Urteilen und bewerten: Sollte man versuchen, nicht mehr zu werten? Haben Urteile etwas mit dem spirituellen Fortschritt zu tun?

Sich für das Urteilen verurteilen

Urteile und Bewertungen – das ist die Domäne des Egos. Spirituell fortgeschritten ist nur, wer die Welt stets völlig urteilsfrei im liebenden, nicht-wertenden Gewahrsein wahrnimmt und alles genau so akzeptiert, wie es eben ist. So oder anders könnte ein weit verbreiteter spiritueller Glaubenssatz lauten, der wohl schon so manchen spirituellen Sucher kirre gemacht hat.

Wie viele eifrige Sucher werden sich wohl schon heimlich dafür verurteilt haben, dass sie auch nach dem 150. Satsang noch immer manches doof und hässlich finden? Wie viele klopfen wohl täglich ihrem Mind auf die Finger, wenn er mal wieder rumbewertet? Und wie viele belügen wohl sich selbst und andere darüber, dass sie ja „schon lange nicht mehr werten“?

Wie also kann man mit dem Werten aufhören – oder muss man das gar nicht?

Der Verstand – eine Bewertungsmaschine

Zunächst mal: Der Verstand ist eine Bewertungsmaschine. Dafür ist er gebaut, das ist, was er macht. Bewerten ist eine wichtige Fähigkeit für unsere Sicherheit und unser Überleben. Und genau deshalb mach der Verstand nichts lieber als – bewusst oder unbewusst – Situationen, Menschen und Dinge zu bewerten, das ist sein Job.

Ob eine Situation im Straßenverkehr, ein halbverdorbenes Stück Obst, ein Geschäftspartner – der Alltag ist ohne die Fähigkeit zur Einschätzung und Unterscheidung nicht zu meistern. Der Job des Verstandes ist es, zu möglichst klaren Urteilen und Bewertungen zu kommen, um schnelle und möglichst korrekte Entscheidungen und Reaktionen zu ermöglichen.

Auch unser höherer, intuitiver Verstand tut nichts anderes: Ist etwas gut oder abträglich für uns? Ist eine Entscheidung richtig? Fühlt sich etwas stimmig an?

Ist es wirklich denkbar, dass dieser ganze Mechanismus einfach abgestellt wird? Oder machen sich Menschen, die so etwas behaupten nicht vielmehr etwas vor?

Urteile durchschauen

Wer sich selbst aufmerksam und ehrlich beobachtet, wird feststellen, dass Bewertungen und Urteile die ganze Zeit passieren. Selbst im Zustand völliger Präsenz und Gedankenfreiheit laufen unterbewusste Mechanismen ab, die Situationen und Menschen bewerten und daraufhin körperliche Reaktionen auslösen.

Ich denke darum, ein guter Startpunkt wäre, das Bewerten als gegebene Realität zu akzeptieren. Der Verstand macht einfach seinen Job, er muss nicht alles super oder gleich gut finden, sondern er ist da, um zu bewerten und zu unterscheiden. Die feine Linie verläuft zwischen der Fähigkeit zu bewusster Unterscheidung und der Angewohnheit, unbewusst zu bewerten und verurteilen.

Der große Unterschied dabei ist, wie die Beziehung zu den Bewertungen des Verstandes ist. Denn in vielen Fällen verlaufen diese unbewusst und legen sich wie eine farbige Brille über die äußere Realität. Noch bevor wir die äußere Realität wirklich direkt wahrgenommen haben, hat sich schon ein Vor-Urteil über die Wahrnehmung gelegt. Wir glauben nun, diese vom Urteil getrübte Wahrnehmung wäre tatsächlich die Realität der Situation – was natürlich problematisch ist.

Für mich scheint es unmöglich, das Bewerten komplett abzustellen. Aber man kann sich über diesen Mechanismus bewusst werden und ihn dadurch entkräften.

Wenn ich meine Bewertung und die Situation als zwei getrennte Dinge wahrnehme, entsteht ein Raum, in dem ich meine Bewertung registriere, aber nicht notwendig glaube und der mir die Möglichkeit gibt, zum Beispiel einen Menschen auch jenseits dieser Bewertung wahrzunehmen. „Aha, das ist also die Bewertung. Mal sehen, ob dieser Mensch wirklich so ist.“ Die Bewertung existiert als eine Art „Expertenmeinung des Verstandes“, stellt sich aber nicht zwischen mich und die direkte Wahrnehmung der Situation oder eines Menschen.

