21. Dezember (Wintersonnenwende)

Der 21. Dezember, die Wintersonnenwende (Sonnenwende lat. Solstitium, Stillstand der Sonne), ist der Tag mit der längsten Dunkelheits- und kürzesten Helligkeitsperiode. Es findet die Umkehr der Deklinationsbewegung der Sonne statt. Kurz gesagt: die längste Nacht und der kürzeste Tag des Jahres, bevor die Lichtperiode wieder an Kraft zunimmt.

Mit Yul wird das erste der acht Feste im heidnischen Jahresrad gefeiert. Nach dem Ende des alten Jahres zu Samhain (letztes Fest im keltischen Jahreskreis) markiert dieses solare Jahresfest nun den Beginn des neuen Lebens und den zyklischen Neubeginn des Jahreslaufs.
Sonnenwendfeste waren wohl sehr stark in der germanischen, nordischen, baltischen, slawischen und keltischen Tradition verankert. Leider werfen die Wiederbelebungsversuche während der NS-Zeit auch heute noch ihre braunen Schatten auf diese Tage.
In heidnischen Kreisen existiert die Theorie, dass Yul von „wheel“, dem englischen Wort für Rad, abstammt – also einen angelsächsischen Wortstamm hat – und so eine Wendung auf dem Kreislauf der Jahreszeiten symbolisieren soll. Es gibt allerdings ebenso Spekulationen darüber, dass die Wurzeln des Wortes Yul sehr viel weiter zurückliegen und sogar bis in die Eiszeit reichen sollen.

Aus paganistischer (heidnischer) Sicht ist die Wintersonnenwende die geweihte und geheiligte Nacht in welcher der Sonnengott – der zuvor den Opfertod für die Menschheit starb – wiedergeboren wird. Wurde an Samhain der Abstieg in die Unterwelt vollendet und alles Alte abgeworfen, so ist jetzt die Zeit gekommen, inmitten der scheinbar ewigen Nacht ein Fest für das Leben abzuhalten. Das Jahresrad dreht sich weiter in all seiner Unendlichkeit.

Die Geburt des Sonnengottes

Um den Sinn des Festes begreifen zu können, müssen wir uns in den Lebenskosmos weit vor uns liegender Jahrhunderte und Jahrtausende zurück versetzen und die Lebensfeindlichkeit dieser Jahreszeit begreifen. Heute sind wir fernab von der Natur, im geheizten Heim mit Spekulatius im August und Erdbeeren, die wir selbst im Dezember noch problemlos im Supermarkt ergattern können, weit entfernt von der existentiellen Lebensangst der Menschen damals. Im Winter kam die Natur zum Erliegen, das Wasser erstarrte zu Eis, alles Lebendige zog sich scheinbar für immer zurück, warf Blätter von sich, verdorrte. Der Schnee bildete nicht nur ein wunderhübsch glitzerndes Tuch über der Landschaft, sondern erschwerte zusätzlich zur tödlichen Kälte, Hunger und Dunkelheit auch das Vorankommen. Die Menschen saßen in ihren Winterquartieren fest, harrten aus, befürchteten teils einen ewig währenden Winter (in der nordischen Mythologie wird zumindest so das Ende Midgards, der Welt der Menschen in der germanischen Mythologie, eingeläutet – sicher auch ein Zeichen der Ur-Angst des Menschen), sehnte sich nach der Sonne, den ersten grünen Knospen und vor allem dem lebensbestimmenden Wiedererwachen der Natur. Kein Wunder, dass in der längsten, allerdunkelsten Nacht des Jahres die Geburt des Sonnengottes als Born des Lichts und Versprechen auf die schwindende Kraft des Winters gefeiert wurde, zumal nach dieser Nacht die Tage wieder länger werden und das Licht langsam, aber sicher wieder die Oberhand über das Dunkel gewinnt.

