Das Unabänderliche umarmen

Das Leben präsentiert uns immer wieder neue Lektionen, die die Wahrheit widerspiegeln, nach der wir alle suchen. Eine der klarsten ist die über Unbeständigkeit, Wandel, Tod und Transformation. Wenn uns das weggenommen wird, was unbeständig ist, wird offensichtlich, wie sehr wir uns daran klammern. Was uns wiederum die Gelegenheit gibt, das zu finden, was tiefer und dauerhafter als das, was kommt und geht.

Es gibt viele tröstliche Bilder in Bezug auf Transformation und Verwandlung: die Raupe, die zum Schmetterling wird, Phönix, der aus der Asche aufsteigt, der kleine Samen, der zum großen Baum wird. Transformation und Evolution sind einfach Teil des Lebens.
Dennoch fühlen wir uns in unserem persönlichen, alltäglichen Leben oft unbehaglich, wenn sich etwas ändert. Wir fürchten uns vor Veränderung, obwohl sie ständig geschieht. Die wirkliche Frage ist: „Vertrauen wir dem Universum, darauf, dass sich alles in die richtige Richtung bewegt, dass es gut ist, zu unserem Vorteil, oder wollen wir alles nach unserer eigenen Vorstellung kontrollieren?“

Warum leiden wir denn eigentlich, wenn sich etwas in unserem Leben verändert, warum wehren wir uns dagegen und haben Angst davor?
Wir haben Angst vor dem Unbekannten. Ist das nicht der größte Witz?! Wir fürchten uns vor etwas und wissen nicht einmal, wovor, da wir es noch gar nicht kennen! Es ist alles nur eine Projektion und auf einer tieferen Ebene eine weitere Strategie, wirkliches Loslassen und Hingabe zu vermeiden.

Wie können wir am besten mit dieser Angst vor Veränderung umgehen, mit der Angst vor dem Unbekannten? Spring! Tauch hinein in das Unbekannte. Denn jedes Mal, wenn wir springen und dann herausfinden, dass wir unversehrt geblieben sind, wird es einfacher. Es fühlt sich sogar gut an. Schon bald wird die Angst dann zur Aufregung und Freude darüber, dass das Leben durch uns lebt und wir Neues entdecken. Anstatt uns zurückzuhalten, fangen wir vielleicht sogar an, danach Ausschau zu halten. Es wird attraktiv und einfach. Es ist lebendig.

Immer, wenn etwas verloren geht oder stirbt, sei es nun eine Arbeitsstelle, Geld oder eine Beziehung, besteht die wirkliche Herausforderung darin, zu sehen, ob wir daran festhalten und versuchen, unsere Welt so zu belassen wie sie war – oder ob wir freudig loslassen können, hinein ins Neue, Unbekannte. Und wenn Vertrauen da ist, wird die Angst vor dem Unbekannten zu einem Abenteuer und zur Entdeckungsreise. Also, trau dich und lass los.
Denn Tod und Veränderung sind Gelegenheiten zur Hingabe, Tore zum Göttlichen, eine weitere Chance, sich das Spiel des Lebens anzuschauen und es zu üben. Öffnen wir uns und lassen los oder sind wir voller Angst und leisten Widerstand? Je mehr man versucht, dem Tod und der Veränderung zu widerstehen, desto mehr stirbt man. Aber das einzige, das wirklich sterben muss, ist die Anhaftung, die Identifikation, sind all diese Versuche, festzuhalten, die Dinge zu kontrollieren und anders haben zu wollen. Was letzten Endes tatsächlich stirbt, ist die Verblendung unseres Verstandes in Bezug auf das, was wirklich wichtig ist.

„Wer sich nicht immer wieder neu gebiert, ist dabei, zu sterben“ Bob Dylan

Oft sind, was wir als Probleme oder Hindernisse wahrnehmen, in Wirklichkeit Geschenke zum Aufwachen, die sich genau dort verstecken, wo wir sie als letztes erwarten. Wirkliche Lebendigkeit versteckt sich im Tod, genauso wie sich Selbstvertrauen in Unsicherheit versteckt, sich Liebe im Hass versteckt und Macht in Hilflosigkeit. Wenn wir vollständig JA sagen zu allem, was wir verurteilen und ablehnen, verschafft uns das den direkten Zugang zur Quelle all dessen, was ist. Denn hinter der Maske aller Unannehmlichkeiten ist die Quelle, das Eine, nach dem wir uns so sehnen und wonach wir suchen, während wir gleichzeitig genau davor wegrennen. Es versteckt sich in ALLEM, es ist ALLES, OHNE AUSNAHME.

Unbeständigkeit: Auch das, was wir lieben muss sich ändern.

