Es scheint dem Menschen mit in die Wiege gelegt worden zu sein, dass er zeit seines Lebens immer Neues entdecken will und nie inneren Frieden und andauernde Erfüllung erfährt. Zuerst beginnt die Entdeckung dieses Körpers, den er da irgendwie um sich herum hat. Dann kommen da lustige Geräusche raus, die irgendwann als Worte mit Bedeutung entdeckt werden. Wenn diese Bedeutungen dann verstanden werden können, entdeckt der kleine Mensch das „Sich-selbst-bewusst-Sein“. Ab dann erfährt er sich als dieses Körper- Geist-Ding, entdeckt das Dasein, das „Ich“-Sein und weiß, dass er weiß. Spätestens ab dann beginnt die Entdeckungsreise durch die Welt. Zuerst im eigenen Kinderzimmer, und mit fortschreitendem Entdecken und Begreifen vergrößert sich der Radius sowohl räumlich als auch innerlich. Je mehr Räume im Außen erschlossen werden, desto mehr entfalten sich auch die gedanklichen inneren Räume mit Fähigkeiten und Fertigkeiten, Stärken und Schwächen und erfahrbarem Wollen und Nichtwollen. Das Selbstbild wächst heran und bekommt mehr und mehr Persönlichkeit und individuellen Charakter. So vergehen ereignis- und entdeckungsreiche Entwicklungsjahre mit allen nur erdenklichen prägenden Höhen und Tiefen – in Kindergarten, Schule, Ausbildung, Studium, Arbeit, mit Familie, Freunden, Hobbys, Urlaub und dem Alltag.

 

Kein innerer Frieden

Währenddessen ist der Entdeckungsdrang und die meist ungerichtete Suche mit dem Glauben, dass das Gesuchte außerhalb bzw. in der Welt zu entdecken sei, ununterbrochen die treibende Kraft. Ein Gefühl von „genug“ und ein echter innerer Frieden stellt sich nie ein, obwohl alle Ratschläge und Lehren befolgt wurden. Wie in Kindheitstagen auch, wurde den Bezugspersonen wohlwollend geglaubt. Zuerst den Eltern, später den Lehrern und Ausbildern, dann den Partnern und Freunden, der Werbung und der Politik und schlussendlich der Kirche bzw. Gott. Dieser unermessliche Glaube treibt die Entdeckungsreise stetig voran, da jeder Glaube auch immer den Zweifel beinhaltet – und wo Zweifel und Ungewissheit sind, ist immer noch irgendwas dahinter zu entdecken. Es ist noch nicht genug. Da fehlt noch was. Zweifelsfreiheit dagegen würde den inneren Frieden bringen, den jeder Mensch eigentlich sucht. Da sich aber die Entdeckungsfreuden vorrangig auf das vermeintlich Erfahrbare beziehen, fällt niemals das Licht der Aufmerksamkeit auf die Entdecker- Person an sich. Demzufolge ist es auch nachvollziehbar, warum der Basis-Zweifel nie mit der eigenen Person in Verbindung gebracht wird. Es ist doch klar, dass ich ich bin! Der Mensch weiß aber nicht, wer er in Wahrheit ist. Er glaubt noch immer dem, was andere ihm erzählt haben. Der „Ich“-Gedanke sitzt seitdem fest im Sattel der alltäglichenTäterschaft und kämpft eigenständig nach bestem geglaubtem Wissen für Erfolg, Glück und sein Fortbestehen. Er muss sich aber immer häufiger ratlos und ängstlich eingestehen, dass eine wirkliche Kontrolle gar nicht vorhanden ist. Der Körper altert, schmerzt und wird krank, die Psyche kann die unzähligen Sinneseindrücke nicht mehr verarbeiten und leidet unter Depression und Burnout, die Gedanken spielen verrückt und sind nicht wirklich abzuschalten, und die Gefühlswelt mit Vorlieben und Abneigungen ist ebenso unerklärlich und manövriert zielsicher von einem emotionalen Chaos ins nächste.

 