Problematisch wird es dort, wo wir die Bewertung mit der Realität verwechseln.

Verantwortung übernehmen

Mir scheint es sehr viel sinnvoller, auf diese Weise ehrlich die Verantwortung für die eigenen Bewertungen zu übernehmen, als ihr Vorhandensein zu leugnen. Nur durch bewusstes Wahrnehmen verlieren sie wirklich ihre Kraft über unsere Realität.

Wenn ich mein Urteil wirklich akzeptiere und wahrnehme, komme ich sehr viel zuverlässiger in einen urteilsfreien Raum, als wenn ich versuche, alle Urteile durch spirituelle Korrektheit zu überspielen. Ganz abgesehen davon, dass mein Gegenüber dies ohnehin unterbewusst wahrnehmen wird.

Lob für den kritischen Verstand

Bei einigen Menschen geht die Angst vor dem Urteilen und Bewerten so weit, dass sie sich gar nicht mehr trauen, zu irgendetwas eine Position zu haben – in der spirituellen Szene ein weit verbreitetes Phänomen. Aber ist wirklich alles gleich wahr und gleich gut?

Ebenso verbreitet ist eine generelle Aversion gegenüber dem Verstand und der Logik – mit teils fatalen Folgen. Wenn ich mir die letzten paar hundert Jahre Religion uns Spiritualität anschaue, sehe ich eher viel zu wenig kritisches Urteilsvermögen, als zu viel davon. So etwas wie radikale Islamisten, Zeugen Jehovas oder andere durchgedrehte Gläubige würde es wohl kaum geben, wenn der kritische Verstand in diesen Glaubensrichtungen nicht bewusst schlechtgeredet und untergraben würde. Und ja, das ist ein Urteil.

Aber auch im kleineren Maßstab findet dies immer wieder statt. Die haarsträubensten Channelings werden kritiklos durchgewunken – man darf ja nicht bewerten und überhaupt darf man das „nicht so vom Verstand her sehen“ – Wahrsager-Hotlines, bei denen Hausfrauen im zwei-Tages-Kurs zum Medium ausgebildet werden setzen Millionen um. Der esoterischen Szene würde in meiner Wahrnehmung mehr kritisches Urteil und mehr Unterscheidungsfähigkeit an vielen Stellen sehr gut tun.

Urteilen und bewerten: Emotion vs. Herz

Gegen den bösen Verstand wird immer das gute Herz gesetzt. Aber aufgepasst: Auf das Herz zu hören oder auf die Emotionen sind zwei sehr verschiedene Dinge. Faschistische Ideologien, wie aktuell zum Beispiel der radikale Islamismus appellieren an die niedersten Emotionen und verkünden gleichzeitig, man dürfe sich nicht von den Zweifeln des Verstandes vom Wege abbringen lassen. Man könne das „vom Kopf her nicht begreifen“ man müsse es fühlen. Diese Menschen sind fest überzeugt, ihrem Herzen zu folgen und blenden alle rationale Kritik an ihrem Glauben und Tun einfach aus.

Das gleiche Schema existiert in vielen spirituellen Schulen. Mit der Wahrheit des Herzens hat das nichts zu tun. Das Herz bedeutet für mich ein„urteilsfreies Unterscheiden“ jenseits von logischen Argumenten, aber auch jenseits von Emotionen. Im Herz integrieren sich alle Informationen aus dem Körper, dem Verstand, den Gefühlen, der Energie und der Intuition zu einer einheitlichen Wahrheit. Nur wenn wir in all diesen Ebenen wach und klar sind, kommen wir zu wirklich einheitlichen, authentischen, integrierten Entscheidungen.

Das ist keine einfache Aufgabe und bis das gelingt, ist es manchmal keine schlechte Idee, Dinge auch mal ganz logisch kritisch zu hinterfragen. Die schrecklichsten Dinge in der Geschichte der Menschheit, sind aus irrationalen Gründen getan worden.

Authentisches Urteil?