Wenn uns etwas, das wir lieben, verlässt oder stirbt, erfahren wir etwas, was wir Traurigkeit nennen. Es ist einfach so. Traurigkeit ist einfach der Geschmack, die Qualität von etwas Geliebtem, das sich weg bewegt. Nicht die Traurigkeit selbst ist das Problem, sondern unser Widerstand dagegen, der Glaube, dass die Erfahrung von Traurigkeit nicht okay ist. Wenn wir es mit Angst assoziieren und als Verlust im negativen Sinne wahrnehmen, dann verurteilen wir es als Problem und als etwas, das wir vermeiden sollten, jetzt und in Zukunft. Es gibt einfach keine wirklichen Probleme. All dieses Leiden wird tatsächlich nur vom Verstand kreiert durch unsere Vorstellungen über Verlust und Gewinn, Sicherheit und Bedürftigkeit.
Wenn wir dieses negative Etikett entfernen und uns tief für die Erfahrung öffnen, dann werden wir herausfinden, dass es in Wirklichkeit ein anderes Gesicht der Liebe ist. Wie hätte sonst Traurigkeit da sein können, wenn es nicht vorher schon die Liebe gab? Tatsächlich kann ein Abschied eine ebenso freudige Erfahrung sein wie eine Geburt. Aus wahrer Offenheit und Hingabe heraus können Kommen und Gehen gelassen und mit Ehrfurcht und Dankbarkeit gesehen werden. Sogar die Traurigkeit, klar gesehen, ist einfach eine Phase des Ausdrucks von Liebe, und ist nicht besser oder schlechter als die Freude. Sie ist einfach Teil des Prozesses von Kommen und Gehen. Also lass es zu.
Ich habe diese Lektion über Liebe, Verlust und Traurigkeit gelernt, als mein bester Freund und Lehrer getötet wurde. Anstatt gegen die Realität des Verlustes anzukämpfen, gegen die tiefen Gefühle von Hilflosigkeit und Traurigkeit, habe ich es zugelassen, dass mein Herz zerbricht, habe mich hingegeben und in etwas Größeres vertraut als mich selbst.
Dabei wurde ich reich beschenkt: plötzlich konnte ich über mein persönliches Drama hinausschauen und mir wurde das größere Bild von Ebbe und Flut des Lebens gezeigt. Ich habe eine tiefe Feierlichkeit und Freude erlebt, als ich sehen konnte, wie ich selbst ein Teil bin des natürlichen Zyklus von Veränderung. Noch im Tod hat mir dieser geliebte Freund ein großes Geschenk gemacht. Ich wurde belehrt und geheilt durch meinen Freund. Die Liebe machte es möglich.

Leben ist Bewegung.
Leben ist Veränderung.

Die Dinge kommen und gehen – na und? Untersuche einmal genau, warum das überhaupt von Bedeutung ist. Es ist wirklich nur Identifizierung und Anhaftung. Wenn wir glauben, dass etwas „da draußen“, eine Person, ein Besitz oder eine Erfahrung notwendig für uns ist, damit wir okay sind, dann verkaufen wir uns, betrügen uns selber.
Was wäre denn, wenn sich nichts ändern würde, wenn alles perfekt wäre und das für immer? Langweilig! Es würde immer noch etwas fehlen, auch wenn alle äußeren Wünsche erfüllt wären. Und gleichzeitig: erst wenn alles Suchen aufhört, wenn es keinen Antrieb mehr gibt, irgendetwas zu erlangen, zu ändern oder zu vermeiden, dann ist der wahre innere Frieden da. An diesem Punkt ist dann alles, so wie es ist, gut, weil diese Erfüllung tiefer geht als alle äußeren Quellen. Damit finden wir Zugang zu dem, was sich nie ändert. Aber um das zu finden, muss erst die Tendenz des Verstandes sterben, etwas erreichen zu wollen.

Nach all dieser Diskussion über Transformation erinnere dich, dass es sowieso nur das Jetzt gibt. Und im Jetzt gibt es keine Transformation. Es muss Vergangenheit und Zukunft geben, um Veränderung überhaupt sehen zu können.
Lass alles Gesagte in deinem Wesen widerhallen und vielleicht kannst du durch die Worte hindurch eine Ahnung erhaschen, einen Wandel in deinem Bewusst- sein spüren.
Und dann lass auch alles, was ich gesagt habe, wieder los. Lass die Worte fallen, damit sie nicht zu einer neuen Ideologie werden, an der du dich festhalten könntest.
Und frag weiter, nach dem, was noch tiefer ist. Bleib nicht kleben an irgendwelchen Dingen, die du meinst, verstanden zu haben. Entspann dich hinein in das, was du jetzt gerade bist, genauso wie es ist.
Die Wahrheit ist immer noch tiefer. Sie beinhaltet Dieses und genauso Nicht-Dieses.
Sie ruht sich aus im tiefen Frieden des Seins.

Mögest du freudig mitfließen und die Veränderungen in deinem Leben willkommen heißen.

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