Homöopathische Antworten am Puls der Zeit

von Werner Baumeister

 

Spätsommer 1979. Ich war 17 Jahre alt und mit einem Freund auf „Tour de France“ in einem alten VW-Bus. Fahrer war der zwei Jahre ältere Bekannte meines Freundes, der ebenfalls mit von der Partie war. Als wir uns im südfranzösischen Aix en Provence in einem kleinen Schwimmbad abkühlten, waren wir dort wohl die einzigen Deutschen. Mein Freund und ich waren bereits mit zwei attraktiven französischen Schwestern im Gespräch. Unser – leider nicht gerade mit männlicher Attraktivität gesegneter – Fahrer fühlte sich als fünftes Rad am Wagen und war daher sowieso schon schlecht gelaunt, als ich dann auch noch eine nicht böse gemeinte, aber blöde Bemerkung über ihn fallen ließ. Wir waren alle im Wasser, als er, der etwas gedrungen und von massiger Statur war, mich plötzlich und blitzschnell in den Schwitzkasten nahm und untertauchte. Meine Bemerkung hatte das Fass in ihm zum Überlaufen gebracht. Wie von Sinnen hielt er mich im Schwitzkasten unter Wasser. Er wollte nur noch eins: TÖTEN!

Sofort begann ich mich, selbst größer als er und an Land sicherlich überlegen, mit aller Kraft zu wehren. Aber der Schraubstock seiner Umklammerung zog sich nur noch enger zusammen. Durch das Wasser konnte ich sehen, wie mein Freund auf ihn einredete – ohne Erfolg. Langsam wurde es eng für mich und ich versuchte eine allerletzte Strategie: Ich gab mich völlig leblos. Aber auch das beeindruckte ihn nicht wirklich. Erst im letzten Moment vor der Bewusstlosigkeit entließ er mich, warum auch immer, aus seiner tödlichen Umarmung. An Land war dann eine ordentliche Tracht Prügel für ihn fällig, aber im Wasser hatte er mich überwältigen können und mir – getriggert durch seine unglaubliche Wut – eine geradezu geburtstraumatische Erfahrung beschert.

Das alles kam mit Einnahme der homöopathischen Arznei Anaconda (eine Würge- und Wasserschlange) wieder hoch! Würgeschlangen wickeln sich um die Beute und ziehen die Schlingen fester, jedes Mal, wenn sie Muskel-/ Atembewegungen oder Kreislaufanzeichen der sich wehrenden Beute bemerken. Der steigende Druck auf den Brustkorb stoppt den Blutfluss zum Herzen, bis die Beute an Kreislaufversagen stirbt. Durch das Maul zieht dann die Peristaltik der Schlange das Opfer tiefer und tiefer in ihren Körper hinein – eine vom energetischen Erleben perfekte Kopie unserer Geburt, bei der die Wehen uns auch durch den engen Geburtskanal pressen. Das dabei immer wieder auftretende Feststecken auf unserem Weg nach draußen gehört zu unserer Urmatrix, die uns auch später im Leben immer wieder begegnet. Jeder von uns hängt oder steckt dabei woanders fest, hat an einer anderen Stelle seinen Würger, wird von etwas anderem im Sinne einer äußeren Übermacht gewürgt. Oder wir machen das Thema an einer Essstörung fest und würgen entweder etwas raus oder etwas rein als Ausdruck unseres emotionalen Hungers.

Verlust des Urvertrauens

Zentrales Schlangenthema in der Homöopathie ist immer der Fall aus der paradiesischen Einheit in die Polarität (Gut und Böse) und der damit verbundene Verlust des Urvertrauens. Homöopathisch begleiten die Schlangen unseren Weg zurück aus der Dualität in die Einheit. Sie stehen für Hingabe und ermutigen dazu, sich dem Leben wieder anzuvertrauen. Emotionaler Fokus ist das Thema Verlassenheit und Einsamkeit. Analog sind Schlangen, ihres Zeichens Nestflüchter, wenn sie geboren werden, gleich erwachsen. Sie kennen nicht die Sicherheit und den Schutz einer fürsorglichen Elternschaft.

Aus meiner homöopathischen Erfahrung begleiten uns die evolutionär älteren Würgeschlangen, die mit physischer Gewalt Herzschlag und Atmung ihrer Beute unterbinden, durch den Geburtskanal sowie durch unsere später im Leben immer wieder reinszenierten Geburtstraumata, während die evolutionär „verfeinerten“ Giftschlangen unsere Geburt in die Dualität dieser Welt und die Spaltung zwischen Gut und Böse thematisieren. Korrespondierende Gefühle sind hier Misstrauen, Verfolgungswahn sowie permanente Angst vor Hinterhalt, Heimtücke und Verrat.

