Die Geschichte

Seit Marcus Allen`s Buch “Tantra im Westen“, das erstmals 1981 in Amerika erschien, kann man von einem westlichen Tantra sprechen.Allen ist ein 68er wie er im Buche steht. Sein vortantrischer Lebensweg entsprach dem Zeitgeist: Studium, Theatergruppe, Buddhistische Schulung und Zazen.
Die geistige Öffnung des Westens für Gedankengut und Lebensphilosophien des Ostens hatte im letzten Jahrtausend deutliche Höhepunkte. Mit dem Übertritt Alexanders des Grossen über den Indus wurde dieser erste kulturelle Transfer eingeleitet, der in beide Richtungen wirkte und notwendigerweise auch tantrisches Geistesgut mit zurück in den Westen spülte. Die Tantratempel Kajurahos in Mittelindien waren gerade erst verlassen worden, die Tempelanlagen im Indusdelta noch in Betrieb, wo in vorarischer Zeit das Tantra als praktizierter Lebenskult schon lange vor den Brahmanen existent war. Im 15. Jahrhundert brachten Reisende und Händler auf der von Marco Polo eröffneten Route die Kunde von Tantra mit bis nach Spanien, wo es allerdings rasch vom päpstlichen Bann eingeholt und mit den Katharern vernichtet wurde.

Erst gut dreihundert Jahre später, mit dem geistigen Aufblühen Europas, geriet der ganze Orient wieder in das Blickfeld der Westler. Goethes West-Östlicher Diwan zeugt davon beredt. Missionare und Händler auf der Heimfahrt berichteten von den Wundern der östlichen Welt, was in der christlich prüden Zeit Erstaunen hervorrief. Die ersten, geistigen, wissenschaftlichen und künstlerischen Auseinandersetzungen mit dem indischen Tantra wurden, da man es als vergangene Geschichte Indiens ansah, als vergleichende Feldstudien betrieben, jedoch nicht mit der Empfehlung zur Nachahmung.

Das nahm zu, westliche Mystiker und Forscher  sowie Abenteurer drangen in die fernsten Winkel Asiens vor, wie Sven Hedin nach Tibet, und kamen dort auch mit Tantra in Berührung. Die geistige Verarbeitung geschah dann zu Hause. Wissenschaftler wie Sir Woodroff oder Heinrich Zimmer gingen dem Tantra auf den Grund. Die Indienreise Hesses, das Buch Siddharta entstand, einige Mönche konvertierten zum Buddhismus und blieben in Asien. Die beiden folgenden Weltkriege erstickten danach für eine Weile den Forschereifer, der aber Grundlage und befruchteter Acker blieb, schon bereitet zum Erblühen, wie Hesses Steppenwolf nach dem Krieg in Amerika zeigte.

Es bedurfte nur noch eines Katalysators in der Gestalt eines Bhagwan Sri Rajneesh (heute Osho genannt), der in brillantem Stil und in gestylter Erscheinungsform den okzidentalen Gurdjeff mit dem östlichen Mahavir und dem Tantra verquickte, um, erst im Ashram Bhagwans und dann auch bald darüber hinaus, dem über tausend Jahre hinweg verstreuten Gedankengut des Tantra einen neuen und lebendigen philosophischen Geist einzuhauchen und so mit einem neuen roten Faden zu versehen.
Das war in den achtziger Jahren und Tantra nahm seinen Lauf im Westen, wo es auf bereits vorbereiteten Boden fiel und jetzt von den (Alt-) Achtundsechzigern auch tatsächlich praktiziert wurde. Nicht zu unrecht spricht man diesbezüglich gelegentlich auch vom „Neotantra“. Das Tantra im Westen unterscheidet sich nämlich in vielen Punkten in der Auffassung und der Ausübung von den tausenderlei sektenartigen Formen in Indien, Tibet, China und Japan oder Ostasien.

Tantra 2000

Es gibt ein Tantra 2000, es gibt einen westlichen Stil. Und dieser Stil hat viele Prägungen erfahren. Das Wesentliche am westlichen Tantra aber ist, dass es vom Odium des Religiösen befreit wurde. Vielleicht, weil die wichtigsten Protagonisten im Grunde ihres Wesens Forscher waren. Forscher, die häufig genug über künstlerisches Augenmaß verfügten und interdisziplinär denken konnten, suchten nach den Quellen des so phantastischen Kultes Tantra und verfielen nicht leichtgläubig irgendeiner hinduistischen Sekte mit Kali-Kulten, Orakelkunstücken und Taschenspielertricks, vielmehr erkannten sie, entlang dieser versprengten Rudimente, das famose Gebäude einer einheitlichen Weltsicht, die erst im Verlauf der vielen Religionskriege sich hatte so anpassen und deformieren müssen, bis oft zur Unkenntlichkeit.

