Befragt man Menschen, ob sie gerne etwas in ihrem Leben verändern wollen, bekommt man meist ein klares Ja und eine lange Wunschliste, was sich denn ändern soll. Eine unüberschaubare Anzahl von Ratgebern bedient mittlerweile diese Wünsche. Doch die ersehnte Verwandlung passiert eher selten. Joachim Klöckner verrät, warum das so ist, und zeigt, was es braucht, damit das Leben in neuen Bahnen verläuft.

 

Damit Veränderung in uns geschieht, braucht es eine bestimmte Struktur. Diese Erkenntnis hat sich aus den Aufzeichnungen vieler Autoren, den Ergebnissen der aktuellen Neurowissenschaft und den Erfahrungen meiner Arbeit herauskristallisiert.

Erstens: Veränderungen brauchen eine  Abweichung von einem Idealwert. Dann entsteht die Energie und die Lebendigkeit, diese Abweichung, diesen Unterschied auszugleichen. Was heißt das? Dazu ein Beispiel: In unserem Organismus ist ein Idealwert für unseren Blutnährstoffgehalt gespeichert, ähnlich wie bei der Körpertemperatur oder dem Sauerstoffgehalt des Blutes. Unser Organismus misst diese Werte permanent und vergleicht sie – und verarbeitet dabei zirka 15 Millionen Impulse pro Sekunde. Darin enthalten sind auch die Rückmeldungen aller Sinne. Bewusst sind uns davon nur rund 50 Impulse. Zeigt sich ein Unterschied zum Idealwert, entsteht ein Gefühl. Zum Beispiel das Gefühl von Hunger, der zu dem Handlungsimpuls führt, etwas zu essen. Je größer der Unterschied, desto stärker das Gefühl.

Das Ganze ist ein Kreislauf: Aktuelle Eindrücke werden mit gespeicherten Werten verglichen. Stellt das System einen Unterschied fest, entsteht die Energie, ihn auszugleichen. Wir spüren dies als Gefühl verbunden mit dem Handlungsimpuls. Nach der Handlung wird wieder verglichen. Hat sich der Unterschied verändert, verbindet unser Körpersystem das wieder mit einem Gefühl und speichert es als Erfahrung. Ist der Unterschied aufgelöst, werden Belohnungsstoffe erzeugt. Entspannung, Wohlgefühl und Freude entstehen.

 

Vorstellungen erzeugen Gefühle

Der bisher beschriebene Ablauf geschieht unbewusst. Doch wir können an zwei Stellen dieses Prozesses Einfluss nehmen. Wenn wir beispielsweise fasten, spüren wir das Hungergefühl und den Impuls zu essen. Doch bevor wir zum Kühlschrank rennen, ergänzen wir die Vergleichswerte mit einer Vorstellung. In diesem Fall: Fasten ist gut für den Organismus. Durch diese Vorstellung verändert sich bereits der Unterschied. Das Hungergefühl wird schwächer und hört nach einer Weile auf.

Jetzt fängt es an, spannend zu werden. Allein mit unseren Vorstellungen bewirken wir die Entstehung von Gefühlen mit Handlungsimpulsen. Wir können also bewusst einen Unterschied erzeugen für die Energie zur Veränderung. Eine Initialzündung, die eine  Veränderung in Gang bringt, kann erst einmal ein neuer Gedanke sein. Nehmen wir als Beispiel das Thema Höhenangst. Wenn ich meine Höhenangst überwinden will, kreiere ich mir als erstes ein Bild, in dem ich auf einem hohen Haus stehe, an den Rand gehen und hinunterschauen kann. Es ist dabei wichtig, ein Bild davon zu entwickeln, was ich mir als Ziel wünsche, und keine Vorgabe, wie es nicht sein soll. Es geht also darum, eine positive Position (ich kann hinunterschauen) zu beziehen und keine Negation (ich will keine Angst mehr in der Höhe) aufzustellen. Nun kommt ein entscheidender Punkt. Denn jetzt taucht Angst auf – je nach Vorerfahrung mit neuen Räumen (und das Stehen auf einem Haus am Rand des Daches ist ein neuer Raum, den wir bisher aus Angst gemieden haben) reicht das Spektrum von Vorsicht bis hin zur Panik. Denn alles Neue löst in uns erst einmal Angst aus. Das ist normal! An dieser Stelle scheitern schon die meisten Veränderungsansätze, weil die Angst als bedrohlich interpretiert und in der Unwissenheit über die normale Struktur von Veränderung, in der Angst einen ganz natürlichen Platz hat, sofort weggedrückt wird.