Zuletzt: Warum sollte Urteil nicht authentisch sein? Immer wieder hören wir: Alles ist Eins, alles ist gleich-wertig, nichts ist gut, nichts ist schlecht. Ist das wirklich so? Oder gibt es doch einen Unterschied, zwischen Liebe machen und Vergewaltigung, zwischen Massage und Folter? Und wenn wir da nicht mehr unterscheiden und werten wollen – verfolgen wir da wirklich eine höhere Wahrheit des Herzens oder eher ein seltsames spirituelles Konzept?

Auch darüber muss wohl jeder selbst ein Urteil fällen.

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16 Responses

  1. Saleem Matthias Riek
    Alles ist für etwas gut und für etwas anderes schlecht.

    Wann bewerten wir und mit welchem Effekt? Ist Bewerten das Gleiche wie Unterscheiden oder Urteilen? Oder gar Verurteilen.
    Das sind wichtige Fragen, aber eher Nuancen, die auch je nach Sprachgebrauch variieren können.
    Am wichtigsten finde ich, dass wir uns nicht nur unserer Bewertungen bewusst sind, sondern auch des Wertmaßstabes, anhand dessen wir bewerten.
    So ist unser Verstand für eine Matheaufgabe gut, für unsere Intuition aber möglicherweise ein Hindernis. Unsere Ausscheidungen sind als Nahrung schlecht, aber als Dünger vielleicht gut usw.
    Wenn wir uns dessen nicht bewusst sind, dass alles immer nur bezogen auf ein bestimmtes Kriterium gut oder schlecht bzw. richtig oder falsch ist und nicht unabhängig davon, tendieren wir dazu, unsere Bewertungen absolut zu setzen oder mit Wahrheit zu verwechseln.
    Darin sehe ich das Hauptproblem, das sich aber in Schall und Rauch auflöst, wenn wir beginnen, uns für die Werte hinter den Bewertungen zu interessieren und anerkennen, dass andere Menschen möglicherweise andere Werte haben.
    Dieses Bewusstsein öffnet dann auch den Raum jenseits aller Bewertungen.

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  2. giannina
    Eine Selbstverständlichkeit

    ich kann diesen artikel nur mit freude zur kenntnis nehmen, denn darin wird gesagt was gesagt werden muss und was eigentlich eine selbstverständlichkeit sein sollte: dass der bewertungsapparat ein geschenk ist, das man nutzen sollte statt es zu diffamieren. man darf sich getrost fragen, wohin eine spirituelle szene manövriert, die sich den verstand und das urteilsvermögen amputiert wie seinerseit christliche asketen ihre körperlichkeit und sexualität. leibfeindlichkeit ist unsinn, verstandesfeindlichkeit ist unsinn, und wer meint durch enthaltung des urteils einer welt zu dienen die krank ist und leidet, der hat den überblick verloren. was alte philosophen noch wussten, nämlich dass die reifung des urteilsvermögens zur weisheit ein lebenslanger prozess ist, scheint heute kaum noch jemand zur kenntnis zu nehmen, in zeiten in denen man an einem wochenende „erwachen“ und danach möglichst nur noch auf wolke sieben schweben möchte. die vielschichtigkeit des menschen ist zu achten und zu würdigen, und dazu gehört auf der irdischen – also relativen – ebene ein klares, von liebe und weisheit durchdrungenes urteilsvermögen, das wir verantwortungsvoll einsetzen. keine ernstzunehmende spirituelle tradition hat jemals behauptet, man solle das urteilen im alltag abschaffen. dieses missverständnis ist allein in der new age szene gegenwärtig in der man sich noch nie besonders für die komplexität spiritueller schulen interessiert, wohl aber gern hier und da die rosinen herausgepickt hat. da wird dann eine achtsamkeitsübung gern mal im alltag verabsolutiert als urteilsverbot oder eine mystische erfahrung von „richtigkeit“ aller dinge missverstanden als einladung zur gleichgültigkeit dem menschlichen geschick gegenüber. wer spirituelle entwicklung bejaht kommt nicht umhin, neben herzens- und charakterbildung auch urteilsbildung zu betreiben – und bildung an sich schadet übrigens auch nicht ;). liebe grüsse an den autor david, der immer klare worte zu finden weiss!

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    • shumil
      Die Bedeutung der Worte ...

