von Alan Lowen

Zum großen Teil ist die menschliche Gesellschaft ein Chaos von Persönlichkeiten, die ihre Geschäfte miteinander abwickeln, als ob jeder das tun würde, was wirklich zählt. Wir wachsen in diesem Theater des Lebens auf, und wir können unser ganzes Leben so verbringen, von der Wiege bis ins Grab, ohne ein einziges Mal herauszutreten. Wenn wir dennoch heraustreten, geschieht eines von zwei Dingen. Entweder wir sind außerordentlich glücklich und erleichtert, irgend etwas tief in uns, das diese ganze Scharade nie so ganz verstanden hat, jubelt, weil es sich plötzlich Zuhause fühlt. Es liebt das Wirkliche! Oder wir haben schreckliche Angst, weil wir so viel investiert haben in die Illusion, die im Innern des Theaters gelebt wird, vor allem in unsere eigene, daß wir schnell zurückrennen in den kostümierten Teil des endlosen Spiels, wir wählen die Illusion und tun, was wir tun müssen, um die Erfahrung dieses einen Moments in Mißkredit zu bringen.
Besonders schockierend ist für viele Leute die Offenbarung Gottes, denn das ist die Essenz der Erfahrung des Erwachens. Es ist nicht so, daß jemand erst erwacht und dann die spirituelle Dimension der Existenz entdeckt. Es ist alles ein Geschehen. In Dein Sein zu erwachen, heißt, sofort, im gleichen Moment, eins mit Gott zu sein. Dann braucht dieses kleine Wort mit vier Buchstaben keine Interpretation, kein religiöses Bekenntnis. Ich bin! Du bist! Gott ist! – einfach- Und alles, selbst die große Scharade, ist ebenso ein Tanz Gottes wie auch die Schmerzen, Sorgen, und Grausamkeiten des Lebens, die uns die Verrücktheit der gewählten Illusion zeigen. Es ist, als ob alles, von der Lieblichkeit der Natur bis zur Bösartigkeit eines Hitlers, uns tatsächlich anflehen will aufzuwachen. Vielleicht ist das die Bedeutung Gottes.

Eines ist sicher: Was die Welt wirklich verändert, ist unser Bewußtsein und die Liebe, die ein untrennbarer Teil davon ist. Die Welt verändert sich dramatisch während eines Workshops, sogar, wenn es nur ein Wochenende ist. Sie wird immer schöner, während die Teilnehmer immer wirklicher werden. Darum möchten die meisten Leute lieber an einem Seminar mit Unterkunft teilnehmen, als an einem, wo sie jede Nacht in ihr gewöhnliches Zuhause zurückkehren. Sie wollen in der wirklichen Welt bleiben!
Wie kommt es nun, daß die Leute oft nach einigen Tagen Zuhause in ihre alte Persönlichkeitsroutine zurückfallen? Warum hat unsere stumpfe, gewöhnliche Sorglosigkeit soviel mehr Macht, die Show am Laufen zu halten, als das helle Strahlen unserer Wachheit, die Dinge zu verändern. Warum ist es wirklich so schwer, in der normalen Welt wach zu bleiben? Einfach weil die Illusion normal ist und so viel Wucht hat. So ist die Welt einfach. Und die Illusion ist nicht ohne ihre eigenen Werte. Sie hat hunderte davon, wie bekommen, haben, behalten, mehr bekommen, gewinnen, schön aussehen, verkaufen, kaufen, besser sein als, Schweizer sein oder Amerikaner oder Brite oder Chinese, Christ sein oder Jude oder Buddhist, liberal oder konservativ sein. All dies ist jenen wichtig, die die Illusion leben, und da sie all ihre Werte verlieren, wenn nicht alle mitmachen, gibt es eine große kollektive Überredungskraft, die versucht, uns alle in dem Spiel zu halten. Die Persönlichkeit hat nur ein Ziel im Leben: sich selbst zu erhalten. Das Fernsehen ist ein großartiges Symbol unserer Kultur. Sein primärer Zweck besteht darin, so viele Leute wie möglich so lange wie möglich Bilder anschauen zu lassen. Selbst wenn diese Bilder die Wirklichkeit abbilden, trennen sie uns von uns selbst! So funktioniert die Persönlichkeit.

