Neulich kam ein Mann zu mir und beklagte sich, dass seine Frau sich wie ein Kind verhält. Sie geht nicht arbeiten, bekommt von ihm Gehalt und geht nur ihren Freizeitaktivitäten nach. Er ist ein Geschäftsführer mit drei Firmen, und wenn er abends nach Hause kommt, stört es ihn, dass er auch noch Hausarbeit machen muss. Er fühlt sich allein und im Stich gelassen von seiner Frau. Als ich ihn fragte, wann er sich das erste mal in diesem Leben so gefühlt hatte, fiel ihm sofort eine Situation ein, als er als dreijähriger Junge wegen eines Harnleiterverschlusses ins Krankenhaus kam. Seine Mutter begleitete ihn und verließ ihn nach eine Stunde wieder. Er war allein im Krankenhaus und wusste nicht, wie lang er hier sein würde. Die Krankenschwester war kalt und herzlos. Er wünschte sich so sehnlichst, dass seine Mutter zur Tür reinkäme und ihm das Gefühl von Sicherheit und Liebe vermittelte. Aber sie kam nicht, und die Tage vergingen. Ihn plagte die Unsicherheit, dass er nicht wusste, wie lange er noch allein im Krankenhaus sein musste.

Er war enttäuscht und fühlte sich von seiner Mutter allein und im Stich gelassen. Von diesem Zeitpunkt an beschloss er niemandem mehr zu vertrauen. Er entschied, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und alles allein zu machen. Die einzige Person, der er noch vertrauen konnte, war er selbst. Seine unbewussten Glaubenssätze führten dazu, dass er mit 51 Jahren bereits zwei Burnouts hatte. Sein Misstrauen kreierte soviel Stress in seinem Leben, dass er sich ständig krank und energielos fühlte. Durch seines Misstrauens anderen gegenüber hatte er das Gefühl, überall aushelfen zu müssen und trotz seiner Angestellten alles selbst erledigen zu müssen. Nichts lief ohne ihn, sodass also auch noch die Hausarbeit auf ihn warten musste, bis er am Abend zu Hause war. Seine Frau verhielt sich genau so, wie er es unterbewusst von ihr erwartete.

Indem er NUR sich selbst vertraute, sagt er seiner Frau ständig auf einer unbewussten Ebene: „Lass mich es machen, denn ich vertraue dir nicht. Du wirst mich nur enttäuschen. Genauso wie meine Mutter damals.“ Die Frau sagte sich währenddessen: „Na gut, ich mache mein Ding. Du vertraust mir ja eh nicht.“ Die beiden waren sich ihrer unbewussten Kommunikation nicht bewusst. Sie stritten sich ständig im Alltag, da sich beide auf bewusster Ebene etwas ganz anderes wünschten. Als der Mann erkannte, dass er sich in Wahrheit diese Realität selbst kreiert hatte, verstand er auch, dass er Schöpfer seines eigenen Lebens war und er niemand anderen dafür verantwortlich machen konnte. Damit lösten sich bereits viele Missverständnisse auf. Und mit diesem neuen Schöpfungsbewusstsein konnte er sich ja genauso gut einen angenehmeren Film kreieren.

Aber wie? Was dieser Mann als kleiner Junge im Krankenhaus lernen wollte, war wahres Vertrauen. Vertrauen darauf, im richtigen Moment „Nein“ zu sagen. Vertrauen darauf, dass, wenn er wirklich Hilfe benötigte, diese auch da ist. Vertrauen in sich selbst, seine Gefühle und Wünsche äußern zu können. Vertrauen darauf, dass er damit gehört wird. Jetzt weiß er, dass es wichtig ist, die eigenen Gefühle auszudrücken. Und er traut es sich zu, weil er es sich selbst wert ist. Ein großes Geschenk an ihn selbst und die Beziehung.

Robert Ender

www.puretheta.de

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