Die Wiederkehr des Lebens

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Die längste und dunkelste Nacht des Jahres birgt somit die Hoffnung und das Versprechen der Wiedergeburt, der Wiederkehr des Lebens, auch wenn die Welt draußen in Kälte und Dunkelheit erstarrt zu sein scheint. Dieser kultische Gedanke – das Christentum mit der Geburt des Christkindes am Heiligen Abend dürfte für unseren Kulturkreis der bekannteste Vertreter sein – ist sicherlich keine neue „Erfindung“. Auch diese Religion profitiert hier von den vorangegangenen (Sonnen-)Kulten.
Im antiken Rom galt z. B. der 25. Dezember, zumindest im Sonnenkult des Sol, als Wintersonnenwende. Dieses Datum galt als Tag der Geburt des Gottes Sol Invictus (lat.: der unbesiegte Sonnengott) und staatlicher Feiertag. (Staatskult mit Priestern aus den edelsten Schichten unter Kaiser Aurelian gefestigt.) Weitere Versionen des Wintersonnen-Mythos existieren in Form des Mithras-Kultes und dem ägyptischen Horus-Kind.
Die Geburt eines Gottes bzw. Gottessohns zwingt eben zu einem außergewöhnlichem Datum.
Die Licht-Metaphern (die in allen genannten Religionen vorkommen) unterstreichen ebenso die göttliche Herkunft. Die Geburten der Lichtbringer sind wohl eher symbolisch zu sehen und in keiner Weise historisch belegt – was jedoch den wahrhaften Glauben nicht beeinflussen sollte/kann.

Das eigentliche Datum der Geburt Jesu Christi ist weder in der Bibel noch in begleitenden Schriften glaubwürdig belegt. Im Laufe der Jahrhunderte gab es viele Interpretationen und Spekulationen über Daten. Dass im 4. Jh. n. Chr. Die Geburt des Messias auf den Tag des seit Jahrhunderten etablierten, aber gegen das Christentum an Aktualität verlierenden Sonnengottes Sol Invictus gelegt wurde, ist für eine sich entfaltende Religion weder verwunderlich noch ungewöhnlich. Weitere Spekulation über die Wahl bzw. „Assimilierung“ dieses Datums ist, dass Isaak, in dessen Tradition man Christus sah, am 25. März, also in der Zeit um die Frühjahrstagundnachtgleiche herum, geboren wurde. An selbigem Datum trat Christus in Form seiner Zeugung in die Welt. Am 25.12. – genau neun Monate später erblickte er dann das Licht der Welt.

Was letztlich zählt, ist aber nicht der historische Beleg, sondern das, was diese Bringer von Licht- und Hoffnungsfunken den Menschen vermitteln sollten. Um es mit den Worten Jesu Christi zu sagen: „Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ (Joh 8, 12)

Assoziierte Farben: Warme Farbtöne wie Rot (Leidenschaft, Liebe, Lebenssaft), Grün (Hoffnung, neue Triebe, ewiges Leben) und Gold, Silber (Licht), die wir mit Lebenskraft und Feuer assoziieren und die traditionell in dieser Jahreszeit verwendet werden.

Möglicher Altarschmuck: Immergrüne Zweige wie z. B. Tanne, Fichte usw. Kerzen als Feuer- und Lichtsymbol. Äpfel, Nüsse, Orangen… Als Bild für den immerwährenden Kreislauf und den Lichtfunken kann wunderbar der Adventskranz genutzt werden. Er verbindet alle Elemente in sich und muss ja nicht zwangsläufig mit Engelchen und Weihnachtsmännern geschmückt werden, sondern evtl. mit farblich passenden Bändern, Sonnenmotiven (gibt es ja gerade zu Weihnachten viele), selbstgebackenen Kringeln, Äpfeln, goldfarben bemalten Nüssen, Kerzen usw.

Magischer Aspekt: Es ist die längste Nacht des Jahres, beseelt von einem Funken. Die Welt hält den Atem an – Hoffnungen, Träume, Visionen, Pläne – hier werden die psychischen Grundlagen für das nun rasch herannahende Jahr gelegt. Auch wenn alles tot wirkt, im Innern entfaltet sich ein neuer Keim, breitet zaghaft seine Wurzeln aus, um umso stärker (und mit gesammelten Kräften) aus dem Dunkel ins Licht hervorzubrechen.

Heißer Gewürzwein (Hypocras) zum Durchglühen der Seele
Zutaten:
1 l trockener Rotwein
2 Zimtstangen
6 Gewürznelken
1 Prise Kardamom
Honig nach Belieben
frische Orangenschnitze
Orangensaft

Zubereitung:
Rotwein, Gewürze und Honig in einem Topf erhitzen – nicht kochen! Gewürze herausnehmen, Orangenschnitze in den heißen Wein geben, in Becher füllen und mit etwas Orangensaft aufgießen und genießen.

Über den Autor

Avatar of Shermin Arif

ist studierte Germanistin, Sozial- & Geschichts­wissenschaftlerin. Sie lebt und arbeitet in Berlin als freie Journalistin, Redakteurin, Autorin, Texterin, Foodbloggerin, magische Kesselguckerin, kulinarische Diva und Kunsthandwerkerin.

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