Über das, was wir wirklich suchen…

von Donald Guß

Mut ist ein Unwort. Wir wünschen uns mehr Mut, doch wenn wir das Wort Mut auch nur in den Mund nehmen, schießt häufig sogleich ein anderes Gefühl in uns hoch und möchte den Platz des Mutes einnehmen. Probiere es aus: In dem Moment, in dem du dir selbst sagst, dass es jetzt darum geht, mutig zu sein, fühlst du meist sogleich das Gegenteil – Angst oder Verunsicherung. Wenn wir aufgefordert sind, mutig zu sein, hält uns Angst zurück. Doch geht es, wenn es um Mut geht, nie um Mut, sondern um die Wahrheit. Etwas, das aus den Tiefen unseres Herzens emporquillt und uns zum Handeln veranlasst. Im Prinzip können wir nicht anders, als ihrem Ruf zu folgen, denn Wahrheit ist Teil der menschlichen Essenz. Darum: Wenn wir über die Wahrheit sprechen, dann ist das etwas Klares und im Grunde etwas Verbindendes. Wahrheit ist weder ein Trend, noch ist sie politisch. Das Wissen über sie kommt aus einer ganz anderen Tiefe in uns. Sie ist etwas, das in uns bereits angelegt ist und, wenn wir genau „hinschauen“, die ganze Zeit und unverändert da ist. Wenn es wirklich um Wahrheit geht, wird sie inspirieren. Wir werden „mutig“ handeln, ohne uns darüber bewusst zu sein. Uns erinnern an das, was wirklich zählt im Leben. An das, was durch alles, was im Außen erscheint, ganz tief von innen hindurchscheint. Wann immer du das Gefühl hast, mutig zu sein, geht es um etwas! Etwas Zentrales. Hier glauben wir meist, es geht dabei um uns, um „mich“. Aber ist das wirklich so? Geht es, wenn der Mut bei dir anklopft, wirklich (nur) um dich? Oder geht es um mehr? Könnte es, wenn du genau hinschaust, gar um etwas gehen, das das „mich“ sogar übersteigt?

In die Wahrheit verlieben

Wenn ich mit Menschen über das Thema Wahrheit spreche, höre ich ab und zu: „Meine Wahrheit, deine Wahrheit.“ Doch gibt es so etwas wie meine Wahrheit und deine Wahrheit eigentlich? Rumi sagte einmal: “Jenseits von Richtig und Falsch liegt ein Ort. Dort treffen wir uns“ – an diesem Ort finden wir die Wahrheit. Hier braucht es keinen Mut. Auch hören dort Kampf, Angst und Trennung einfach auf. Dort geht es um etwas, das schon längst tief in uns angelegt ist! Etwas, das unaufhörlich in uns lebt: Schön und anmutig, berührend und kraftvoll. Es geht darum, dorthin zu schauen und sich zu verlieben. Manchmal reagieren wir dann doch mit Angst. Weil es so groß ist und bedeutet, dass wir etwas ändern müssten in unserem oft kontrollierten Leben. Geht es also doch darum, mutig zu sein? Und wieder – nein.

Es geht darum, die Wahrheit in sich zu erblicken und nicht vor ihr wegzulaufen. Und sich, wenn er/sie denn möchte, sich Hals über Kopf in sie zu verlieben, sich dieser Liebe hinzugeben, „sich in sich selbst zu schmelzen.“ Ich hatte einmal eine Patientin, die auf der Suche nach Mut war, aber eigentlich auf der Suche nach sich selbst. Als ich ihr (in diesem Fall) das homöopathische Mittel Magnesium muriaticum verschrieb, fand sie einfach zurück zu ihrer Natürlichkeit. Jahre später berichtete sie mir, dass Mut nie wieder ein Thema für sie war.