Unsere natürlichen Werte sind unter unseren Überlebensinstinkten und der uns aufgebürdeten Konditionierung begraben, sagt der spirituelle Lehrer Paul Lowe. Bevor wir über Werte nachdenken, sollten wir uns daher mit der Definition des Wortes „Gesellschaft“ befassen.

Gibt es überhaupt so etwas wie eine Gesellschaft? Davon gehen wir normalerweise aus. Allerdings gibt es ca. sechs Milliarden Menschen auf der Erde, und jeder davon ist nicht nur einzigartig, sondern auch in ständiger Veränderung begriffen. Was wir also „Gesellschaft“ nennen, ist eine theoretische Ansammlung von Individuen, die man in verschiedene Gruppierungen aufteilen kann – je nach Herkunftsland, Religion, politischer Partei, Vereinszugehörigkeit, Geschlecht, sexuellen Vorlieben, Bildung, Reichtum, Armut, um nur einige mögliche Unterscheidungen zu nennen. Jede der daraus resultierenden „Gemeinschaften“ hat ihr eigenes soziales Wertesystem – was nur ein anderes Wort für „auferlegte Regeln“ ist. Wenn wir darin akzeptiert und einbezogen werden wollen, müssen wir uns getreu an diese Regeln halten. Und da wir alle Teil eines Kollektivs sind, das wiederum Teil mannigfaltiger anderer Kollektive ist, müssen wir sehr viele Regeln gleichzeitig beachten: z.B. die Gesetzgebung des jeweiligen Landes, als Christ dazu die Zehn Gebote und als Mitglied einer bestimmten buddhistischen Sekte sogar 33.000 Gebote! Aber die Menschen folgen diesen Regeln eher selten. Umfragen haben ergeben, dass wir während ca. 80 Prozent unseres Lebens die Unwahrheit sagen. Wer das nicht glaubt, könnte sich sein Leben einmal sehr detailliert darauf hin ansehen.

Theoretisch gesehen müssten wir eigentlich in Frieden und Harmonie leben, sobald wir uns nach den Regeln richten. Tatsächlich ist das aber nicht so. Jede Gesellschaft befindet sich in einem Kriegszustand, und das war schon immer so. Zur Zeit sollen sich etwa 34 akute Kriege auf der Erde abspielen. Aber nicht nur, dass sich die Gesellschaften untereinander bekriegen – nein, auch innerhalb der Gesellschaften herrscht Krieg. Ein Land gegen das andere, Religion gegen Religion und verschiedene Sekten innerhalb einer Religion gegeneinander. Und im Inneren führen wir Krieg gegen uns selbst.

Was hat diesen Zustand herbeigeführt?

Neuere wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass sich ein Embryo dementsprechend entwickelt, wie es der Mutter während der Schwangerschaft ergeht. Erlebt sie beispielsweise Gewalt, so entwickelt das Baby den Teil seines Gehirns stärker, der für das Überleben in Gefahr nötig ist. Lebt die Mutter in einer friedlichen und liebevollen Umgebung, wird das Baby mit einem größeren Frontallappen geboren – dem Teil des Gehirns, dem unsere Intelligenz zugeordnet wird. Wie viele von uns sind in wirklich bedingungslos liebevolle und friedliche Umgebungen hinein geboren worden? In jedem von uns findet ein Krieg statt: zwischen dem liebevollen, fürsorglichen Anteil und dem Überlebensinstinkt einer feindlichen Umwelt gegenüber. Kriege im Außen sind lediglich eine Widerspiegelung dessen, was in uns wütet. Wie kommt es dazu?

Von Geburt an besitzen wir die Fähigkeit zu Liebe und Fürsorge. Bei den meisten Müttern wird dieser Instinkt ausgelöst, wenn sie ihr Baby zur Welt gebracht haben. Darüber hinaus gibt es aber auch noch eine höhere Ebene, auf der wir für jeden Liebe empfinden können. Das wird in Krisenzeiten deutlich: Nach dem Anschlag am 11. September und nach dem Tsunami halfen sich die Menschen untereinander – ungeachtet ihrer religiösen und politischen Unterschiede. Wenn wir also in unserem höchsten Potential – dem der bedingungslosen Liebe – leben würden, bräuchten wir die uns auferlegten gesellschaftlichen Regeln nicht. Doch wir leben auf einer Ebene, die in einer feindlich gesinnten Umwelt nötig zum Überleben ist, zumal es auch keine namhaften lebenden Vorbilder mehr gibt (die wenigen, die wir hatten, wurden gekreuzigt). Also brauchen wir Regeln, um halbwegs sozial miteinander leben zu können.

Was können wir ändern?

Wir können uns natürlich ändern, ganz gleich unter welchen Bedingungen wir in diese Welt gekommen sind. Vor kurzem fanden Wissenschaftler heraus, dass Mönche, die über Liebe und Mitgefühl meditiert hatten, den Teil ihres Gehirns weiter entwickelten, der mit genau diesen Begriffen assoziiert wird. Wir haben also keinerlei Entschuldigung! Selbst wenn wir davon ausgehen, dass wir keine Zeit haben, täglich 18 Stunden zu meditieren, können wir dennoch den liebenden Teil in uns ermutigen. Es geht so: Jedes Mal, wenn du einen negativen Gedanken hast, löse dich davon. Jedes Mal, wenn du dich beim Jammern ertappst, schau doch mal, was es gibt, wofür du dankbar sein kannst. Das mag dem einen leichter fallen als dem anderen, aber wenn du es ausprobierst, wirst du merken, dass es dein Gehirn und deine Haltung verändert und du wirst dich wunderbar fühlen und auch so verhalten. Das kann ich versprechen, denn ich habe es selbst erlebt.

Natürliche Werte

Die einzigen Werte, von denen ich mich leiten lasse, sind Liebe, Aufrichtigkeit und Respekt für andere. Wenn man seine Neurose erkannt und umgangen hat, können diese Werte ganz einfach zum Vorschein kommen, denn Liebe und Fürsorge sind etwas Natürliches, ebenso wie jeden Menschen als Teil einer Familie zu betrachten. Wer in jedem Moment empfindsam und präsent bleibt, wer sich von seiner eigenen Geschichte lösen kann, wird eine große Kraft spüren, die Entscheidungen trifft. Entscheidungen, die immer von einem Ort bedingungsloser Liebe kommen und die ohne jegliches Urteil sind. Bisher hat es nicht viel gegeben, das den Menschen dabei geholfen hätte, diese höchste Stufe des menschlichen Bewusstseins zu erlangen. Nur einige wenige haben höhere Ebenen erreicht. Auch die Religionen haben nichts dazu beigetragen, im Gegenteil, mit ihren Auseinandersetzungen haben sie die Trennung eher vorangetrieben. Das gleiche gilt auch für die spirituelle Bewegung. Das einzige, was wirklich funktionieren wird, sind du und ich. Wir müssen einfach präsenter und wahrhaftig leben. Ich war mein Leben lang auf der Suche und ich bin sehr dankbar für das, was sich daraus entwickelt hat. Und ich werde auch weiterhin offen bleiben und meine Erfahrungen mitteilen. Wenn genügend von uns einen bestimmten Zustand von Offenheit erreicht haben, wird sich dieser Zustand ausbreiten. Lasst uns spielen!

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