Vom Gewürgt- zum Gehaltenwerden

Beeindruckend war auch meine homöopathische Erfahrung mit der Pythonschlange.
Es sollte ein sehr gesunder und kreativer Tag werden. So der Plan. Ich hatte nachts zuvor ayurvedische Detoxkräuter genommen, fühlte mich sehr gereinigt, wollte so vorbereitet diesen Artikel schreiben und danach noch zum Yoga gehen. Aber dann nahm ich Python, und es kam alles ganz anders. Eigentlich hatte ich mir einen sofortigen Kraftschub erhofft, eine oft bestätigte Heilwirkung der homöopathischen Würgeschlangen. Stattdessen floss die eh an diesem Tag schon dürftige Lebenskraft vollends aus mir heraus und ich hatte, um einen Kollaps abzuwenden, nur noch einen Gedanken: Currywurst mit Pommes, Mayo und Cola. An Yoga war danach trotzdem nicht zu denken, denn ich wollte mich nur noch ganz schnell irgendwo hinlegen.

Ich entschied mich für eine Massage, und auch diese Situation endete nach einer Stunde völlig unkonventionell, indem sich die Masseurin auf mich legte, mich ganz fest umklammerte und eine gefühlte Ewigkeit nicht losließ. Kurz erinnerte ich mich panisch, dass genau diese Situation für mich ein Horrorszenario vieler meiner Beziehungen und manchmal sogar ein Flucht- und Trennungsgrund war. Immer dasselbe: Meine Partnerin glückselig und ich mit Herzbeklemmung und in panischer Erstickungsangst! Zu meinem großen Erstaunen wich aber jetzt die kurze Beklemmung einem Gefühl von Glück und Geborgenheit. Ich fühlte mich nicht gewürgt, sondern ganz im Gegenteil GEHALTEN, ganz sicher, und konnte endlich meine Kontrolle loslassen, erdrückt und überwältigt zu werden.

Resumee des Tages: Statt ayurvedischer Ernährung, Yoga und Arbeitsdisziplin Currywurst/Pommes, erotische Massage und die folgende befreiende Erkenntnis: „Eingeengt durch unsere Kontrollanstrengungen, helfen uns die Würgeschlangen homöopathisch, unser „Wollen“ los- und uns stattdessen führen zu lassen, uns an-zu-vertrauen!“ Würgeschlangen wie der Königspython öffnen uns dabei auch wieder für den jetzigen Augenblick, der uns durchs Pläneschmieden, durch eingefahrene Lebensschienen und innere Verbote – die oft nichts damit zu tun haben, wie das Leben sich bewegen will – verloren gegangen ist. Unsere inneren Stop-Schilder verhindern fast ständig, dass wir unseren Impulsen folgen und die göttlichen Gelegenheiten beim Schopfe packen.

Würgeschlangen verführen uns oft zu einem unkonventionellen Schritt ins Leben, weil der Weg unserer Wahrheit eben auch vielfach ein ver-rückter Weg ist! Lassen wir uns also ver-rücken, auch jenseits unserer Konvention! Folgen wir dem Leben!

Das Drama der besitzergreifenden Liebe

Beziehungen sind natürlich ein phantastischer Spielplatz für den Würgeschlangenprozess.
Was umwickelt wird, versucht sich in Todesangst zur Wehr zu setzen und den Übergriff zu bekämpfen, wie folgende Python-Leitsymptome zeigen: fühlt sich in einer erstickenden Beziehung wie gefangen und ohne Fluchtmöglichkeit; verweilt in einer die eigene Entfaltung erdrückenden Beziehung, weil sie zumindestens Sicherheit gibt; sich an den Partner klammern; Abhängigkeit vom Partner. Typisch für die Würgeschlangen ist hierbei, dass sich beide – der mächtigere genauso wie der machtlose Partner – durch die Beziehung eingeklammert und abhängig fühlen, wie folgende Boa-Leitsymptome zeigen: Angst vor Chaos und Kontrollverlust; Versuch, durch Willensanstrengung und dominante Kontrolle der Umgebung die Ordnung festzuhalten oder wiederherzustellen. Wut und Verzweiflung, wenn das nicht klappt.
Solche Formulierungen höre ich seit 25 Jahren in meiner Praxis von Klienten, wenn sie in ihren Partnerschaften leiden. Hier können die Würgeschlangen ein großes homöopathisches Geschenk sein!