      Hallo,

      ein Be-urteilen von Dingen, Menschen, Ereignissen usw. gehört sicherlich zum bewussten und selbstverantwortlichen Dasein in dieser Welt der Dualität – aber wenn es zu einem Ver-urteilen und Ab-urteilen von anderen Menschen wird, dann sollte man sich doch fragen, ob man damit auf der richtigen Schiene unterwegs ist, die da heisst: „jedem seinen freien Willen“ – bzw.: „wir sind alle auf unserem Weg, jeder so wie er kann und wie es für seine eigene Entwicklung grad angesagt ist“

      Wie Ver-urteilen aussieht, oft sogar als pauschale Rundumschläge gegen ‚falsche‘ Menschen, das zeige ich mal an Beispielen aus deinem Text:

      “ …wohin eine spirituelle szene manövriert, die sich den verstand und das urteilsvermögen amputiert …“

      “ … wer meint durch enthaltung des urteils einer welt zu dienen die krank ist und leidet … “

      “ … scheint heute kaum noch jemand zur kenntnis zu nehmen … “

      “ … ist allein in der new age szene gegenwärtig in der man sich noch nie besonders für … “

      “ … da wird dann eine achtsamkeitsübung gern mal im alltag verabsolutiert … “

      “ … eine mystische erfahrung von “richtigkeit” aller dinge missverstanden als einladung zur gleichgültigkeit … “

      ——————————

      Gemerkt, was du da treibst?

      Alles Liebe!

      (PS: Ein Text im Langblock liest sich schwerer, als wenn er durch Absätze untergliedert ist – ruhig mal eine Atempause gönnen zwischen den einzelnen Sätzen – das nur als Feedback, denn wir wollen doch alle gerne gelesen werden … )

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  3. shumil
    Das UR ...

    …hat sich beim letzten Knall mal wieder in (fast) unzählige TEILchen geteilt, so z.B. allein 8000000000 z. Zt. verkörperte Erdlingsseelen, alle verschieden – diese Unterschiede als Fakten zu bemerken ist m. E. zulässiges UR-TEILEN.

    Für mich wird es unpassend, wenn ich mich (und natürlich andere) beim ver-urteilen, vor-urteilen oder ab-urteilen erwische.

    Was z.B. sollte man von den beiden Aussagen von A. Einstein halten: „Die Dummheit der Menschen ist unendlich“ (in etwa), und „Um ein perfektes Mitglied einer Schafherde zu sein, muss man vor allem ein gutes Schaf sein!“ – er verurteilt damit den grössten Teil der Menschheit, erhebt sich über alle Anderen die nicht so weise sind wie er – aber hat er nicht evtl. Recht (ist es evtl. ein Fakt?), angesichts der Art, wie sich die Masse der Menschen willig von ihren geliebten Medien pausenlos das Gehirn waschen lässt? (Durchschnittlicher TV-Konsum D-land: 4,5 Stunden täglich!) – oder erhebe ich mich damit über alle Anderen, nur weil ich mich in einem breitgefächerten Spektrum von Online-quellen informiere und meine ich sei was schlauer?

    Zum Verstand-Ego (Mentalebene) als Urteiler folgendes:
    Unser Unterbewusstsein (Emotionalebene) braucht 10 SEKUNDEN, um beim Kennenlernen eines neuen Menschen sein Urteil zu fällen: Daumen hoch (mag ich, ist gut) oder Daumen runter (mag ich nicht, ist schlecht)!

    Aus dieser Kiste wieder raus zu kommen ist für den betreffenden Menschen fast unmöglich, ein Daumen-hochler kann sich die derbsten Dinge erlauben, wir werden ihm (fast) alles verzeihen, ihn dennoch mögen, und ein Daumen-runterler kann sich noch so abstrampeln, wir werden (meist) immer ein Misstrauen ihm gegenüber hegen.

    Bei mir stelle ich also fest, dass ich reflexartig (das Unterbewusstsein ist ca. 50.000 mal schneller als der Verstand) urteile und nicht erst mein Hirn einschalte.

    Erscheinungsbild, Geruch, Bewegungsmuster, Klang der Stimme usw. eines mir neuen Menschen (oder z. B. auch einer neuen Speise) sind Faktoren, die mein Unterbewusstsein in den geannten 10 Sekunden mit seinem Erinnerungsspeicher (automatisch!) abgleicht, und wenn es dabei auf ein unangenehmes Erlebnis mit einem ähnlichen Menschen trifft, dann ist das Urteil klar: Daumen runter – und das geschieht völlig ir-rational.

