Abb: (c) tangjiao - pixabay.comLiebe. Sonst nichts. 4. Januar 2022 Bücher, Literatur, Kultur Von Visionen und Träumen. Von Clara Welten Die junge Prinzessin saß auf ihrem Thron aus braunem Holz. Schöne geschnitzte Armstützen gaben ihr Halt, so dass sie zurückgelehnt und bequem über ihr Land blicken konnte. Es war ein reiches Land. Am Horizont erkannte sie den dichtbewachsenen Wald, dunkelgrün, der einen Halbkreis um Felder, Häuser, um die saftigen Wiesen und Flüsse bildete. Links von ihr glitzerte die Oberfläche des großen Earth-Sees. Besonders am heutigen Morgen schien es, als leuchteten Perlen aus Glas auf dem Wasser, das klar und rein war. Fische schwammen zuhauf darinnen, so dass die Kinder immer viel Spaß hatten, wenn sie baden gingen und mit den nackten Füßen eine Schwanzflosse berührten. Reich war der See, so wie das Land. Reich an Menschen, an Mutter Erde, an Tieren und Pflanzen, an guter Luft und Wasser: an allem, was sie brauchten. Die junge Prinzessin schaute nach rechts, auf den Thron ihrer Mutter, der am heutigen Morgen noch leer war. Ihre Mutter, die Königin, war unterwegs im Land, besuchte die Bauern, die Handwerker, die Steinmetze, die Schuhmacher, die Tischler und Holzarbeiter, die Lehrer und Künstler. In zwei Tagen würde der Tag des Earth-land sein und alle wollten sich gebührend darauf vorbereiten. Jeder wollte zeigen, was er zu bieten hatte, was er im zur Neige gehenden Jahr vorbereitet und mit viel Liebe angefertigt und entstehen lassen hatte, auf dass es allen zugute kommen würde. Jedwedes, was die Menschen hierzulande taten, ging alle etwas an; alles war für alle da. Jeder tat, was er tun mochte, weil konnte und jeder brachte es in die Gemeinschaft ein. Vielleicht war deshalb das Land der jungen Prinzessin so reich? „Wir haben alles, was wir brauchen, weil uns alles gegeben wurde“, dachte sie und lief freudig ihrer Mutter, der Königin entgegen, die jetzt ganz aufgeregt und errötet die Treppen hinauf zum großen Haus kam, in dem sie mit vielen Menschen zusammen wohnten. Die Königin lebte mit einem Mann, der der Vater der jungen Prinzessin war. Er war auch der König, weil er gerne regierte. Sie lebte mit einer Frau, die ihre Herzensfreundin und Geliebte war und als Beraterin im Königreich fungierte, denn sie verstand sich gut aufs Ganze: auf den Kontakt zu den hier lebenden Bewohnern, Menschen und Tieren und auf die „oben und unten“ Zuhause seienden Wesen. So war sie immer bei Beratungen dabei, die regelmäßig im Monat stattfanden, auf dass der Friede harmonisch sich gestalte. Jeder wollte gehört werden, die feinstofflichen Begleiter von oben gaben „ohne Worte“ ihre Ansichten zum Besten und diejenigen der Unterwelt natürlich auch. Sie schimpften meistens, weil es ihnen schwer fiel, Harmonie zu ertragen. Das wussten alle und sie selber wussten es auch, taten sich aber schwer damit, es zu akzeptieren. Dann gab es in diesem großem Haus, das eigentlich gar nicht viel größer war als alle Häuser im Lande, auch noch viele Kinder. Die Königin hatte eigene Kinder und auch herbeigelaufene Kinder, die sich gewünscht hatten, in der Nähe der jungen Prinzessin zu leben, weil sie sich gut mit ihr verstanden. Das Earth-Haus war ein Ort für Groß und Klein, gleich, woher einer kam: „Kommt das Leben aus meinem Bauch oder aus dem Bauch einer anderen Frau“, hatte die Königin einst gesagt: „… das ist nicht wichtig. Wichtig ist das Leben. Wichtig ist die Liebe. Und um zu leben, wollen wir frohen und großen Herzens sein, damit wir alle berühren.