Homöopathische Würgeschlangen: Befreiung aus überlebten Ritualen

Mit einer anderen Würgeschlange, der Königsboa, finde ich endlich die Kraft zu radikalen Lebensveränderungen. Sie gibt mir den entscheidenden Anstoß, an zwei möglichen Sprung- und Wendepunkten meiner Biographie auch wirklich zu springen! Ich bekomme nicht nur regelrecht Lust, mich aus jahrelang gepflegten Ritualen zu befreien, sondern auch die dafür notwendige Energie steht plötzlich bereit! Entscheidender Anstoß, ritualisierte Automatismen radikal, also an der Wurzel (radix) zu verändern, ist dabei ein Prozess, der mir glasklar vor Augen führt, was der Preis dafür ist, längst Überlebtes gegen alle Erkenntnis weiterzuführen.

1. Sprungpunkt: Vor zwei Jahren empfahl mir ein Energieheiler eine Zeit des Alleinseins und der Beziehungsabstinenz. Am Wochenende nicht allein zu sein, sondern den Samstagabend mit einer Frau zu verbringen, war allerdings bisher meine Versicherung gegen eine abgrundtiefe Urangst vor Einsamkeit, der ich so ausweichen konnte. Selbst die zunehmend massiveren Atembeklemmungen nach dem Sex, der für mich zum Schluss mehr verpflichtender Teil dieses regelmäßigen Fluchtrituals als echtes Bedürfnis war, konnten mich nicht zur längst überfälligen Trennung bewegen – so lange, bis ein Freund mich fragte, auf welchen „Gong“ ich symptomatisch eigentlich noch warten wolle.
Mit der Königsboa finde ich dann den Mut zur Abnabelung. Sie begleitet mich bei meinem Alleingang durch die Berliner Samstagnacht. Beim Erwachen am nächsten Morgen begrüßt mich das Leben in einer Intensität, als wäre ich ein gerade aus der Haft entlassener Lebenslänglicher.

2. Sprungpunkt: Seit Jahren habe ich mein Morgenritual. Mit dem Taxi in mein Stammcafe, dann zwei Croissants mit Kaffee, stundenlang sitzen und geistig arbeiten, dann mit dem Taxi zurück. Wenig Bewegung und Nährwert gegen Null. Mit der Würgeschlange geschieht das bisher für mich Undenkbare. Ich sehe plötzlich glasklar, wo das in ein paar Jahren gesundheitlich hinführt, und beschließe – zunächst für sechs Monate – einen völlig neuen Tagesstart. Morgens eine Stunde zum Yoga und dann wie früher Frischkornbrei nach Dr. Bruker. Ich bin gespannt, wie mir das bekommt.

Rituale an sich sind erstmal nichts Negatives. Sie ermöglichen uns eine Fokussierung unserer Energie. Aber sie können erstarren zur leblosen Form, wenn wir aus Angst vor dem unbekannten Neuen an ihnen festhalten. Dann degeneriert das Ritual zu einem selbsterschaffenen Würgegriff, in dem unsere Lebendigkeit zunehmend erstickt. Hier greift das befreiende Potential der homöopathischen Würgeschlangen und schenkt uns die Klarheit und Kraft für den Schritt aus der Umklammerung.

Homöopathischer Themenbereich

Die Würgeschlangen Königspython, Tigerpython, grüne Baumpython, Anaconda, Boa constrictor, Regenbogenboa und Aesculapnatter unterstützen uns an möglichen biographischen Sprungpunkten in eine neue Lebendigkeit.

 

Schlagworte (mit Links zu weiteren Artikeln von Werner Baumeister):
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Werner Baumeister

ist Arzt und bietet individuelle homöopathische Begleitung an.

30 Jahre Erfahrung in eigener Praxis in Berlin.

Einzeltermine nach Vereinbarung, Behandlungstermine zum Thema des Artikels jederzeit möglich.

Information zu aktuellen Workshops immer auf der Seite „Homöopathie am Puls der Zeit

(mit Themenregister aller Artikel) sowie unter Tel.: 0172 – 391 25 85 .

Oder Newsletter mit aktuellen Terminen abonnieren unter E-mail w.baumeister{at}gmx.net .

Die homöopathischen Arzneibilder von Werner Baumeister verstehen sich immer auch

als homöopathischer Spiegel aktuellen Zeitgeschehens.

 

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