    Antworten
    • shumil
      Das Foto des Autors als Beispiel, wie schnell ich ver-urteile:

      Lieber David, ich meine folgendes nicht persönlich, also bitte an dir abperlen lassen:

      Bartträger sind mir aufgrund traumatischer Erlebnisse in meiner Kindheit zuwider (sorry), und Menschen die auf einem öffentlichkeitswirksamen Foto die Zähne blecken wie ein Raubtier, um besonders freundlich zu scheinen, empfinde ich als ‚falsch‘.

      Beides völlig irrationale ‚Argumente‘, über einen Menschen eine Aussage zu treffen – aber so funktioniert bei uns das automatische, von der Emotionalebene gesteuerte ur-teilen.

      Antworten
    • Kristina
      Wenn die Sprache nicht stimmt ...

      @Shumil
      deine Kommentare sind bestimmt gut gemeint, weil du wohl gegen das „Urteilen“ bist. Doch leider hast du den Begriff „Urteilen“ nicht richtig verstanden und absurde Beispiele gewählt (Bart und Grinsen) sowie Einsteins Sprüche willkürlich benutzt.
      Denn wenn man etwas kritisiert/verspottet (z.B. Aussehen, Bart, Grinsen, Kopftuch etc), ist das noch lange kein Urteil, sondern eine subjektive Meinung.
      Erst wenn jemand Macht hat, andere wegen des Aussehens oder Ansichten zu bestrafen, zu zensieren oder zu kündigen, wäre das ein Urteil und zwar gegen die Menschenrechte.

      Ich kann jedem empfehlen mit der Sprache sorgfältiger umzugehen und über diese Worte von Konfuzius nachzudenken:
      „Wenn die Sprache nicht stimmt, dann ist das was gesagt wird, nicht das was gemeint ist. So kommen keine guten Werke zustande. Also dulde keine Willkür in den Worten“.

      Antworten
      • shumil
        Danke, Kristina ...

        … für diese Worte:

        „… mit der Sprache sorgfältiger umzugehen […] Wenn die Sprache nicht stimmt, dann ist das was gesagt wird, nicht das was gemeint ist.“

        Es ist eines meiner persönlichen Probleme, im Übereifer Dinge zu sagen, die ganz anders ankommen als sie gemeint sind, und du erinnerst mich wieder daran, genauer drauf zu achten, was ich WIE von mir gebe.

        Meine genannten Beispiele sollten aber schon verdeutlichen, wie schnell ich unreflektiert URTEILE, also mein Gegenüber in eine Schublade stecke, wo dieser Mensch aber gar nicht rein gehört (denn das Alles-was-ist ist ja eh nur eine grosse Schublade).

        Am Beispiel des Fotos (Bart, Grinsen) wird doch sehr deutlich, dass ich einen Menschen verurteile ohne ihn zu kennen: ich mag ihn nicht.

        Man kann über die unterschiedliche Auffassung von Wortbedeutungen sowieso ewig diskutieren, es ist ein grosser Mangel an dieser Art der Kommunikation (beim Träumen kennen wir eine viel geeignetere und komplexere Art, das Übermitteln durch Gedanken-Gefühle).

        Für mich persönlich hat Urteilen etwas von Bewerten, einen Stempel aufdrücken, und das ist unabhängig von „Erst wenn jemand Macht hat, andere wegen des Aussehens oder Ansichten zu bestrafen, zu zensieren oder zu kündigen, wäre das ein Urteil …“, denn jeder Mensch urteilt, egal ob er nun Macht hat oder nicht, und in diesem Sinne habe ich auch das Anliegen des Autors verstanden.

      • shumil
        Nachtrag zur letzten Antwort an Kristina

        So ganz „zufällig“ lese ich grad folgendes im Sein.de-Artikel

        „auf-den-spuren-der-bedingungslosen-liebe“

        „Das Entscheidende an der bedingungslosen Liebe ist: Sie urteilt und wertet nicht. […] Bedingungslos heißt, dass sie keinen Unterschied zwischen Gut und Böse, Freund und Feind, Opfer und Täter macht.“

