Pädagogisch

„Mama? Was ist eigentlich Krieg?“ Bei den allgegenwärtigen Nachrichten – angefüllt mit vor dem Krieg und damit einhergehender Gewalt fliehenden Menschen, denen es oft nur gelingt Leib und Leben (und oft nicht mal das…) zu retten – bleiben solche oder ähnliche Kinderfragen nicht aus. Wer es seinem Kind zutraut, für den sei zur Erklärung der jetzigen Situation „Die langen großen Ferien“ ans Herz gelegt.

Die preisgekrönte Serie ist mit FSK 6 gelabelt, dennoch wird im Booklet ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Erziehungsberechtigte ihre Kinder beim Angucken der Serie begleiten und nicht alleine lassen sollen. Dies gilt gerade für sensible Kinder. Die Erzählung nimmt im Jahr 1939 ihren Anfang und erstreckt sich über einen Zeitraum von fünf Jahren. Auf ZDF.tivi gibt es sogar weiterführendes Begleitmaterial für Eltern und Pädagogen. Der Box (2 DVDs mit insgesamt 10 Folgen à 25 Minuten) liegt auch ein begleitendes Booklet mit einer Einführung für Eltern und einem Mini-Lexikon zur Begriffsklärung bei.

Erzählerin ist die erwachsene Colette, die sich an die „langen großen Ferien“ bei den Großeltern erinnert. Die tierliebe Colette ist zu Beginn sechs, ihr Bruder Er- Paul Leluc Die langen großen Ferien Polyband DVD, 250 Minuten, 18,99 Euro Pädagogisch nest zehn Jahre alt. Das Geschwisterpaar stammt aus Paris und besucht die Großeltern (Omili und Opili) auf dem Land, die Eltern sind dabei, die Sonne scheint, die Blumen blühen, Kuchen wird gebacken…

Doch die Idylle ist überschattet. Ganz am Rande merkt man: Die Mutter scheint krank zu sein, die Erwachsenen unterhalten sich besorgt über Zeitungsmeldungen. Schließlich verkündet der Radiosprecher, dass Frankreich im Krieg ist. Der erste große Riss in der heilen Kinderwelt. Die Familie wird auseinandergerissen, die Mutter muss in ein Sanatorium in der Schweiz, der Vater an die Front. Colette und Ernest bleiben in der Normandie bei Omili und Opili und dem Hausschwein Schlammi.

Aus einem kurzen Urlaub werden die langen großen Ferien. Glaubt der Vater anfangs noch, dass der Krieg schnell vorbei ist, zeigt sich bald, dass dem nicht so ist… Die Zeit bei den Großeltern (denen die Angst vor dem Krieg noch vom letzten Mal eingebrannt ist und die Böses ahnen) beginnt noch relativ unbeschwert und sorglos. Die Kinder finden neue Freunde und bauen im Wald eine geheime Hütte. Es sind Kinderabenteuer, die durchbrochen werden vom Ernst des Lebens, der sich auch im sich verschärfenden Verhalten und Rassismus der Menschen im Dorf widerspiegelt. Gerüchte und Verdächtigungen belasten die Gemeinschaft.

Oft wird durch Colettes offene und unbefangene, kindliche Art deren Widersinnigkeit aufgezeigt. Der Krieg nähert sich unaufhaltsam, die Deutschen rücken immer näher, es gibt Fliegerangriffe, Flüchtlingstrecks, Dieppe brennt, Menschen sterben, Kinder verlieren ihre Eltern. Die Schrecken und die Grausamkeit des Krieges, die bedrückende Gewalt werden deutlich. Dies ist eindeutig kein blank gebügelter Disney-Film, an dessen Ende alle „Guten“ fröhlich gemeinsam ein Lied trällern.

Fazit: Eine liebevoll gemachte und einfühlsame Animationsserie, die tief berührt. Sie hilft Kindern zu verstehen und nachzuvollziehen, was gerade in der Welt geschieht… Auch manchen Erwachsenen mit rechter Gesinnung sei diese Serie für mehr Verständnis und Mitfühlen empfohlen. Aber gerade wenn es empfindsame Kinder sind, sollten sie sie nicht alleine sehen. Schon als Erwachsener sitzt man da, schluckt die Tränen herunter, das Herz krampft und man wünscht sich innig, dass für uns so eine Zeit niemals wieder anbrechen mag, in der man selbst fliehen muss, um das nackte Leben und das der Kinder zu retten. So wie heute Syrer, Jeziden oder Kurden. Um es mit Opili zu sagen: „Verdammter Krieg.“

Paul Leluc
Die langen großen Ferien
Polyband
DVD, 250 Minuten, 18,99 Euro

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