Bei der “ Human Potential“-Bewegung, mit anderen Worten der Teilnahme an persönlichen Wachstumsseminaren und -Kursen, geht es wirklich darum, ganz lebendig zu werden, mit dem Körper, den Sinnen, den Gefühlen, mit dem Herzen, der Intelligenz und dem Geist. Diese Lebendigkeit ist es, die weggesperrt wurde durch die Art, wie diese Welt ist. Es geht um die Fassade, also darf man der Wirklichkeit nicht erlauben, das Bild zu stören. Eine Plastikrose wird nicht verwelken, weil das Leben sie nicht beeinträchtigt! Aber sie wird auch nicht wachsen, blühen oder der Existenz irgendeinen Duft verleihen. Die Persönlichkeit ist ebenso. Sie ist unser Selbstbild, und vieles, was man in der normalen Welt als Kommunikation zwischen den Leuten bezeichnet, ist sehr bedingt: Wir können miteinander in Verbindung treten, unsere Geschäfte führen, ja sogar romantische Affären haben, solange wir nicht das Bild zerstören, das wir voneinander haben. An unserer Persönlichkeit sind „Bitte nicht stören“ -Schilder befestigt!

In echter Kommunikation berühren wir einander, wirken aufeinander, erschaffen Bewegung und Veränderung beieinander. Während wir lernen, all dieser natürlichen Lebendigkeit zu vertrauen – und das geschieht in vielen Workshops – werden wir allmählich von den begrenzenden Anforderungen unserer Persönlichkeiten befreit. Wir fangen an, eine Wirklichkeit in uns selbst zu entdecken, deren wir uns nicht einmal bewußt waren – das ist das Erwachen, das geschieht. Und dann fängt diese Wirklichkeit an hervorzutreten – unsere Gefühle, Intuitionen, Wahrnehmungen, Einsichten, und so weiter. Dies sind die Lieder und Tänze unseres Seins. Dies ist der Duft, den wir, jeder und jede Einzelne von uns, in sich trägt. Er hat keine Möglichkeit, sich zu verströmen, solange wir in unseren Persönlichkeiten gefangen sind.

Leider ist unsere Alltagswelt keine sehr wirkliche Welt. Sie kann es nicht sein, denn um wirklich zu sein, müßte sie geliebt werden, genauso wie eine Rose. Ich sage nicht, daß es in der normalen Welt keine Liebe gibt. Gott stehe uns bei, wenn das je geschieht!. Aber es ist aufschlußreich zu fragen, wieviel Liebe Du heute gegeben und empfangen hast, während Du Deinen Geschäften nachgegangen bist. Es gibt viele, die schon diese Frage lächerlich finden würden. Im Geschäft geht es nicht um Liebe! Genau. Und das Ergebnis ist die Unwirklichkeit, die die Welt beherrscht und uns ständig dazu bringt, uns zu schützen und voreinander zu verschließen und unseren starren Persönlichkeiten die Bühne zu überlassen. Es kann sehr schwer sein, lebendig, frei und spielerisch zu bleiben im Angesicht all dessen. Die Liebe, die uns mit all unserer inneren Wirklichkeit SEIN läßt – mit unseren Freuden, Leiden, Verwirrungen, dem Ärger, den erotischen Gefühlen, den Inspirationen und so weiter, normalerweise nicht da. Es kann angemessen sein, dieses innere Erleben zu ZEIGEN oder auch nicht, der wirkliche Schaden ist die Tatsache, daß wir so abgeschnitten von uns selbst sind, daß wir leben, ohne uns auch nur bewußt darüber zu sein. Wir sind nicht wach !
Es ist auch nicht so, daß es um uns herum keine Liebe gäbe. Du kommst zu einem Workshop und findest da die Magie Deines eigenen Wesens, trotzdem ist Deine Persönlichkeit nicht wie durch ein Wunder verschwunden. Sie kann Dein Herz genauso schnell verschließen und Dein Vertrauen untergraben wie die Persönlichkeit jedes andern. Sie ist immer da, um sich einzumischen und ihre eigenes Ding zu drehen, und das passiert auch. Beobachte, zum Beispiel, einfach nur mal, wie Du Dich weiter verurteilst, niedermachst, wieder ins Unrecht setzt. Das ist Deine Persönlichkeit bei der Arbeit.