“ Als die junge Prinzessin ihre strahlende Königinnen-Mutter sah, freute sie sich an ihrem Leuchten: „So will ich auch mal strahlen, wenn ich groß bin!“, hatte sie schon als Kind gedacht, wenn sie in den Armen ihrer Mutter lag, um der Geschichte des Abends zu lauschen. Jetzt hörte sie die Stimme der Mutter, eine Stimme, die tief und weit klang, wie der Ruf eines gefiederten Tieres, das sich immer in der Morgendämmerung meldete, hindurch des Waldes und über Wiesen hinweg. „Geschafft!“, rief die Königin laut, und kam mit ihrer Geliebten, der Beraterin die Treppen heraufgerannt. Hand in Hand liefen sie die sieben Stufen zum Earth-Haus hinauf. „Jetzt haben wir in der vergangenen Woche den ganzen Reichtum des Landes gesehen. Und auch die Liste ist fertig. Endlich!“ Die junge Prinzessin wusste, wie viel Arbeit es in jedem Jahr war, DIE Liste zu machen, deren Artikel jeder in Großbuchstaben schrieb. DIE Liste, das war diejenige, die die Königsfamilie tatsächlich einmal im Jahr schreiben wollte und keiner im Land, weder die Alten noch die Jungen, beneideten sie darum. Viele sagten sogar: „Gut, dass ich nicht Königin bin, sonst müsste ich ja DIE Liste machen!“ Ohne sie ging es aber nicht. In der Liste stand ein jeder und alles: Jeder Einwohner des Landes und ein jeder mit seinen Fertigkeiten, ob Mensch oder Tier, die er zum Ganzen beitragen mochte. Manchmal waren es die Farben, die ein Bewohner aus den Blättern der Blüten mit dem Mörser rieb. Manches Mal waren es die Eier, die die Hühnerfrau täglich sammelte und verteilte und manches Mal die Stühle, die der Holzarbeiter fertigte. Auch die großen und kleinen Tiere, die den Boden der Mutter Erde und die Luft bewohnten, wurden benannt. Da jeder menschliche Einwohner, wenn er mit dem Lernen fertig war – und fertig war ein jeder, wenn er meinte, mit dem Lernen dessen, was sein Herz begehrte, fertig zu sein – ausübte, was er mochte, kam alles zusammen, was gebraucht wurde. Jeder Einwohner ging gerade zu dem Bewohner des Earth-land lernen, zu dem es ihn in seiner Lust bewog, und jeder ging auch zum Lernen, wann er sich bereit fühlte, genau dies zu tun. Sei es, er wollte bei einem spirituellen Meister lernen, so wie Kara, die mit fünf Jahren bereits daran gedacht hatte, mit den Wesen des Lichts und der Dunkelheit sprechen zu wollen, sei es, jemand wollte beim Maler lernen, so wie Joshua, der im Alter von zehn sich dazu berufen fühlte, die Häuser des Earth-land so schön wie irgend möglich zu bemalen; oder sei es, jemand wollte die Mathematik beherrschen, um die Häuser des Landes bauen zu können, die rund oder eckig, viereckig, sechseckig oder achteckig waren, eben wie ein jeder es für sein Zuhause befand. Aber ohne DIE Liste war das alles nicht möglich. Niemand hätte gewusst, wer etwas brauchte; was ein jeder zu fertigen gedachte und worin ein jeder sein Leben im Vollen wähnte. Und vor allem hätte niemand gewusst, was es alles Wunderbares zu verteilen, zu tauschen und von Mensch und Tier zu genießen gab. Deshalb war die Mutter Königin immer so aufgeregt, wenn sie ins Earth-Haus zurück kam, nach den Tagen des Unterwegs-Seins. Sie war dann immer ganz rot im Gesicht, so erfüllt und exaltiert, dass es manches Mal nicht einfach zu ertragen war. Auch jetzt sprach sie in einer solchen Geschwindigkeit, dass sich die Wörter verdoppelten und die junge Prinzessin ihr am besten zuhörte, wenn sie ihre Augen schloss, damit sie die Worte nicht mit den Ohren hören musste, sondern die Sätze ihrer Mutter im Herzen wahrnehmen konnte. „Sonst werde ich noch wahnsinnig!