Leiden unter dem eigenen Denken

Dieses „Daily Drama“ spielt sich so lange ab, bis sich der Entdeckungsdrang auf die Quelle allen Übels richtet, weil verstanden wurde: Wenn es mir gut geht, ist es meinetwegen, und wenn ich leide, ist es ebenfalls meinetwegen. Ich leide immer nur unter mir bzw. meinem Denken über das, was gerade ist. In der Kindheit wurde der Mensch nur dadurch zum Menschen, weil er das geglaubt hat, was ihm über ihn erzählt wurde. Das ganze Wissen, was heute das eigene „Ich“ ausmacht, ist nichts anderes als ein über die Jahre angesammelter Glaube, der durch die tägliche gebetsmühlenartige Wiederholung zur scheinbaren Wahrheit wurde. Jeder Mensch hat irgendwann angefangen, sich eine Geschichte auszudenken, die er Tag für Tag aktualisiert und fortführt und irgendwann für sein Leben hält. Wenn sich nun der Entdeckerdrang ausschließlich auf die Beantwortung der Frage “Wer ist Ich?“ und „Wer bin ich?“ richtet, bekommt die Reise eine entscheidende Wendung. Die Zeit des Glaubens ist vorbei. Nun geht es nicht mehr um das gutgläubige Hinnehmen der eigenen oder fremden Gedanken, sondern um die ganz einfache spürende fühlende .berprüfung im jeweiligen jetzigen Augenblick. Entdecken bedeutet eine Erfahrung machen. Erfahrungen machen hat nur am Rande mit kognitiven Vorstellungen und denkerischen Höchstleistungen zu tun. Es ist so einfach, dass es der glaubende Mensch, dem eingetrichtert wurde „alles ist schwer“ gar nicht verstehen kann. Dieser Ich-Gedanke ist reflexartig so schnell mit Begriffen und Konzepten zur Stelle, dass oft das reine einfache Spüren überhaupt nicht möglich scheint.

 

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Das Ich-Suchspiel

Versuchen wir nun mal ein paar Schritte auf dieser Ich-Entdeckungsreise gemeinsam zu gehen. Du denkst, du bist das, was du „Ich“ nennst? Ok. Wo ist dieses Ich spürbar? Und jetzt geht es nicht um Gedankenkonzepte, wie „Ich bin im Kopf“ oder „Ich bin überall“ oder um innere Bilder, die eine blumige uralte Seele beschreiben, die hier ist, um ihre Erfahrungen zu sammeln und ihr Karma im Reinkarnationsrad zu erlösen, sondern nur um das ganz einfache Fühlen und Spüren. Vergleichbar mit beispielsweise dem Vorgang beim Trinken. Du nimmst eine Tasse in die Hand und spürst, dass sie warm ist. Eine ganz einfache Erfahrung. Hier und Jetzt. Warm! Wo genau ist das spürbar, was du „Ich“ nennst? Lass dir einen Moment Zeit, schließe deine Augen, werde innerlich ruhig und fühle… Wo bist du? Wo genau? Reagiere nicht gleich auf das Erstbeste, was der Verstand bietet, sondern überprüfe spürend ganz einfach und ruhig, ob es wirklich wahr ist. Mache so lange weiter, bis du die zweifelsfreie Wahrheit hinter deinen Glaubenskonzepten gespürt und erfahren hast. Mit dieser einfachen Übung kannst du dein gesamtes Wissen auf seinen Wahrheitsgehalt überprüfen. Bist du ein Mensch? Hast du einen Körper? Hat der Körper spürbare Außengrenzen? Wo ist er zu Ende? Wie fühlt sich „Haut“ von innen an? Gibt es etwas Zweites? Wo genau findet Wahrnehmung statt? Wo ist der Verstand spürbar? Wo genau spürbar findet Denken statt? Etc.

Wenn du die Übungen erstmal ausprobieren magst, höre hier kurz auf zu lesen und spiele ein wenig mit den Entdeckungen. Spielen bedeutet nicht oberflächlich oder leichtsinnig, sondern mit Leichtigkeit, nicht verbissen, sondern neugierig und offen, wie ein kleines Kind, das auf einer weiteren Entdeckungsreise ist – spielerisch eben…

Nun nehmen wir mal die Ergebnisse vorweg: Es ist gar nichts wirklich spürbar. Kein Ich, kein Körper, nichts, was getrennt von etwas anderem existiert. Alles, was ein Mensch denkt zu sehen, zu hören, zu riechen, zu schmecken und zu spüren, sind nur bildliche Vorstellungen von reflexartig auftauchenden Wörtern. Alles, was scheint, „etwas“ zu sein, entpuppt sich als „nicht etwas“. Das, was du denkst zu sein, ist nur eine Vorstellung. Die gesamte Wahrnehmung ist eine reine Imagination, (Image, engl.= Bild) In der Bibel heißt es nicht umsonst: “Du sollst dir kein Bildnis von Gott machen.“ Nun stellt sich die entscheidende Frage: Wer hat denn dann diese Vorstellungen? Wer hat bisher geglaubt, Mensch und „Ich“ zu sein? Wer ist jetzt wirklich hier? Ich könnte dir jetzt darauf antworten, aber dann wärst du wieder in der Versuchung, jemandem zu glauben. Die Entdeckungsreise braucht aber die Erfahrung. Also: Sei still und wisse, ich bin …

 

Mario Hirt

ist spiritueller Lehrer und Heilpraktiker für Psychotherapie. Er bietet Einzelgespräche, Satsang, Retreats sowie Termine im Satsang-Mobil an.

Workshop – Die Entdeckungsreise zur ungetrennten Existenz“ –

Ort und Termin in Berlin auf Anfrage beim Autor

Kontakt: info@mariohirt.de

Tel.: 0173-232 95 00

www.mariohirt.de

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