        Da finden sich die hier auch schon aufgetauchten Worte wieder:

        urteilen, bewerten, unterscheiden

  4. Kristina
    Mein Kommentar vom Januar 2015

    Das „Urteilen“ wird oft mit „Meinung bzw. Kritik“ verwechselt, daher ist es wichtig zu unterscheiden, was diese Inhalte bedeuten.
    Während „Meinung“ frei ist (Meinungsfreiheit), sind Urteile machtgebunden, einseitig, endgültig und destruktiv (z.B. Zensur, Schulnote, Gerichtsbeschluss, Kriegserklärung etc.). Sogar einige Richter halten viele Urteile für missbräuchlich.
    http://falschbeschuldigung.org/Frank_Fahsel

    Ein Indianerspruch warnt: „Grosser Geist, bewahre mich davor, über einen Menschen zu urteilen, ehe ich nicht eine Meile in seinen Mokassins gegangen bin“.
    Auch der Bibelspruch warnt: „Durch falsche Zungen sind mehr Menschen ums Leben gekommen als durch scharfe Schwerter“.

    Denn Menschen sind leider fehlbar bzw. korrupt und erzeugen Vorurteile und Fehlurteile (besonders in der Machtposition). Daher werden stets viele Unschuldige verurteilt, während Verbrecher freigesprochen werden, wie schon die Geschichte über die Verurteilung von Jesus und die Freilassung von Barabbas zeigt.
    Und wir alle könnten lange Listen von Falschurteilen/Fehlbewertungen beweisen, die wir aus der Geschichte, Medien und aus unserem Leben kennen.
    Ganz zu schweigen, dass die demokratische Mehrheit kollektiv „legal“ täglich Millionen Tiere zum Tode verurteilt.
    Daher kann es nicht stimmen (wie der Autor behauptet), dass menschliches Gehirn von sich aus urteilt, zumal wir wissen, dass in verschiedenen Kulturen, Epochen und Religionen (trotz biologisch gleicher Gehirne), gleiche Dinge völlig anders (oder gar nicht) beurteilt werden.

    Woher kommt also dieses Übel ?
    Das „Urteilen“ wird uns stets in der Schule antrainiert, indem jedes Kind jahrelang täglich willkürliche Beurteilungen über sich selbst und über Schulkameraden ergehen lassen muss, wie in einem RITUAL.
    Bereits kleine Kinder werden wegen jedem Punkt und Koma „be-not-et“, als ob es not-wendig wäre, Menschen pausenlos auf Schritt und Tritt zu be-urteil-en und zu kon-troll-ieren.
    Dabei führt sich der Schullehrer wie ein Sektenanführer auf, der wie auf einem Altar thront und bestimmte Programme (Wissen, Glaube, Ideologien, Verhalten, Benotung, Strafen etc.) an die zwangsversammelten Kinder überträgt.
    Offenbar sind diese Schul-Rituale und Beurteilungen not-wendig, um unsere Gehirne auf das „Urteilen“ zu konditionieren, um den Freigeist in den Zwangsgeist umzuprogrammieren.
    Solche Schul-Rituale führen dazu, dass wir Gruppenzwang entwickeln, uns selbst und andere ständig willkürlich beurteilen und verurteilen lassen.
    Ein bekannter Spruch sagt:
    „Lehrer sind Leute, die uns helfen Probleme zu lösen, die wir ohne sie nicht hätten“

    Antworten
  5. stevenblack
    Mir gefällt der Beitrag außerordentlich!

    Wenn ich mir die Kommentare so durchlese, die so sehr über „das Ego“ lästern, was ich für einen Fall von Dogmatisierung einschätze – dann frage ich mich, ob da irgendjemand auch seine innere Arbeit macht, oder nur irgendwelche Literatur nachbetet? Es gibt nichts zu finden? Oh doch, sehr viel – kein Wunder, wer glaubt es gäbe ihn nicht, oder das alles nur eine Illusion sei, der wird natürlich massive Probleme mit der Welt haben. Immerhin sagt man damit, man sei nicht existent ..

    Ich sehe kein Problem im Ego, die Frage ist nur, was für eines hat man. Sehr hilfreich dabei, war die Arbeit von Daniel S. barron – die ich jedem nur ans Herz legen kann.

    freundliche Grüße,
    Steven

    Antworten
    • Halun Sotha

      Hallo Steven 🙂
      ich habe nicht gesagt, das es nichts zu finden gibt. Vielmehr sich diese Frage selbst stellt und somit in die Tiefe(n) geht. Wenn dann stiller wird…das ist es. Man kann darüber nur schweigen. Über das Ego habe ich auch nicht gelästert. Dogma ist, zu behaupten dass andere, die deinem Weltbild nicht entsprechen, „erhebliche Probleme mit der Welt haben“. Was hast du denn für Probleme? Verstehen tue ich das nicht.

