Deutschland Schwarz Weiß. Der alltägliche Rassismus

Titel: Deutschland Schwarz Weiß. Der alltägliche Rassismus

Author: Noah Sow

Verlag: Goldmann, 2009

Preis: 320 Seiten, 8,95 Euro

ISBN: 978-3442155750

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Praxisbuch

Die in Bayern geborene und aufgewachsene Künstlerin, Autorin, Produzentin, Aktivistin und Moderatorin hat dieses Buch schon vor sechs Jahren veröffentlicht.

Inzwischen ist es ein Standardwerk zum Thema Alltagsrassismus und aktueller als je zuvor. Noah Sow nähert sich hier einem brisanten Thema, das vielen Deutschen Angst macht und meist verleugnet wird. Rassismus? Gibt’s nicht. Wir sind doch alle gleich. Und doch lernen wir schon als kleine Kinder Rassismen, verinnerlichen sie in der Schule und leben sie auch später als Erwachsene. Sich seiner eigenen Privilegien bewusst zu werden, zu reflektieren und alte Glaubenssätze, die von klein auf in unser Gehirn gekerbt wurden, zu erkennen und aufzuheben, ist schwere Arbeit.

Mit sympathischer Wortwahl und einer guten Prise Humor leitet Noah Sow die Lesewilligen durch ihr Werk. Sie verteufelt ihre Leser/innen nicht als „böse“, sie nimmt sie an die Hand und macht anhand vieler Beispiele, Übungen, ausführlichen Begriffsdefinitionen (Sprache als Definitionsmacht) und Tests („Erkenne ich Rassismus?“) mit ruhigen Erklärungen die Strukturen des alltäglichen Rassismus – von den „normalen“ Sprüchen und Vokabeln in Gesprächen, in der Schule, in unseren Medien bis zum Verhalten von Staatsmächten (Racial Profiling) – in unserer Gesellschaft sichtbar. Denn Rassismus zu bekämpfen heißt zunächst einmal, ihn überhaupt erst als solchen identifizieren zu können. Dabei geht sie nicht mit drohend erhobenem Zeigefinger vor und lässt ihren Leser/innen auch Raum, um sich aufzuregen, sich über das Buch aufzuregen und mit ihren Gedanken zu kollidieren. Sie spricht die sofort emotional und empört anspringenden Abwehrreflexe immer wieder an und ermutigt dazu, rational dahinter zu blicken, hinsehen zu lernen und sich nicht ängstlich in Derailing-Argumente à la „Aber guck mal! In anderen Ländern ist der Rassismus doch vieeel schlimmer!“ zu flüchten. Denn das mag vielleicht sein, aber davon geht der Rassismus in Deutschland ja nicht weg oder wiegt weniger schwer. Schon der Einstieg auf den ersten Seiten entlarvt sehr amüsant und gekonnt die Bilder und Vorurteile, die wir in unseren Köpfen herumtragen.

Fazit: Eine erstaunlich lockere, pointierte und anregende Lektüre für so ein ernstes Thema. Das Buch sollte jeder gelesen haben. Es ist ein Arbeitsbuch, ein Werk, bei dem man über sich selbst viel lernt – vor allem aber lernt, anerzogene Wahrheiten und Gewissheiten nüchtern zu betrachten und zu überprüfen. Diese innere Reise zu den eigenen Überzeugungen und Wertvorstellung fordert viel Mut und ist ein durchaus schmerzhafter Prozess. Aber gerade Menschen, die spirituell offen sind und die Lehren anderer Kulturen in ihr Leben übernommen haben, sollten diese Prozesse kennen und diese Wege gehen. Es ist nur eine andere Form der Erleuchtung und des inneren Aufstiegs.