere Wahrnehmungen für unsere Entscheidungen nutzen, weil wir ihnen nun trauen können. Diese Präsenz nennt man auch Bodyfulness.

Ich selbst habe in den vergangenen 30 Jahren verschiedene körperorientierte Methoden genutzt. Am tiefsten bewegt, begleitet und unterstützt hat mich TRE, Tension and Trauma Releasing Exercises, entwickelt von Dr. David Berceli. Kurz gesagt geht es darum, „Überspannung“ durch Zittern abzuschütteln. Schütteln/ Zittern/ Vibrieren hat die Fähigkeit, sowohl physische Spannung zu lösen als auch psychoemotionalen Stress und Angst.

Die leichten, unwillkürlichen Schüttelbewegungen sind ein zum Körper gehörender Reflex. Er sendet sozusagen gute Nachrichten ans Stammhirn, im Sinne von: „Die Gefahr ist vorbei.“ Muskelverspannungen und Bindegewebe können sich aus Erstarrung und Verhärtung lösen, Hormone werden reguliert.

Dies kann bei Erschöpfung, Angst und Traumata jeder Art helfen. Der Ansatz wird seit 15 Jahren weltweit gelehrt und sowohl nach Katastrophen als auch in der Prävention, als Selbsthilfe und in Ergänzung zu verbalen Therapien eingesetzt. TRE ist keine Therapie im Sinne eines Aufdeckens persönlicher Geschichten, sondern ein neurophysiologischer Ansatz.

Was passiert bei TRE?

TRE beginnt mit sechs Vorübungen, die dafür konzipiert sind, den „Gefahrvorbei- Reflex“ auszulösen. In der anschließenden Hauptübung erlaube ich dem Reflex, sich dorthin zu bewegen, wo er heute alte Spannungen lösen mag. Die Bewegungen sind fein oder gröber, unwillkürlich, vibrierend, schüttelnd, ruckig, zitternd – bei jedem Üben anders.

Gleichzeitig lernt man von Beginn an, diesen Lösungsprozess zu „dosieren“ und zu stoppen. So entstehen gleich am Anfang Vertrauen und Sicherheit. Später wächst ein tieferes Vertrauen, dass alles, was während des Prozesses passiert, zum eigenen Wohl geschieht.

Was ändert sich, wenn die Überspannung nachlässt?

Ich arbeite seit sechs Jahren vorwiegend mit TRE. Bei jedem wirkt die Methode individuell, jede Person reagiert anders. Am häufigsten höre ich Folgendes: Rückenschmerzen verschwinden, der Körper wird spürbar beweglicher, Menschen schlafen tiefer, zum Teil überhaupt wieder, Ängste gehen deutlich zurück oder fallen ganz ab. Manche entdecken, dass sie Grenzen setzen dürfen, Beziehungen gestalten sich leichter, der Abstand zu schmerzhaften Erinnerungen aus der Vergangenheit wächst, an die Stelle von Sorgen und Kontrolle treten Lebenslust, Freude und Genuss, das Gemüt hellt sich auf. Die Menschen erleben physische, emotionale und soziale Veränderungen.

Vor einiger Zeit fasste eine Frau ihre Erfahrungen so zusammen: „Mein Körper ist mein Freund geworden. Ich bin einfach zufrieden. Und wisst ihr“, fügte sie warmherzig, gelöst und erstaunt nach fünf Monaten Teilnahme an der TREGruppe hinzu, “vor eineinhalb Jahren wollte ich mein Leben beenden, es gab keinen Sinn mehr. Jetzt weiß ich, dass mein Weg nicht immer nur bergauf gehen wird, aber auch damit bin ich im Frieden.“

Der bei TRE ausgelöste Reflex ist nicht neu, er kommt auch in anderen Heilsystemen und spirituellen Praktiken vor, meist ist er einfach verschüttet. Er gehört zu den unwillkürlichen Regulationsmechanismen des Körpers wie unsere Tränen oder die Atmung. Er balanciert uns auf einer instinktiven Ebene aus, und genau das erleichtert Beziehungen: zuerst die zu uns selbst, und dadurch sehen wir auch die Anderen mit neuen Augen. Ich bin überzeugt: Um mit sich selbst und dem Leben in Frieden zu kommen und warmherzige Beziehungen zu erleben, ist es entscheidend, im Körper anzukommen, die eigenen Reaktionen wahrzunehmen und nicht zu bewerten. Dadurch transzendieren wir unsere begrenzten Vorstellungen und entwickeln Empathie – die Voraussetzung für echte Begegnung.

 


Nächster Workshop am 23./24.7.16 in der Ufa Fabrik:
„Let it out – let it move“ TRE® und Tanz
gemeinsam mit Carmen Rodina, Tänzerin (www.art-of-global-dance.com)

Info und Kontakt unter
Tel. 01573-8941586
oder info@traumaheilarbeit.de
www.traumaheilarbeit.de

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