 

Angst gehört dazu

Wichtig ist hier zu erkennen, dass die Angst an dieser Stelle vollkommen richtig ist. Es geht nicht darum, sie zu verdrängen und zum alten Zustand zurückzukehren. Oft werden dabei Gefühle – wie auch das der Angst – als übergeordnete, wahre Botschaften interpretiert (“das fühlt sich nicht gut an und ich vertraue meinen Gefühlen und gehe da nicht hin”) und nicht als Folge unseres Denkens erkannt, das an erster Stelle für unsere Sicherheit sorgt und uns im Alten halten will – auch auf Kosten der Lebendigkeit. Dadurch haben wir keine Chance, die Gefühle zu hinterfragen, den Unterschied zu erkennen, den diese Gefühle anzeigen – beispielsweise bei der Höhenangst den Unterschied zwischen einem natürlichen, angemessenen Umgang mit Abgründen und einem durch frühere Erfahrungen gestörten Umgang –, und können damit auch keinem neuen, kreativen Handlungsimpuls folgen, um diesen Unterschied aufzulösen.

Es geht darum, die Veränderungs-Energie der Angst in Mut zu verwandeln – und das funktioniert nur über kleine Schritte. Das heißt beim Thema Höhenangst, nicht gleich auf ein Hochhaus zu steigen, sondern bei wenigen Metern über dem Boden zu beginnen. Und immer wieder die Angst dabei zu spüren und sie als angemessen, ja, als Freund zu begrüßen. Auf diese Weise entsteht durch die wiederholte und erfolgreiche Umsetzung unserer kleinen Schritte ein positives Gefühl aus unserem inneren Belohnungssystem und wird als neue Erfahrung gespeichert. Veränderung benötigt auch Zeit: Gewohntes ist fest in unseren neuronalen Netzen installiert. Je öfter es benutzt wird, desto dicker die Synapsen. Beharrlichkeit ist also notwendig. Es braucht mehrere Wochen, bis sich die alten Netze reduzieren und neue Strukturen entstehen. Alte Erfahrungen auf diese Weise mit kontinuierlicher Arbeit und Aufmerksamkeit durch neue zu überlagern, dauert nach meiner Erfahrung ungefähr ein bis zwei Monate.

 

Begrenzte Möglichkeiten

Das genetisch Vererbte und zwischen der fünften Schwangerschaftswoche und dem fünften Lebensjahr Gespeicherte macht 90 Prozent unserer Struktur aus und bildet damit die Grundlage unseres Wesens. Diese Kernstrukturen zu ändern, ist extrem schwer und nur über jahrzehntelanges intensives Training in den Griff zu bekommen. In einem begrenzten Rahmen ist es allerdings möglich, über die eigenen Wahrnehmungsfilter – also die besagten 50 Impulse, die uns bewusst sind und die 15 Millionen unbewussten Impulsen gegenüberstehen – einen Unterschied zum Positiven zu erzeugen. Mit negativen Gedanken (Impulsen) in den Tag zu starten lässt uns in diesem Sinne nur Negatives erkennen, während Verliebtheit uns alles in rosaroten Farben wahrnehmen lässt. Wenn ich also beispielsweise im Laufe des Tages merke, wie sich mein Wahrnehmungsfilter Richtung Frust verändert, hilft mir der Satz “Joachim, ich mag dich”, und ich merke, wie meine Mundwinkel hochgehen und ich die Welt mit anderen Augen sehe.


Abb.: Diese Skizze zeigt den Kreislauf, wie Eindrücke, die wir erhalten, mit Vorgaben aus Organismus, Erfahrungen und Vorstellungen (Positionen) verglichen werden. Stellt unser System einen Unterschied fest, entstehen bestimmte Gefühle (wie Hunger), die zu Handlungsimpulsen führen (essen!), um den Unterschied auszugleichen. Der rote Weg zeigt die Möglichkeit der Einflussnahme auf diesen Prozess durch unsere Vorstellungen (ich sage mir, dass Fasten gesund ist, muss also den Unterschied nicht durch Essen ausgleichen). Durch neue Erfahrungen werden die Eindrücke anders interpretiert – wir werden bestenfalls freier und weiter.

Über den Autor

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ist Rituallehrer, Therapeut und Coach. Er begleitet Menschen in individuellen Veränderungsprozessen.

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Eine Antwort

  1. Aaron

    Wäre es möglich die dna zu verändern fals ja könte ich dan auch die dna von einer spien auf meine zu übertragen und die fähigkeit wie spider mann zu bekomen

    Antworten

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