Die neue Zeit fordert Vernetzung und Miteinander, doch die wenigsten Menschen wissen, wie sie das praktisch leben können. Die neue Be(e)-School in Potsdam vermittelt Menschen, die die Zukunft bewusst mitgestalten wollen, die entsprechenden Kenntnisse und Werkzeuge – und etabliert zugleich eine ganzheitliche Art von Vernetzung unter den Teilnehmern, die das Entstehen von kollektiver Intelligenz ermöglicht. Beste Voraussetzungen, um wie die Bienen – auf Englisch „bees“ – kooperativ für das Wohl des Planeten arbeiten zu können.

 

Eine solche Zeit wie die jetzige gab es noch nie!  Gewiss, das war schon immer so – und doch hat dieser Satz in unserer Epoche eine besondere Dimension. Noch nie hat sich innerhalb der Lebensspanne eines Menschen so viel verändert. Noch nie konnten wir auf so viele und so komplexe Informationen zugreifen. Noch nie hatten wir so viel Know-How und Technologie zur Verfügung. Noch nie gab es so viele Prognosen und Zukunftsszenarien, so umfassende Einblicke in internationale und planetarische Zusammenhänge. 

Wir tragen kleine schwarze Boxen in unseren Taschen, mit denen wir jederzeit und überall erreichbar sind. Wir können jederzeit mit jedem kommunizieren, Wetter, Flugpläne, Börsenbewegungen abfragen oder auf dem Mont Blanc die Tagesschau von gestern noch einmal anschauen. Wir stehen mitten in einer globalen ökologischen, wirtschaftlichen, klimatischen Krise – und doch führt unsere Kenntnis der Zusammenhänge nur zu geringen Konsequenzen. Wir haben so viele Informationen zur Verfügung, dass wir nicht wissen, wo wir beginnen sollen. Die Welt ist eine Welt geworden – in ihren Wirkungsmechanismen. Nicht aber in unserem Fühlen.

 

Leben auf der Überholspur

Wir speisen biologisch und verarbeiten zertifiziertes Holz, fahren zwei Mal die Woche Fahrrad statt Auto, belichten die Nacht mit Energiesparlampen und schaffen mit Biokraftstoff-Produktion neue Monokulturen, fliegen der Sonne entgegen und vergoogeln mit unseren Suchmaschinen gigantische Mengen an Terrawattstunden Energie.

Noch nie waren wir mit so vielen Menschen „befreundet“, denen wir per Mausklick Herzen und virtuelle Blumen schicken, und haben so wenig mit Menschen Aug in Auge gesprochen. Wir chatten und flirten vergnüglich mit wildfremden Gegenübern an unseren Monitoren und fürchten uns, ihnen in Echtzeit zu begegnen. Die Gehirnstrukturen unserer Kinder beginnen sich durch die beschleunigte digitalisierte Welt auf eine Weise zu verändern, dass sie Schwierigkeiten bekommen, langsamere Bewegungen – wie die der Emotionen – zu verarbeiten.

Menschen, die am Geschehen unserer Zeit Anteil nehmen, sind heute herausgefordert, in großen Dimensionen und Zusammenhängen zu denken und dabei im Gewahrsein ihrer selbst, ihres Herzens, des Hier und Jetzt und des konkreten Gegenübers zu bleiben. Dies können wir nicht mehr als Einzelne. Ich denke, hier stoßen wir an die Grenzen unserer individuellen „Leistungsfähigkeit“. Neue Dimensionen wollen eingeladen werden. Um die Komplexität unserer Situation erfassen zu können, brauchen wir Köpfe und Herzen, die sich auf vielfältige Weise verbinden, um ein gemeinsames Schauen, gemeinsames Fühlen und gemeinsames Handeln zu erzeugen. Diese Qualität wird heute vielfach als „kollektive  Intelligenz“ bezeichnet und gehört zu den wesentlichen Bausteinen, die Veränderung bewirken können.