      Antworten
  6. Halun Sotha
    ...und schon wieder ein bekehrer 😉

    Als ich die Überschrift des Atikels laß, dachte ich mir auf einen interssanten Bericht gestoßen zu sein. Es ist, wie die meisten „Sucher“ wissen viel dazu gesagt, auseinandergenommen, für richtig oder falsch erklärt, das eine oder andere für „nicht spirituel“ artikuliert, und und und, wie auch dieser Autor es hier tut. Ich vielleicht auch in diesem Moment. Es sind nunmal Ego-Spiele, dass es ja so liebt zu „wissen“. Es ist, gelinde gesagt verlogen, auf verlogene Ideologien oder Glaubenssätze einzugehen um auf die eigene Ideologie oder Glaubenssätze hinzuweisen. Unabhängig davon ob was stimmt oder nicht. Da ist überhaupt nichts durchschaut. Im Gegenteil, schaut man auf die Website des Autors, scheint es das selbe Spiel zu spielen. Anleitungen, sich selbst zu finden, bevor die Frage gestellt wird, ob es überhaupt was zu finden gibt.

    Antworten
    • shumil
      Bei den Artikeln des Autors ...

      … fällt mir ebenfalls auf, dass oft zum Anfang erstmal über die Schar der verblendeten Esos abfällig geschmunzelt wird, um dann die eigene Weisheit zu verkaufen.

      Ich persönlich nutze ihn als meinen Spiegel, um zu schauen, wo-wann-wie ich selbst mich über andere erhebe … nobody is perfect!

      Antworten
  7. Bernd Rosenmueller

    Da gibt es eine klare Sache, dies ist das Unterscheiden. Unterscheiden zwischen Urteilen und Unterscheiden zum Beispiel.
    Urteilen ist ein absoluter Vorgang und wenn wir uns das anmassen, hier in der Welt wo alles relativer Natur ist, stellen wir uns auf eine Stufe mit Gott. Das aber ist es gerade was wir so nicht können, da uns das absolute Verständnis nicht möglich ist von den Vorgängen in der Welt.
    In der Bibel heißt es nicht umsonst, dass wir nicht richten (also Urteilen) sollen um nicht selbst die Folgen eines solchen Urteils tragen zu müssen.
    „richtet nicht, auf das ihr nicht selbst gerichtet werdet“.
    Da wir aber nie genug wissen um wirklich Ur-Teilen zu können, liegen wir immer nur relativ richtig und genauso relativ falsch, nämlich aus dem Blickwinkel derer, die etwas anderes über einen Vorgang wissen, den wir zu beurteilen uns erlauben.

    Und wenn wir uns selber beurteilen oder sogar verurteilen, so tun wir dies immer aus unseren Vorstellungen heraus, die wir von Anderen (Eltern, Schule, Gesellschaft) übernommen oder anerzogen bekommen haben.
    Nicht zu Urteilen bedeutet so, die Welt und das was uns begegnet mit unkonditionierten Verstand zu sehen „so wie es ist“.
    Das bedeutet nicht, es nicht zu unterscheiden.

    In unserer Welt mit ihren Gegensätzen zwischen gut und böse, ist nicht alles eins.
    Es ist sozusagen unendlich ge(ur)teilt und das durch den Schöpfungsakt oder die
    Ur-Teilung – aus dem „Einen“ in unendlich vielfältige Teile.
    Jenseits dieser Ur-Teilung oder sichtbaren Schöpfung (unserer Welt), ist weiter „Alles Eins“ aber nur dort. Bei Gott, kann man das nennen.

    Andererseits aber eine Unterscheidung zu treffen, vor allem zwischen der Liebe und was der Liebe nicht dient, ist was wir tun sollten und das ist frei von Urteil.
    Frei zu entscheiden, welchem Weg wir folgen, ist, was uns gegeben ist.
    Erst wenn wir aus dem Urteilen herausfinden und zu unterscheiden beginnen, können wir auf eine absolutere Weise erkennen was wirklich gut für uns ist.
    Ob wir besser der Liebe dienen oder weiter alles beurteilen, wird uns kaum weiter Kopfzerbrechen bereiten.

