Mein Akku ist gleich leer. Ein Chat von der Flucht

Titel: Mein Akku ist gleich leer. Ein Chat von der Flucht

Author: Faiz, Julia Tieke

Verlag: Mikrotext, 2015

Preis: eBook, 56 Seiten, 1,99 Euro

ISBN: 978-3-944543-22-2

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Menschenwürde

Mikrotext ist ein junger Berliner Verlag, gegründet von Nikola Richter, der seit Anfang 2013 digitale Kurzbücher zu aktuellen gesellschaftlichen Themen herausbringt. So auch „Mein Akku ist gleich alle“, ein reales zeitgenössisches Dokument ist, das einen kurzen Blick auf Faiz’ (Jahrgang 1987, hat in Aleppo, Syrien, Englische Literatur studiert) und Julia Tiekes (Jahrgang 1974, Radioredakteurin) Unterhaltung gewährt.

Während einer Recherchereise, die Julia für eine Sendung des Deutschlandfunks machte, lernten sich die beiden in Gaziantep (Türkei) kennen.

Es sind nur kurze Momentaufnahmen. Faiz ist auf der Flucht.

Der Medienaktivist flieht vor dem syrischen Regime und vor der IS, die ihm nach dem Leben trachten. Zusammen mit anderen Aktivisten war er an Protesten beteiligt und betrieb einen Sendemast für ein unabhängiges Radio.

Die Chatprotokolle geben kurze, fragmentarische Einblicke in die wochen- und monatelange Flucht von Faiz über die Türkei, Mazedonien, Serbien, Rumänien. Die Leser/innen haben lediglich die FB-Chats zwischen Julia und ihm und ab und zu ein Handyfoto von der Flucht – ein selbstgebauter Unterschlupf mitten im mazedonischen Wald, ein mit Syrern vollgestopftes Auto, kurz bevor es von der Polizei aufgebracht wird.

Es ist kein literarisches Meisterwerk, bleibt natürlich sprachlich weit hinter ausgefeilten Büchern zurück. Zunächst wirkt alles etwas fern, irreal. Man muss sich schon ein wenig auf die Unterhaltung einlassen, sich vorstellen – Julia im Warmen, in Sicherheit, in Deutschland, mal sogar während eines Gesprächs im Theater, Faiz mitten im Wald, ohne Zivilisation, ohne Strom für sein Handy – das eben überlebenswichtig ist –, der verzweifelt versucht, seine Menschenwürde zu bewahren.

Geradezu alltäglich lesen sich die locker erscheinenden Sätze über Verzweiflung, Verhaftung, Hoffnungslosigkeit, kilometerlange Gewaltmärsche zur Grenze, nur um dann doch wieder ergriffen, zurückgezerrt und misshandelt zu werden. Man muss die Worte etwas wirken und nachhallen lassen.

Fazit: Ein kleines Dokument der Zeitgeschichte, das zeigt, wie alltäglich Angst, Terror und Misshandlungen sind und wie wenig ein Menschenleben wieder wert ist. Möglich gemacht durch unser liebstes technisches Spielzeug. Überhaupt – das Handy. Damit dürfte für jeden Nazi geklärt sein, warum Flüchtlinge Handys haben. Hier ist es der letzte Faden zu einem Stück Normalität, etwas Halt, Kontakt zu Familie, Freunden und Helfern. Und Hoffnungsgeber, als Faiz voller Verzweiflung an Suizid denkt.