 

 

Geordnete Strukturen

Was dem Menschen in früheren Zeitaltern ein Gefühl von Sinn gab, war der Platz in geordneten Strukturen von Familien, Dorfgemeinschaften oder Stämmen. Diese Strukturen waren oft beengend und wir haben sie gesprengt. Die Zeiten wandeln sich, und viele sehen die Quelle von Sinn oder Erfüllung heute im Ausdruck ihrer individuellen Lebensweise und Freiheit.

Doch der Halt, die Aufgabe, der Platz, die unhinterfragte Zugehörigkeit, das, was die alten Gemeinschaften uns gaben, war für die menschliche Seele auch eine Quelle der Gesundheit – und die Erfüllung der genannten Bedürfnisse hat im Wandel der Zeiten meines Wissens noch keine überzeugende neue Antwort gefunden.

Mein Lebensfaden rankte immer wieder um dieses Thema: Wie entsteht ein neues „Wir“? Wie entsteht eine Gemeinschaft von Menschen, die jeweils ihren ganz eigenen Ton singen und ihn zugleich hineingeben in das große Konzert des Lebens?
Und wo spielt denn dieses Konzert? Gibt es noch Dirigenten? Ein Dirigentenkollektiv? Gibt es Partituren? Können wir auf Traditionen zurückgreifen oder müssen wir alles neu erfinden? Gibt es einen Platz für meinen besonderen Beitrag? Wie finden wir uns heute, die, die gemeinsam singen wollen?

 

 

Die Suche nach dem Wir

Wie entsteht also ein neues Wir – ich habe diese Frage lange Jahre im Aufbau und der Begleitung von großen Lebensgemeinschaften untersucht. Heute interessiert mich: Wie entsteht kollektive Intelligenz in einer Stadt? Wie entsteht kollektive Intelligenz in einem Land? Wie entsteht eine tiefere Wahrnehmung für das, was uns als einzelne Menschen gerade ausmacht – und von dort aus: Wie entsteht eine gefühlte Wahrnehmung für unsere Welt, unsere Weltengemeinschaft, für uns als Menschheit? Wie können wir so wach werden, dass wir fühlen, was die nächste heilende Handlung ist, die unserer Welt mehr Licht, mehr Wärme, mehr Schönheit, mehr Bewusstheit und gegenseitige Unterstützung bringt?
Ich glaube nicht an mein ökologisches Gewissen. Ich glaube nicht an Appelle und „richtiges“ Verhalten. Ich glaube an Kontakt und Resonanz. Ich erfahre in intensiven Momenten wirklicher, tief erfahrener Gemeinschaft, dass durch Kontakt ein Resonanzvorgang entsteht, in dem die tiefsten Fragen gestellt und wie von selbst beantwortet werden. Ich erfahre, wie unlösbar geglaubte Konflikte in Ehrlichkeit und Schönheit ausgedrückt werden und sich eine Lösung anbietet. Ich erfahre, wie alle Beteiligten gemeinsam es wagen, nichts mehr zu wissen und die Kraft einer Intelligenz zu erfahren, die atemberaubend sein kann.

Diese Phänomene will ich erforschen und mit Menschen teilen. Ich möchte mein Bewusstsein weiten und ein Handeln finden, das aus dem Fühlen des großen gemeinsamen Ganzen heraus entsteht.

 

 

Schule für “Veränderer”

Auf diesem Weg bin ich auf eine Initiative von Scilla Elworthy gestoßen. Scilla Elworthy ist eine großartige Autorin und Gründerin vieler Organisationen, die spezifische Weltkonflikte aufgreifen und transformieren. Sie war Beraterin der UNESCO und der UNO, brachte Regierungsvertreter, Atomwaffenhersteller, Atomrüstungsgegner und Friedensgruppen miteinander ins Gespräch. Sie ist Beraterin des World Future Council und begleitet das World-Peace-Festival 2011 in Berlin (mehr auf www.scillaelworthy.co.uk).