    Oder nochmal anders:
    Solange wir urteilen, stellen wir uns der wahren Liebe entgegen. Wir helfen sozusagen den Kampf zwischen den Polen „Gut und Böse“,“ Falsch und Richtig“ aufrecht zu erhalten.
    Hören wir auf zu be-ur-teilen (andere, uns selbst) kommen wir aus dieser Schlaufe heraus und können uns der klaren Unterscheidung zwischen Liebe und Nicht-Liebe, Licht und Dunkel zuwenden.
    Damit nähern wir uns Gott.

    Ich verweise auf die Artikel und website von Armin Risi, der nach seinem langen Leben in vedischen Klöstern, dem Studium und der Übersetzung der indischen Vedanta, tiefen Einblick in diese Fragen gewonnen hat und auch sehr detailiert vermittelt.
    Sei noch sein Buch „Licht wirft keine Schatten“ hierbei empfohlen.

    Antworten
    • Martina Mach
      Alles hat zwei Pole

      Das Bewerten und Werten ist ganz klare Sache des Egos – wir stellen uns über andere, damit wir uns in diesem Moment besser fühlen und unser Nicht-Wert-Sein, das wir für uns empfinden im Be-Werten des Gegenübers nicht sehen müssen.
      Dass das Nichturteil über andere eine Herausforderung für uns darstellt, steht außer Frage.
      Aber der Weg zu Gott ist für uns nun mal keine leichte Aufgabe und wer sich auf diesen Weg begeben will, wird nicht nur weinend auf seine „Vergehen“ aufmerksam, sondern erfährt eine unendliche Fülle an Erkenntnissen und öffnet Schritt für Schritt das Herz für das eigene Sein.
      Und wer sich selbst ehrliche Wertschätzung, Verständnis und Liebe entgegenbringen kann, wird manchmal mit überfallsartigen Energiewellen der Freude beschenkt, die einfach so da sind, ohne dass etwas im Außen passiert und wenn man dann noch plötzlich Verliebtheitsgefühle für sich selbst empfindet, dann können wir sicher sein, die richtige Ausfahrt am Kreisverkehr zu Gott genommen zu haben.
      Das Gesetz der Polarität beschreibt dass alles zwei Pole hat – Liebe – Hass, Fülle – Mangel usw. und all diese Energien sind im irdischen Dasein vorhanden. Der Unterschied zwischen beiden ist der Grad der Schwingung. Es liegt alleine an uns, für welche Seite wir uns entscheiden – Selbstverantwortung auch dafür zu übernehmen.
      Wenn wir erkennen, dass wir wieder im Be-Werten sind, dann verändern wir wieder unser Denken über diese Situation – verändern die Schwingung und durch Praxis wird das auch immer schneller möglich sein.

      Natürlich ist es leichter dies alles in einem Kloster in Abgeschiedenheit und Stille zu praktizieren, als in der Straßenbahn auf dem Weg zur täglichen Arbeit. Fernab des Trubels im Alltag wäre für viele die Erleuchtung greifbar nahe.
      Aber anscheinend haben wir uns eine größere Herausforderung gesucht um die wahre Liebe zu leben – „Mutige Seelen“ wie es schon im Buch von Robert Schwartz beschrieben ist.

      Antworten
    • shumil
      Wortdefinitionen?

      Unterscheiden (und dann auswählen) gefällt mir persönlich besser als urteilen im Sinne von verurteilen, passt!

      „Wir helfen sozusagen den Kampf zwischen den Polen “Gut und Böse”,” Falsch und Richtig” aufrecht zu erhalten.“

      Wer auf diesem Planeten der Dualität inkarniert, will ganz bewusst das Spiel der beiden Pole spielen, um es irgendwann zur Genüge erfahren zu haben und dann hinter sich zu lassen.

      Solange ich aber noch nicht wie der Weisheitslehrer Christus bin und ALLES bedingungslos akzeptiere und liebe, spiele ich das Spiel, zu dem ich hierher gekommen bin, ohne mich schuldig zu fühlen – bin mir aber möglichst in jedem Moment bewusst, was da gerade mit mir geschieht.

      Antworten

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