“, dachte sie sich, „Bei der heutigen Fiebrigkeit meiner Mutter!“ Sie vernetzte sich umgehend in ihrem Hören mit der Schwingung des Herzens, das sowieso meist angenehmer war als der ganze Krach der lauten Worte in der Welt, befand unsere junge Prinzessin. In letzter Zeit hatten die Alten im Earth-land auch beobachtet, dass die jungen Leute immer mehr sprachen, ohne mit ihren Mündern sprechen zu müssen, weil es eben stiller vonstatten ging. Auch konnte ein jeder den gefiederten Tieren zuhören, im Hintergrund ihr Tönen als leise Musik vernehmen, während sie sich setzten, die Augen schlossen und in ihren Gedanken sprachen – mit Mutter, Vater, mit Freund und Bekannten, mit Tisch und Stuhl, aus dem braunen Holz der Geschwister Bäume gemacht, mit Himmelsreitern und Höllenbrüdern, die mal wieder nervten, weil sie so gerne im Unfrieden existieren. Eigentlich taten sie das nicht gerne, es fiel ihnen nur so schwer, das Helle des Lichts zu ertragen. Das Licht tat ihnen weh; es schmerzte ihrer Unzufriedenheit: Wer so lange in der Dunkelheit wohnte, hatte es schwer, die Helligkeit überhaupt auszuhalten, weil anzunehmen. Außer Zanken und Schimpfen fielen ihnen daher keine Handlungen ein. Das verstanden alle. Das verstand auch unsere junge Prinzessin, weshalb sie des Öfteren mit den Wesen des dunklen Reiches sprach, um sie zu begleiten und um ihnen den Weg über die Schwelle zum Licht zu weisen, wenn sie denn einmal reif sein würden. Die junge Prinzessin hatte die Fähigkeiten ihrer Mutter und ihres Vaters geerbt – die Spiritualität ihrer Mutter und das Organisationstalent ihres Vaters, der nun auch aus dem Hause trat, sich die Augen rieb und sich links neben die junge Prinzessin setzte. „Na?“, fragte er mit einem verschmitzten Grinsen „ist die Mutter Königin mal wieder irre laut?“, und die Prinzessin bestätigte dies mit einem leichten Nicken und Verrollen ihrer inneren Augen. Als der Vater sah, dass die junge Prinzessin in den Weiten der Welten unterwegs war, ihre Augen geschlossen, um zu hören ohne mit den Ohren hören zu müssen, um zu sprechen, ohne Laute von sich geben zu müssen, berührte er ihre Hand, legte seine auf die ihre. Nach einem Moment der Verbundenheit und des inneren Dialoges wandte er sich der Natur zu: dem Ausblick über das Land, an dem er sich jeden Tag erfreute. „Wie schön, dieses unsere Land!“ Den Blick schweifen lassend über Wald und See, über Dunkelgrün und Glitzern, dachte er: „Was Liebe zu jedem und allem doch zustande bringen kann: Das Paradies auf Erden.“ Seine Tochter und er öffneten ihre Augen, schauten sich an und manifestierten ihre Gedanken in die Welten des Raumes, in dem ein Schwingen der Freude sich ausbreitete. Der Artikel erscheint zur Herausgabe des Sein-Magazins als Podcast auf meinem YouTube-Kanal „Clara Welten„. Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar Antwort abbrechenDeine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.KommentarName* E-Mail* Meinen Namen, meine E-Mail-Adresse und meine Website in diesem Browser für die nächste Kommentierung speichern. Überschrift E-Mail-Benachrichtigung bei weiteren Kommentaren.Auch möglich: Abo ohne Kommentar. 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