Eine der neuesten Initiativen von Scilla Elworthy ist die Bee School (2009 in Oxford gegründet), ein Training für Menschen, die Veränderung bewirken wollen. Es ist so ausgelegt, dass ein gemeinsames Handeln aus neuen Quellen entstehen kann.

Und es ist uns gelungen, dieses Training in Deutschland aufzubauen: Die Be(e)-School wird im Oktober dieses Jahres in Potsdam beginnen. Sie richtet sich an Menschen, die Zukunft gestalten und sich dafür eine komplexe Herangehensweise aneignen wollen.

Die Be(e) School vermittelt ein ausgewähltes Spektrum an Wissen und Werkzeugen, das für die Herausforderungen der heutigen Zeit Handlungsmöglichkeiten erschließt. Die Teilnehmer lernen unter anderem, zentrale Themen der Weltsituation ganzheitlich zu erfassen und Handlungsmöglichkeiten zu erkennen, die eigenen Fähigkeiten und Führungspotentiale wahrzunehmen und zu verkörpern, ein inneres Verständnis von Gewaltlosigkeit zu entwickeln, die eigenen Werte zu erkennen und Projekte diesen Werten gemäß zu gestalten, eine Praxis von Selbst-Wahrnehmung zu etablieren, die Dynamik menschlicher Transformation und Gruppendynamiken zu verstehen und zu begleiten, systemisches und integrales Bewusstsein anzuwenden und ein Herzens-Netzwerk kooperierender Veränderungsaktivisten aufzubauen.

Dazu gehört  eine ganzheitliche Art von Vernetzung unter den Teilnehmern, die das Entstehen von kollektiver Intelligenz ermöglicht. Bienen – auf Englisch „bees“ – arbeiten kooperativ für das Wohl des Planeten. Ohne sie würde es keine Früchte, kein Gemüse geben. In der heutigen Zeit braucht es bewusste „menschliche Bienen“, die ganzheitlich fühlen, denken und arbeiten und mit einer größeren Intelligenz verbunden sind.
Das Ziel ist, Menschen aus Unternehmen mit Engagierten aus NGOs und der Zivilgesellschaft zusammenbringen, um den Dialog zwischen diesen synergetisch zu stärken. Gemeinsam wollen wir erforschen, wie ein Feld von kollektiver Intelligenz in einer Stadt wie Potsdam und Umgebung entstehen kann.


Abb: © The physicist – Fotolia.com

Die Bee-School wird von Dolores Richter und Sheila Deutinger koordiniert und begleitet. Weitere Referenten sind: Scilla
Elworthy, Alexandra Schwarz-Schilling, Rolf Lutterbeck, Peter Erlenwein, François Wiesmann u.a.

Das Training dauert ein Jahr und findet in jedem Monat an einem Samstag (inkl. Freitag abend) statt. Beginn: 29. Oktober 2010

Kostenlose Infoabende:
Potsdam: 24. August, 19 Uhr (VISION BBS, Benkertstr. 2, Holländisches Viertel)
Berlin: 26. August, 19 Uhr (Gotischer Saal, Schmiedehof 17, Eingang über Methfesselstr. 24-40)

Mehr Infos bei Sheila Deutinger
Tel.: 030-69 00 46 75 oder info@awakening events.de, http:// beeschool.kreacom.org

Über den Autor

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Dolores Richter hat 1991 die ZEGG-Gemeinschaft mit begründet. Sie ist Autorin des Buches »Die Liebe ist ein soziales Kunstwerk« und begleitet seit über 30 Jahren Menschen auf ihrem Weg in Bewusstwerdung,  Gemeinschaftsbildung, Liebe, Partnerschaft und Sexualität. Heute liegt ihr Engagement im Aufbau von gemeinschaftlichen Netzwerken, in denen Liebende sich einbetten und gegenseitig unterstützen.

 

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