Was ist also zu tun? Abgesehen von der weiteren Teilnahme an Workshops, damit Du das Verstehen und die Freundschaft finden kannst, die Dein Wesen braucht, um stärker zu werden, mußt Du etwas über Deine Welt verstehen, das alles in Ordnung sein läßt. Sie ist Gottes Workshop für Dich. Ob Du es weißt oder nicht, Du wirst geliebt. So wie in jedem anderen Workshop ist es Deine Aufgabe TROTZDEM HIER ZU BLEIBEN. Das ist Deine wirkliche Verantwortung! Das heißt nicht, daß Du nie etwas an der Art, wie die Dinge sind, verändern kannst. Im Gegenteil, Du triffst alle möglichen kreativen Entscheidungen, weil Du wirklich präsent bist in Deinem Leben. Aber Du beklagst Dich nicht, daß Dein Leben zu sehr dies oder zu wenig das sei. Statt dessen erlebst Du alles so vollständig wie Du kannst, von Augenblick zu Augenblick, tagein und tagaus. Wenn Dein Leben schön und süß und voller Segen ist, dankst Du Gott für die Geschenke. Wenn es hart und herausfordernd ist, oder langweilig oder schmerzlich, dankst Du Gott für die Geschenke, weil Du tief im Innersten Deines Seins weist, daß dies Deine Reise ist, die gelebt werden will mit all ihren Höhen und Tiefen, mit all ihren Farben und Stimmungen, als Dein persönlicher Weg des Erwachens. Es ist Deine Aufgabe zu lernen, wie Du jeden Moment vollkommen lebendig sein kannst, ohne Dich abzutöten, ohne Dein Herz zu verschließen, immer alles atmend, fühlend, und Deine Dankbarkeit für das Geschenk Deines eigenen Lebens ausdrückend, indem Du ja dazu sagst. Nicht unbedingt ein Ja zu dem, was da draußen geschieht Aber immer ein Ja zu dem, was in Dir geschieht. Das ist das Licht, das Dir leuchtet. Das ist es, was es bedeutet, Dich selbst zu lieben.

Es hilft auch, Liebe zu GEBEN, selbst wenn da nicht viel von anderen kommt. Eine gute Freundin erzählte mir kürzlich von den Auseinandersetzungen,, die sie mit ihren Arbeitskolleginnen hatte. „Ich war einfach genau so verschlossen wie sie“, erzählte sie. „Dann hatte ich eine Idee. Als ich wieder arbeiten ging, beschloß ich, Liebe für sie zu empfinden, ganz egal, wie sie mich behandelten.“ Sie erzählte, daß sich danach viele Dinge verändert hätten.
Du kannst Deine Welt verändern! Während Du Deine eigene Kunst zu sein lernst, während Du lernst, weiter das Licht und die Leichtigkeit zu sein, die Du in Wirklichkeit bist, wenn Du die Maskeraden schließlich aufgegeben hast, wirst Du sehen, daß auch Deine Welt heller wird. Es passiert als Spiegelung Deines inneren Zustandes. Aber es geht nicht unbedingt so schnell. Du mußt Dir ein schönes Leben verdienen, indem Du es zuerst in Dir findest und dann dafür SORGE TRÄGST, egal was auf der Welt passiert. Wenn Du nicht für Dein eigenes inneres Wesen Sorge tragen kannst, nur wegen der Art, wie die Welt ist, dann zeigt Dir das ganz einfach, daß Du Dich immer noch von der Welt und ihren Spielen bestimmen läßt. Dann mußt Du in Dir selbst stärker werden. Wenn das Leben Dich unterkriegt, dann zeigt Dir das, daß Du noch nicht gelernt hast, trotzdem dazubleiben. Dann danke dem Leben für diesen Hinweis, und sieh, wie es gerade jetzt in diesem Moment wichtig ist, hier zu sein mit Deiner Leere, Deiner Einsamkeit, Deinem Kummer, oder was immer gerade hier – jetzt ist.

DAS IST DEINE ARBEIT. Du mußt es immer tun, überall, in jeder Situation. Es ist so wichtig wie das Atmen. Es muß Dich überall begleiten. Wähle immer, so vollständig hier zu sein wie möglich, bei dem, was gerade geschieht. Dann bist Du sogar hier, wenn Du Dich verschließt. „Auch das will ich leben“, sagst Du zu Dir selbst, „nicht schwelgen, nicht mich selbst niedermachen.“ Etwas in Dir, das hell ist, akzeptiert und vertraut. Dein Geist ist immer mit Dir. Und wenn Dein Geist gegenwärtig ist, dann ist es auch Gott. Natürlich da wird es vielleicht Tage geben, die so schlimm sind, daß Du lernst, zu beten. Gut! Es gibt kein Ende, denn all dies geht ins Unendliche ein. Die ewige Gegenwart.

Über den Autor

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ist ein international anerkannter Lehrer und Wegbereiter, der seit 25 Jahren seine Seminare weltweit anbietet.
Er hat vor über zehn Jahren das „Art of Being“ gegründet als einen umfassenden Ansatz zu einem glücklichen, gesunden und erfüllten Leben.
Der Schwerpunkt seiner Seminare liegt auf den elementaren Themen des Lebens: Geburt, Tod, Sex, Liebe, Partnerschaft und Sein.

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Eine Antwort

  1. Wolfgang Gröters

    Du schaffst wieder nur eine Illusion und lebst in Deiner Theorie. In Deinem eigenen Traum. Sorry das musste jetzt sein.

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