Ein C.G.Jung, ein Adler, ein Van der Velde waren dem Tantra schon hautnah nah, es bedurfte nur noch der experimentierfreudigen und revolutionären Jugend der 68er, das Gefundene umzusetzen und körperlich zu erfahren. Daher ist das Tantra 2000 ein therapeutisches Tantra im Gegensatz zum religiösen Tantra des vorigen Jahrtausends.

Das gesamte östliche Geistesgut fand so praktisch in zwei Strömungen Niederschlag im Westen. Zum einen in der unkörperlichen Form der theosophischen Gesellschaft Helena P. Blavatsky´s mit ihrem späteren Protagonisten und endlichen Reformer Krishnamurti und der Anthroposophie Rudolf Steiners in einer therapeutisch-pädagogischen Wissenschaft. So erschienen z.B. in den 50er Jahren im anthroposophischen Umfeld auch einige Bücher über die Schlangenkraft (Kundalini) und andere typische Tantratermini.

Zum anderen ist es den Sannyasins Bhagwans und einigen Anderen aus dem west-östlich geprägten geistigen Umfeld seit den achtziger Jahren zu danken, dass sich nach und nach, vor allem auch durch den regen Austausch mit den anderen internationalen Strömungen, das Tantra im Westen einen eigenen Stil entwickelte, frei vom religiös Okkulten, ganz der persönlichen Selbsterfahrung und der Entwicklung humaner Ganzheitlichkeit verpflichtet.

Da Tantra die kultivierte und gewürdigte Sexualität unter Berücksichtigung der Gleichheit und Gleichwertigkeit der Frau benutzt zur endlichen Befreiung des in gut und schlecht geteilten Menschen, zu einer höheren Entwicklung seiner selbst, lässt sich auch sagen, dass das westliche Tantra dem ursprünglichen weitaus näher ist als das heutige östliche, das im Dunkel von Okkultismus und religiösem Spiritismus versunken scheint, da es die sexuelle Prüderie der Brahmanen im Verbund mit der arabischen Verurteilung des Sexuellen und der christlichen Sünden = Leid – Philosophie nicht hatte abschütteln können, allenfalls in entlegenen und versteckten Kulten des Himalaja oder des fernen Hinterindien, ohne internationalen Austausch. Dieser typisch westliche Aspekt, die Wissenschaftlichkeit und der Austausch, haben die tiefe Psychologie des Tantra erst wieder erweckt und praktikabel und lebbar gemacht für den Menschen. Ein westlicher Tantriker muss sich nicht in die entlegenen Himalajas zurückziehen, er kann ganz öffentlich zu einer Tagung oder einem Kongress über Tantra reisen und sich ohne Furcht vor gesellschaftlicher Ächtung dazu bekennen.

Tantra-Workshops werden heute in Deutschland von ca. 20 bekannten Schulen angeboten, darunter auch der DIAMOND LOTOS LOUNGE, Berlin, Daniel Odier in Frankreich, Aman Schröter mit SKY DANCING in der Schweiz und dem NAMASTE Institut (www.tantra.at) in Österreich, um nur einige zu nennen.
Neben Wochenendworkshops gibt es bei fast allen diesen Schulen sowohl Jahrestrainings und z.T. Ausbildungen zum Tantra-Therapeuten als auch Ein- bis Zwei-Tages-Seminare zum Kennenlernen oder offene Abende.
Einen internationalen Club von Tantrikern mit turnusmäßigen Treffen gibt es bei Diamond Lotos Lounge.

Ein Nachschlagewerk über die Tantraschulen ist über den CONNECTION Verlag (Hauptstr.5, 84494 Niedertaufkirchen, Tel. 08639 – 98340) zu beziehen oder das Tantralexikon. Viele Anbieter sind auch im Internet zu finden. Interessante Kontaktadressen (e-mail) sind z.B.auch der Tantra Tempel Amritananda in Indien: bureau@md2.vsln.net.in oder: Srig@almaden.ibm.com und MARGO ANAND in den USA, deren Adresse im Internet zu finden ist.
Alle Schulen bieten übrigens auch reichlich Literatur zu Tantra sowie Videos. Hinweise und Besprechungen der Bücher und Videos sind im aktuellen CONNECTION SPEZIAL: Tantra zu finden. Weitere Info: T. 030 – 216 31 29.

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